Innerortsentwicklung

Bauen Ja – aber...

Bildechingen hat Wohnraum bitter nötig. Zwei Mehrfamilienhäuser sollen Abhilfe schaffen. Doch gegen sie regt sich Widerstand.

27.05.2017

Von Benjamin Breitmaier

Mit einem großen Banner machen die Anwohner seit dem 1. Mai ihrem Unmut Luft. Bild: Kuball

Mit einem großen Banner machen die Anwohner seit dem 1. Mai ihrem Unmut Luft. Bild: Kuball

Ulrich Beuter steckt in einem Dilemma. Die Ortschaft Bildechingen ist durchzogen von Baulücken. Nur selten will ein privater Eigentümer seinen Boden verkaufen. Zumindest einer hat das in der jüngsten Vergangenheit getan. Doch was auf der Fläche im Herzen Bildechingens entstehen soll, schmeckt etwa 15 Anwohnern überhaupt nicht.

Grundsätzlich freut sich Bildechingens Ortsvorsteher über den Umstand, dass dort, wo mehr als 25 Jahre nur Unkraut wuchs, bald neues Leben in den Ort einzieht. Zwei Gebäude sollen es werden, insgesamt etwa 16 Wohnungen, in der Größe 50 bis 100 Quadratmeter Wohnfläche. Aber kein Dorf-Häuptling kann es sich erlauben, den Protest von 15 Anwohnern zu ignorieren.

Es war der 1. Mai, als das Banner in der Lindenbrunnenstraße zum ersten Mal die Bretter der Seitenwand eines kleinen Schuppens bedeckte. Vor diesem steht eine Bank, vis-à-vis der großen Grünfläche, neben der Einmündung zum Ölackerweg. Auf dem mehr als vier Meter breiten Banner formulieren die Anwohner ihre Bedenken: „Bauen Ja – Aber: Keine 16 Wohnungen und keine 14,5 Meter Höhe“.

Seit Bekanntwerden des Projekts herrscht reger Austausch unter den Anwohnern. Sie wollen die neuen Nachbargebäude nicht kampflos hinnehmen. Ihre Befürchtungen: 16 Wohnungen bedeuten mit hoher Wahrscheinlichkeit mehr als 20 Fahrzeuge, die irgendwo parken müssen. Zwar sei laut Beuter von Seiten des Bauträgers eine Tiefgarage mit 21 Stellplätzen geplant, das reiche jedoch nicht aus. Beuter rechnet mit 24 Fahrzeugen, die auf der Straße parken müssten. „Vielleicht kann man noch weitere öffentliche Parkplätze schaffen“, schlägt der Ortsvorsteher vor.

„Das ist viel zu hoch“, sagt eine Anwohnerin im Gespräch mit der SÜDWEST PRESSE. 14,5 Meter – das vorderste der beiden Gebäude würde die angrenzenden Häuser deutlich überragen. Das stört die Dame: „Ich finde nicht schön, was die da machen.“ Die Meinung vertritt auch Simon Zepf. Er wohnt hier seit 1984. Der Bildechinger ist überzeugt, dass es bald dunkel um sein Haus wird: „Von Osten her werden wir überhaupt keine Sonne mehr haben.“

Beuter hat Verständnis für den Anwohnerprotest, doch er ist sich auch um die Wichtigkeit von Bauprojekten in dieser Art im Klaren. In der Gesamtstadt Horb werden gerade einmal sieben Wohnungen auf Immobilienscout24 zur Miete angeboten – in der gesamten Stadt mit 17 Teilorten. Der Mangel an kleineren Mietwohnungen ist noch gravierender als der Mangel an Bauplätzen. „Wir haben in Bildechingen schon einige Mehrfamilienhäuser, aber die sind restlos ausgebucht“, erklärt Beuter. Leerstände werden sofort aufgefüllt der Nachfragedruck sei immens.

Durch ein neues Baugebiet wird zwar auch in Bildechingen bald wieder Wohnraum geschaffen, doch die Verantwortung, ein Haus zu bauen, wollen viele nicht tragen. Wohnungen zur Miete gibt es nicht, also bleibt nur der Wegzug aus Bildechingen. Als Ortsvorsteher hat Beuter jedoch großes Interesse daran, das Leben im Dorf zu halten. Darum hofft er auf Gespräche mit den Anwohnern.

Simon Zepf hat Verständnis für die Situation, fühlt sich jedoch von der Verwaltung alleingelassen: „Dass gebaut werden muss, ist ganz klar. Dass das uns erschlagen muss, das muss nicht sein.“ Er kritisiert außerdem, dass er nach seiner Aussage in keiner Weise vorgewarnt wurde, dass neben ihm ein größeres Bauprojekt umgesetzt werden soll. Vor zwei Tagen war er mit anderen Anwohnern bei Oberbürgermeister Peter Rosenberger. Er überreichte einen Brief mit seinen Bedenken. „Was daraus wird, weiß ich nicht“, sagt er. Rosenberger selbst versucht, die Situation im Gespräch mit der SÜDWEST PRESSE zu entschärfen: „Dass die Nachbarn bei mir ihre Bedenken schildern, ist aus meiner Sicht das richtige Vorgehen.“ Der Oberbürgermeister weißt darauf hin, dass bisher noch kein Bauantrag eingegangen sei. Sobald dieser der Baubehörde vorliegt, werden die Anwohner offiziell über das Vorhaben informiert. Ab dem Moment gäbe es vier Wochen Zeit, Anregungen und Einwendungen vorzubringen. Die Sorgen der Anwohner werden aber schon im Vorfeld dem Bauträger mitgeteilt. Rosenbgerger macht deutlich: „Wir werden dem Bauträger nicht einfach alles ermöglichen, sondern wollen auch, dass da Nachbarschaft entsteht.“

In nichtöffentlicher Sitzung wurde nun von Seiten des Ortschaftsrats grünes Licht für die zwei Gebäude erteilt. „Es gibt eigentlich keine Gründe, die dagegen sprechen“, betont Beuter. Das Gebäude passe nach seiner Ansicht grundsätzlich in das Ortsbild. Simon Zepf werde mit Sicherheit, Einwand gegen das Bauvorhaben erheben, dennoch macht er sich wenig Hoffnung: „Wir sind von niemandem vertreten. Natürlich können wir Einspruch erheben, aber ob das einen Wert hat, glaube ich nicht.“

Hier sollen zwei Gebäude mit insgesamt 16 Wohnungen entstehen. Bild: Breitmaier

Hier sollen zwei Gebäude mit insgesamt 16 Wohnungen entstehen. Bild: Breitmaier

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Erstellt:
27.05.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 17sec
zuletzt aktualisiert: 27.05.2017, 01:00 Uhr

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