Leseabend

Absurde Eskalationen und falsches Glück

Zwei Vorleserinnen begeisterten am Sonntag beim Haus am Nepomuk 150 Zuhörer/innen mit drei ganz unterschiedlichen Geschichten.

22.08.2017

Von Andreas Straub

Konzentriert lauschte das Publikum beim Leseabend vor dem Haus am Nepomuk. Bild: Straub

Konzentriert lauschte das Publikum beim Leseabend vor dem Haus am Nepomuk. Bild: Straub

Am Sonntagabend zeigten Reinhild Bauer-Geppert und Christiane Müller, dass es Kurzgeschichten in sich haben können. 150 Zuhörer/innen waren bei zunächst angenehm lauen, später etwas frischen Temperaturen zum Haus am Nepomuk gekommen.

In der Pause gab es Schnitzel mit Kartoffelsalat, viele warfen einen Blick in die aktuelle Ausstellung im Nepomukhaus, während Eva, der Wolf und die Füchse für musikalische Unterhaltung sorgte. Die Vierer-Combo aus Rottenburg und Reutlingen hatte sich und das gemeinsame Hobby Musik bei einem Leseabend vor fünf Jahren kennen gelernt und tritt seither immer wieder auf.

Mit „Scaborough Fair“ von Simon & Garfunkel wählte die Band ein trauriges Liebeslied zur Eröffnung. Später folgten irische Volkslieder wie „Ride on“ und „Danny Boy“, die vom Publikum ebenso kräftig beklatscht wurden.

Sich nicht alles gefallen lassen“ lautete der Titel einer Satire von Gerhard Zwerenz, die Reinhild Bauer-Geppert, Leiterin des Beruflichen Gymnasiums St. Klara, eingangs vortrug. In der kurzen Geschichte geht es um die absurde Eskalation eines Nachbarschaftsstreits von der nicht zurückgebrachten Bratpfanne bis zum Atomkrieg. Zwischen der ruhigen Art, mit der Bauer-Geppert vortrug und der inhaltlichen Übertreibung entstand eine Komik, die der Zuhörerschaft gefiel.

Mit „Glück gehabt“ aus dem Jahr 1946 von Elisabeth Langässer hatte Bauer-Geppert anschließend schwierigere Kost parat: Eine Frau im Sanatorium blickt auf ihr zuerst erfolgreiches und erfülltes, später verkorkstes Leben zurück und spricht trotz dem Verlust ihres Mannes und der Kinder im zweiten Weltkrieg ständig von „Glück“. Ist sie eiskalt oder hat sie sich diesen Optimismus, das Glück im Unglück zu sehen, antrainiert, um überleben zu können? Am Ende schreit die verwirrte Frau: „Scheiß Leben“.

Danach trug Christiane Müller eine schlüpfrig-unterhaltsame Novelle aus Boccaccios Decamerone, einer italienischen Geschichtensammlung aus dem 14. Jahrhundert, vor. Müller arbeitet als Bibliothekarin in Tübingen, ist erst kürzlich nach Rottenburg gezogen und freute sich, dass „nur für sie“ eine Stadtbibliothek gebaut werde.

Sie wählte aus den 100 Geschichten eine „Hommage an das Klosterleben“, in der es bisweilen wild zugeht, da die „katholische Kirche in Rottenburg eine gewisse Rolle spielt“, wie sie süffisant erklärte.

In der Geschichte, die Müller sehr lebhaft und gekonnt vortrug, geht es um einen jungen, gutaussehenden, vermeintlich stummen Mann, der im Kloster arbeiten will und schon nach kurzer Zeit nicht mehr zum Gärtnern kommt, weil alle neun Nonnen und die Äbtissin seine Manneskraft verlangen. Später findet der junge, völlig erschöpfte Mann seine Sprache wieder und wird sogar Klostervogt.

Organisatorin Renate Witte vom Förderverein Stadtbibliothek und Nepomuk-Hausherr Ernst Heimes ehrten am Sonntagabend Sabine Huber, von der die Idee stammt, die Gute-Nacht-Geschichten nach Rottenburg zu holen. Sie organisierte jahrelang die Leseabende.

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Erstellt:
22.08.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 22sec
zuletzt aktualisiert: 22.08.2017, 01:00 Uhr

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