Die andere Seite der Hoffnung

Die andere Seite der Hoffnung

Tragikomödie von Aki Kaurismäki um einen syrischen Flüchtling, der in Helsinki Unterschlupf bei einem Restaurantbesitzer findet.

22.02.2017

Von Christian Horn

Ein Frachtschiff teilt den Nebel vor Helsinkis Hafen. Zwischen Kohlestücken schält sich ein blinder Passagier heraus, es ist der Syrer Khaled (Sherwan Haji). Aus seiner Familie lebt nur noch die Schwester, die er während der Flucht durch Europa aus den Augen verloren hat, bevor er zufällig in Finnland landet. Als ihm das das Asyl verweigert wird, schlägt sich Khaled als Illegaler auf der Straße durch, wo er nach tumben Neonazis und wehrhaften Obdachlosen schließlich den wortkargen Handelsvertreter Wikström (Sakari Kuosmanen) trifft.

Wikström beginnt ebenfalls gerade ein neues Leben, nachdem er seine alkoholkranke Ehefrau verlassen hat. Mit dem Gewinn aus einem Pokerspiel kauft er ein marodes Restaurant, das er mit Hilfe der alten Belegschaft zum Laufen bringen will. Dazu testet er diverse Geschäftsideen und kredenzt den Kunden unter anderem das wohl mieseste Sushi aller Zeiten.

Zur Begrüßung geben sich Khaled und Wikström erst mal gegenseitig was auf die Nase. Der Syrer hatte im Hinterhof des Restaurants genächtigt, dem Finnen passt das nicht. Doch kurz später schließen sich die Männer umso fester ins Herz. Wikström stellt den Mechaniker als Tellerwäscher und Putzmann an, wofür er ihm falsche Papiere kauft. So verbrüdern sich der gutherzige Chef, der junge Flüchtling und die Lokalmitarbeiter im Angesicht der gesellschaftlichen Misere zu einer drolligen Underdog-Truppe.

Außenseiter und Verlierer macht die finnische Regie-Ikone Aki Kaurismäki („Le Havre“) gern zu Helden. Die Hoffnung aus dem Titel meint die solidarische Gemeinschaft, die der alte Finne und der junge Syrer eingehen. Kaurismäki plädiert für den Zusammenhalt der kleinen Leute. Mehr als sonst in seinem Werk formuliert er eine Utopie, die explizit auf die politische Realität rekurriert.

Deutlich hervor tritt seine Haltung, als die Einwanderungsbehörde Khaleds Asylantrag ablehnt, weil es in Aleppo angeblich wieder sicher ist – und Kaurismäki dazu Kriegsbilder aus der kaputt bombardierten Stadt montiert. Eine Analyse der komplexen Weltlage unternimmt der Finne aber nicht: es genügt ihm, das Richtige vom Falschen zu trennen. Die Borniertheit der Behörden ist schlecht, Neonazis sind übel, die Gebeutelten, Abgehängten und Obdachlosen halten zusammen. So einfach könnte es sein. Dass es in der echten Welt aber nicht unbedingt so läuft, gibt dem Film einen märchenhaften Anstrich.

Trotz des zeitgemäßen Themas: stilistisch bleibt bei Kaurismäki alles wie gehabt: Die Autos sind alt, die Requisiten ebenfalls, gepokert wird im schummrigen Hinterzimmer. Gedreht hat er den Film auf 35-Millimeter-Material, wodurch die markanten Farben noch kräftiger strahlen. Die Musik kommentiert die oft verknappt ausgeführte Handlung, die teils brüllend komischen Pointen sitzen, und manchmal bleibt Platz für Slapstick.

Und wieder mixt Kaurismäki Alltagsdrama und Kinomärchen im Retro-Style – diesmal aber mit hochaktuellem Bezug.