Spielend sprechen lernen

50 Kinder verbessern in einem zweiwöchigen Theaterprojekt ihre Deutschkenntnisse

Sprachförderung für Kinder durch Theaterspielen – das praktizieren die LAG-Theaterpädagogen und der Verein Dialog seit 2012 in den Pfingstferien. Mittlerweile gibt es schon Wartelisten für die 50 Plätze.

28.05.2016

Von Matthias Reichert

Auf die Bühne kommt, was Kinder selbst improvisiert haben: Heute werden die Stück bei der LAG-Theaterpädagogik in der Heppstraße aufgeführt. Bild: Faden

Auf die Bühne kommt, was Kinder selbst improvisiert haben: Heute werden die Stück bei der LAG-Theaterpädagogik in der Heppstraße aufgeführt. Bild: Faden

Reutlingen. „Eins, zwei, drei – Bühne frei.“ 25 Kinder zwischen 8 und 12 Jahren machen zauberhaftes Theater: Aliens gehen auf Erdlinge los, Eichhörnchen reden mit Eulen, Roboter jagen Diebe, ein Troll stinkt und wird in ein possierliches Einhorn verwandelt. „Der Magier auf dem Bobbycar“ heißt dieses Stück, die zweite Gruppe mit weiteren 25 Kindern spielt „2016: Mission Erde“.

Auch hier tauchen wieder Aliens auf, die es der Phantasie der Kinder sichtlich angetan haben. Die Nachwuchsschauspielerinnen und Schauspieler haben die Stücke in einem zweiwöchigen Theaterprojekt selbst entwickelt – unter Anleitung der Theaterpädagogen Ulrike Tilke und Volker Schubert. Den Anstoß hat ein Workshop des Berliners Lorenz Hippe unlängst beim 30-Jahr-Jubiläum der Reutlinger LAG-Theaterpädagogen gegeben. Hippe hat mit seinem „Theater Direkt“ vorgeführt, wie man kollektiv eine Geschichte nach einem anleitenden Fragesystem entwickeln kann.

Das hat das Theaterprojekt jetzt aufgegriffen. „Auf die Bühne kommt, was die Kinder selbst improvisiert haben“, sagt LAG-Geschäftsführerin Monika Hunze. Die LAG ist Mitveranstalterin des Projekts, das seit 2012 jeweils in den Pfingstferien durchgeführt wird. Gemeinsam mit dem Reutlinger Verein Dialog, der mit Migrantinnen und Migranten Bildungsarbeit leistet (siehe Kasten).

In den vergangenen Jahren hatten die Kinder beim Pfingst-Projekt vorgegebene Stücke gespielt – von Erich Kästner bis Astrid Lindgren. Diesmal wurde nun improvisiert. „Wenn man die Kinder darauf bringt, sprudeln die Geschichten geradezu aus ihnen heraus“, sagt Theaterpädagogin Ulrike Tilke. Schwieriger sei es da schon, eine Auswahl zu treffen und einen roten Faden zu finden.

„Spielend sprechen“, lautet das Motto des Theaterprojekts. Es geht um Sprachförderung, zugleich soll Spaß am Theater vermittelt werden – vom freien Sprechen bis zum Improvisieren. Die Kinder kommen aus dem Raum Reutlingen, viele haben Migrationshintergrund, auch einige Flüchtlinge sind darunter. „Man kann mit Händen greifen, wie sie deutsch lernen“, freut sich Hunze.

Zwei Wochen lang probten die Kinder werktags von 9 bis 16 Uhr, sie wurden betreut und verköstigt. „Viele Kinder erleben zum ersten Mal so eine intensive Betreuung“, sagt Dialog-Geschäftsführerin Galina Lerner. Für die 50 Plätze gab es eine Warteliste. Zwölf Betreuerinnen und Betreuer kümmern sich um die Kinder, viele von ihnen haben früher selbst am Projekt teilgenommen.

Außerdem gestalten sechs Jugendliche ehrenamtlich die Mittagspausen. Bis Mittwoch waren beide Theatergruppen in der ehemaligen Ypernkaserne zugange, wo der Verein Dialog seine Geschäftsstelle hat. Dann zogen sie zu den abschließenden Proben ins LAG-Theaterpädagogik-Zentrum in die Heppstraße um, wo am heutigen Samstag die Abschluss-Aufführungen sind.

Anfangs wurde das zweiwöchige Projekt vom Berliner Bundes-Bildungsministerium gefördert, doch dessen dreijährige Unterstützung lief aus. Jetzt steht die Finanzierung: Die Stadt zahlt 13 200 Euro, die städtische Wohnungsgesellschaft GWG weitere 4400 Euro. Mit 60 Euro Teilnahmegebühr pro Kind ist der Etat von mehr als 20 000 Euro gesichert. Das Projekt sei „ein Paradebeispiel für Nachhaltigkeit“, findet Lerner.

Am Ende des Stücks mit dem Magier und den Aliens machen sich die Kinder im Videofilm Gedanken darüber, was verrückt ist und was normal. Natürlich auf deutsch: „Verrückt ist, wenn Kühe Menschen melken.“

Info: Die Abschluss-Aufführungen der beiden Gruppen sind am Samstag, 28. Mai, um 11 und 15 Uhr im LAG-Theaterpädagogik-Zentrum in der Heppstraße 99/1.

Bildungsangebote von Migranten für Migranten

Der 2003 gegründete Reutlinger Verein Dialog sorgt für Bildungsangebote von und mit Migrantinnen und Migranten, ursprünglich aus dem russischen Sprachraum. Oft sind studierte Pädagogen darunter, deren Bildungsabschlüsse in Deutschland (noch) nicht anerkannt werden. Jetzt leisten sie übergangsweise unterstützende Arbeit für Schulen, dafür erhalten sie Übungsleiter-Pauschalen. Der Verein hat inzwischen rund 350 Mitglieder.

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Erstellt:
28.05.2016, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 28.05.2016, 01:00 Uhr

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