Falscher Polizist wollte 77-Jährige abzocken

All ihr Erspartes hatte sie schon von der Bank abgehoben

Eine Rottenburgerin sollte per Telefon um ihr Geld gebracht werden. Doch sie wurde misstrauisch und ging zur Polizei.

23.02.2017

Von Dunja Bernhard

„Die Angst ist immer noch da“, sagt Irene Seiler (Name geändert). Sie schließe die Wohnungstür jetzt immer zweimal ab. Um anderen Menschen zu ersparen, was sie an einem Freitagvormittag erlebte, wandte sie sich an das SCHWÄBISCHE TAGBLATT. Die 77-Jährige möchte, dass möglichst viele Leute von der Betrügermasche erfahren.

Vor gut zwei Wochen klingelte bei Seiler am Morgen das Telefon. Der Anrufer meldete sich mit „Markus Lemke, Kriminalpolizei Rottenburg“. Dass es in Rottenburg gar keine Kriminalpolizei gibt, erfuhr Seiler erst später. Der Hochdeutsch sprechende Anrufer, den sie von der Stimme her auf 50 bis 60 Jahre schätzt, behauptete, dass
die Polizei einen Rumänen festgenommen habe und dabei eine Liste fand, auf der ihr Name und ihre Adresse standen.

Ein Komplize des Festgenommenen arbeite bei der Bank. Ihr Erspartes sei in Gefahr. Sie solle das Geld abheben und nach Hause bringen. Die ganze Sache bedürfe jedoch höchster Geheimhaltung. Deshalb dürfe sie mit niemandem darüber sprechen. Falls der Bankangestellte sie frage, wofür sie so viel Geld auf einmal brauche, sollte sie sagen, sie wolle ihre Wohnung renovieren, gab der Anrufer ihr noch mit auf den Weg. Sie habe schon Zweifel gehabt, erzählt Seiler heute. „Aber das klang alles so plausibel.“ Als Seiler dem Anrufer ihr Misstrauen mitteilte, holte der einen vermeintlichen Kollegen ans Telefon, der die Sache bestätigte.

Seiler ging zur Bank und hob all ihr Erspartes ab. Als sie wieder zuhause ankam, tischte der Anrufer ihr die nächste Geschichte auf. Sie könnte der Polizei helfen, weitere Täter zu schnappen, wenn sie bereit sei, als Lockvogel zu dienen.

„Mir wurde das alles zu viel“, erzählt Seiler. Doch der Anrufer ließ nicht locker. „Das ist jetzt Polizeigeld“, habe er gesagt. Sie solle das Geld in einem Umschlag vor die Tür legen. Ein Pärchen, das vor ihrem Haus stehe, würde es mitnehmen. Der gleiche Betrag werde ihr wieder auf ihr Konto überwiesen. Das kam ihr alles sehr komisch vor, berichtet sie. Sie ging noch einmal zur Bank. Das Geld nahm sie mit. Sie habe Angst gehabt, dass der Anrufer in ihre Wohnung einbreche. Als sie sah, dass auf ihrem Konto keine Überweisung eingegangen war, ging sie zur Polizei.

Um geeignete Opfer zu finden, suchten Betrüger in Telefonbüchern nach alten deutschen Namen, erfuhr Seiler. Ihre Kontaktdaten ließ sie für künftige Telefonbuch-Ausgaben streichen.

Am gleichen Morgen erhielt eine 66-Jährige im Raum Rottenburg einen Anruf von „Markus Lemke, Kripo Rottenburg“. Er rufe wegen diverser Einbrüche in der Nachbarschaft an, sagte er. Die Frau schöpfte jedoch gleich Verdacht und meldete den Vorfall der Polizei.

Die Betrüger haben sich schon seit vielen Jahren die Zielgruppe der Senioren als bevorzugte Opfer ausgesucht, sagt Andrea Kopp, Pressesprecherin des Polizeipräsidiums Reutlingen. Mit ihren Geschichten seien sie sehr erfinderisch. „Wenn eine nicht mehr erfolgreich ist, zaubern sie eine neue aus dem Hut.

Der Enkeltrick werde derzeit nur vereinzelt angewendet. Dafür nahm die Masche mit falschen Polizeibeamten zu. „Trotzdem hatten wir erst am vergangenen Wochenende wieder einen Fall des Enkeltricks in Kirchheim, bei dem die Täter leider erfolgreich waren“, so Kopp. Mit einem weiteren Auftreten dieser Tätergruppierung sei daher wieder zu rechnen. Auch Gewinnversprechen können eine Falle sein. Einige Betrüger gehen noch weiter. Sie klingeln als angebliche Kripo-Beamten in Zivil direkt an der Haustür, berichtet Kopp.

Sie geben vor, eine sensible Sache besprechen zu müssen, die man nicht vor der Wohnungs- oder Haustür diskutieren sollte. Einen gefälschten Dienstausweis hielten sie den Bewohnern dann sehr kurz vor das Gesicht. So gelinge es ihnen, sich Vertrauen zu erschleichen und Zugang ins Haus zu bekommen. Im Inneren verschafften sich die falschen Polizisten meist schnell einen Überblick. Sie nutzten jede Unaufmerksamkeit der Bewohner aus, um Dinge wie Geldbeutel, Uhren und Schmuck zu stehlen. Dunja Bernhard

Die Polizei rät zu Misstrauen und Rückfragen

Bei Anrufen oder Besuchen angeblicher Kriminalbeamten ist gesundes Misstrauen nicht falsch. Auf keinen Fall sollten Informationen über die persönlichen und finanziellen Verhältnisse oder Angewohnheiten preis gegeben werden. Bei Zweifeln am Wahrheitsgehalt des Anrufs sollte die angezeigte Telefonnummer, der angebliche Name und die angebliche Dienststelle notiert werden. Der Angerufene sollte dann seinerseits Kontakt mit einer Polizeidienststelle in der Nähe aufnehmen. Die Nummer immer selbst heraussuchen, rät die Polizei. Es ist aber auch möglich, den Polizeinotruf 110 zu wählen und von dem Vorfall zu berichten.

Unbekannte Menschen sollten im Zweifel lieber vor der Tür stehen als eingelassen werden. Jeder echte Polizist habe dafür Verständnis.

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23.02.2017, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 23.02.2017, 01:00 Uhr

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