Schönheit ohne Verfallsdatum

Andrea Raible (30) hat Frauen des Seniorenkreises „60Plus“ porträtiert/Die Bilder werden ausgestellt

Alter – mit diesem Wort verbinden viele Begriffe wie Falten, Krankheit, Verfall oder gar Tod. Die junge Fotografin Andrea Raible aus Empfingen hat in einem Bilder-Zyklus „die Schönheit des Alters“ festgehalten. Sie hat Frauen des Seniorenkreises „60Plus“ der Evangelischen Kirchengemeinde in Empfingen porträtiert. Und das Ergebnis ist beeindruckend. Die Bilder strahlen Würde aus, sie werden in Ausstellungen und in gedruckten Medien präsentiert.

24.09.2016

Von Reinhard Seidel

Eine Freundin hat von Andrea Raible dieses Porträt gemacht. Privatbild

Eine Freundin hat von Andrea Raible dieses Porträt gemacht. Privatbild

Empfingen. Andrea Raible ist die Mutter von Lenny (5) und Lea (3) und leitet zusammen mit Nicole Fanelli-Grizan die Spiel- und Bastelgruppe „Purzelkiste“ in Empfingen. Im Hauptberuf arbeitet sie als Staplerfahrerin bei Mercedes Benz.

Nachdem der evangelische Pfarrer Christoph Gruber die ersten Kinderfotos von Andrea Raible gesehen hatte, fragte er sie, ob sie eine Fotografie für den Gemeindebrief mache könne. Es war eine herbstliche Impression, eine Bank mit bunten Blättern am Tälesee. Später machte Andrea Raible auch Fotos beim Gemeindefest der Protestanten. Sie bebilderte eine Karte zur Jahreslosung 2016 „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet“. Diese verschickt die evangelische Kirchengemeinde an Mitarbeiter zu Weihnachten, Senioren bekommen sie als kleine Aufmerksamkeit zum Geburtstag.

Als nun Pfarrer Gruber zusammen mit Gabriele Philipp, die auch für den Seniorenkreis verantwortlich zeichnet, das monatliche Jahresprogramm des Seniorenkreises besprach, entstand die Idee, ob nicht Andrea Raible Fotos der zirka 25 Frauen machen könnte. Als Gruber mit der Projektidee „Schönheit des Alters“ auf sie zukam, war Raible zwar sofort begeistert, „aber ich zögerte ein wenig, da ich zunächst überlegte, wie ich die Idee umsetzen könne“, sagt Andrea Raible. So machte sie zunächst Probefotos einer alten Frau. Ende April wurden dann im Rahmen des monatlichen Treffens des Seniorenkreises die Aufnahmen gemacht.

Im Jugendraum des Gemeindehauses richtete Andrea Raible, die aus Eutingen stammt, unterstützt von ihrem Vater Herbert Raible ein kleines Fotostudio ein. Die Fotografin hatte extra eine alte Schulbank organisiert. Herbert Raible, so Gruber, habe „die Aufnahmen mit seiner ruhigen Art“ unterstützt.

Wie erwartet, wollten sich nicht alle Seniorinnen fotografieren lassen, doch mehr als 20 waren erschienen. Pfarrer Gruber berichtet: „Mit viel Freude und Neugier beteiligten sich die Senioren an den Aufnahmen und befolgten gerne die Anweisungen der Fotografin.“ „Unaufgeregt und mit Geduld“ entstanden in etwa eineinhalb Stunden fast 200 Fotos. Andrea Raible hat 64 davon ausgewählt und am Computer aufwändig nachbearbeitet. In einige baute sie aus optischen Gründen, aber dezent im Hintergrund, grafische Elemente ein. Beispielsweise Blumen, einen Schmetterling oder verschnörkelte Textfragmente.

Hände erzählen eine

Lebensgeschichte

Andrea Raible: „Es war schön zu sehen, mit welcher Freude sich die Frauen auf das Fotografieren eingelassen haben. Manche hatten sich genau überlegt, was sie anziehen und wie sich sie zeigen. Wir haben auch viel gelacht. Meistens fotografiere ich ja Kinder und jüngere Leute. Aber das mit den Senioren war für mich einmal etwas ganz Anderes, das ich davor noch nie gemacht hatte. Mir hat das aber richtig Spaß gemacht.“

Pfarrer Gruber schreibt auf der Homepage der evangelischen Kirchengemeinde: „Entstanden sind bezaubernde Fotos, die teils in Ausschnitten zeigen, dass Menschen, auch im hohen Alter sehr schön sind. Hände, die eine Lebensgeschichte erzählen, ein kunstvoll geflochtener Haarkonten, von einer über 80-Jährigen, täglich eigenhändig geflochten; man schaut sich diese Bilder sehr gerne an. Die Hand am Rad des Rollstuhls, der wegen eines Sturzes benutzt werden muss, zeigt die Zerbrechlichkeit und strahlt Würde aus. Eine zeitgemäße Form der betenden Hände ist ebenso entstanden, wie Bilder der Zuwendung. Und wenn man einzelne Mitglieder auf den Bildern herzlich lachen sieht, merkt man, dass dieses Projekt sichtlich viel Freude bereitet hat.“

Und dann präsentierte Andrea Raible das Ergebnis ihrer Arbeit im Seniorenkreises „60Plus“. Gruber: „Man war sich einig, dass sich das Projekt gelohnt hat und es wurde viel gelacht und auch gestaunt, über die Kunstwerke, die entstanden sind.“ Eifrig hätten die Senioren die Bilder nachbestellt.

Und das Projekt strahlt auch nach außen. Derzeit ist eine gerahmte Auswahl der Fotografien im evangelischen Gemeindehaus am Weiherplatz zu sehen und ab Januar werden die Fotos in der Rathaus-Galerie ausgestellt. Die örtliche Volksbank, so Gruber, sei von den Bildern „so überzeugt gewesen, dass sie die Druckkosten für diese Ausstellung übernommen hat“. So wird am Eingang ein großes Poster hängen (Roll-up), auf dem die Bilder in Kleinformat abgedruckt sind.

Das „Evangelische Gemeindeblatt für Württemberg“ hat in der Juli-Ausgabe einen Artikel mit vier Bildern von Andrea Raible und Pfarrer Christoph Gruber abgedruckt. Angefragt hat zudem auch die Verlagsgruppe „Bistumspresse“ aus Osnabrück. Sie ist ein Zusammenschluss von fünf katholischen Kirchenzeitungsverlagen.

Das Resümee von Pfarrer Christoph Gruber lautet: „Wenn Menschen ihre Begabungen für andere einsetzen, entstehen tolle Dinge. Dieses Projekt ist ein eindrücklicher Beweis dafür. Ich freue mich darüber, dass es gelungen ist, die richtigen Menschen zusammenzubringen. Die Bilder begeistern mich immer wieder. Und alle, denen ich sie bisher gezeigt habe, staunten und waren verblüfft, über die Schönheit des Alters.“

Siehe auch die Bilderseite.

Info Beim Gemeindefest der evangelischen Kirchengemeinde werden am Wochenende die Bilder des Fotoprojekts „Schönheit des Alters“ nicht nur gerahmt an der Wand, sondern auf einem großen Monitor gezeigt. Die Präsentation und ein kurzer Film über die Entstehung der Bilder läuft die ganze Zeit über. Unter http://www.evangelisch-in-empfingen.de/info/schoenheit-des-alters können die Aufnahmen zudem im Internet angeschaut werden.

Die Fotografin Andrea Raible

Andrea Raible ist keine reine Autodidaktin. Um sich in der Fotografie zu schulen, hat sie VHS-Kurse in Horb und Sindelfingen besucht. In Bietigheim-Bissingen ging sie nach ihren Worten bei einem „außergewöhnlichen Fotografen“ in die „Lehre“. Sie konnte dort echte Models in aufwändigen Kostümen fotografieren, viel probieren und um Hilfe fragen.

Abends, als ihre Kinder schliefen, besuchte sie „Webinar“, ein bezahltes Foto-Seminar im Internet. Sie fotografiert vorwiegend Kinder, liebt aber „Außergewöhnliches“. So hat sie eine Schwimmlehrerin in der wild-romantischen Schlichemklamm bei Epfendorf als Meerjungfrau fotografiert. Mit dieser Aufnahme hat sie auf der Internetseite Magictail einen Fotowettbewerb gewonnen. Auf Facebook ist Andrea Raible unter „Le Le Home Photography“zu finden.

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Erstellt:
24.09.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 53sec
zuletzt aktualisiert: 24.09.2016, 01:00 Uhr

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