Viele Appelle für Toleranz

Bei der Mahnwache haben gestern 120 Menschen ein Zeichen gegen die AfD gesetzt

Zur zweiten Mahnwache innerhalb von zwei Monaten kamen am Freitagabend etwa 120 Menschen auf den Sulzer Marktplatz. Ein breites Bündnis hatte unter dem Motto „Miteinander leben, füreinander da sein, voneinander lernen“ zu einer Kundgebung für Menschenrechte, Willkommenskultur, Frieden und Begegnung aufgerufen. Mehrere Redner appellierten in kurzen Wortbeiträgen an Toleranz und ein Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft.

23.01.2016

Von CRISTINA PRIOTTO

Bei der Mahnwache haben gestern 120 Menschen ein Zeichen gegen die AfD gesetzt

Sulz. Veranstalter waren diesmal der Bürgerarbeitskreis, der Arbeitskreis „Flucht und Asyl“, die evangelische und katholische Kirchengemeinde, der SPD-Ortsverein und die Grün-Alternative Liste Sulz.

Aus dem ganzen Landkreis Rottweil sowie aus den Landkreisen Freudenstadt und Tübingen waren Teilnehmer angereist, darunter auch Mitglieder der Rottweiler Kreisverbände von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, das „Bündnis gegen Rechtsextremismus, für Toleranz und Vielfalt“ und einige Mitglieder der FWV-, SPD- und GAL-Fraktionen des Gemeinderats. Mit etwa 120 Besuchern waren es allerdings deutlich weniger als bei der Mahnwache Mitte November.

Anlass war die zeitgleich in der Stadthalle stattfindende Landtagswahlkampfveranstaltung der Alternative für Deutschland. Etwa 400 Menschen verfolgten dort die Reden der Kandidaten Emil Sänze, Patrick Berg und von Spitzenkandidat Jörg Meuthen sowie der Bundesvorsitzenden Frauke Petry.

Nachdem alle sich rund um den gesperrten Marktplatz postiert hatten, sang Gabriele Réti „Willkommen in Deutschland“ und spielte dazu auf der Gitarre.

Mit-Initiator Frank Börnard vom Bürgerarbeitskreis eröffnete die Mahnwache. „Ich sehe hier Freunde, keine Fremden“, begrüßte Börnard die Menge, darunter auch Flüchtlinge aus Glatt, Bergfelden und Freiburg. Das Ziel sei es, ein Zeichen für ein offenes, mutiges und positives Aufeinanderzugehen zu setzen. Börnard rief eine Schweigeminute für alle Opfer von Gewalt aus „Wir sollten lieber willkommen heißen, als auszugrenzen“, appellierte Frank Börnard.

Paul T. Müller adressierte „alte und neue Mitbürger“ und warnte mit Blick auf manche europäischen Länder: „Einigeln beseitigt die Probleme nicht, sondern schafft eher ein lähmendes Klima der Feindschaft und Angst“.

Die katholische Gemeindereferentin Monika Prillwitz zitierte das Sternsingerlied „Respekt für Dich, für mich und für andere“ und forderte Christen und Muslime zu einem friedlichen und toleranten Umgang miteinander auf.

SPD-Stadtrat Klaus Schätzle erntete für seine Aussage: „Menschenrechte sind unumstößlich“ Applaus. Die Teilnahme an der Mahnwache sei für die SPD selbstverständlich. „So sollte sich jeder verhalten, der das Grundgesetz kennt“, hätte der Sozialdemokrat sich neben den Mit-Veranstaltern der Grün-Alternativen Liste weitere Mitstreiter auch aus anderen Parteien gewünscht. Europa habe zu Zeiten der Kolonialpolitik viel zur Entstehung von Flucht beigetragen, erinnerte Schätzle und echauffierte sich: „Es ist eine Schande, dass wir Waffen exportieren!“, wofür zahlreiche der Zuhörer wieder Beifall klatschten.

Die zwei Flüchtlinge Amina und Ali haben einen gescheiterten und einen erfolgreichen Fluchtversuch hinter sich und dankten für die Aufnahme in Deutschland. Die Beiträge auf Arabisch wurden von Samira Zerrouak ins Deutsche übersetzt und umgekehrt.

Ulrich Vallon, evangelischer Dekan, zitierte aus dem zweiten Brief des Paulus an Timotheus „Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit“. In Deutschland gehe die Angst um, was vor allem an denen liege, die mit einfachen Parolen die Meinungsbildung befeuerten, ohne Antworten zu geben, stellte Vallon fest – eine deutliche Spitze gegen die AfD, deren Redner für ihre polemisierenden Aussagen in der Stadthalle zeitgleich johlende Zustimmung ernteten. Der evangelische Dekan blieb indes ruhig und appellierte, sich nicht von Ängsten leiten zu lassen. „Sonst verlieren wir unsere Freiheit und unseren Glauben“, warnte Ulrich Vallon.

Da die etwa 120 Zuhörer trotz warmer Kleidung bibbernd von einem auf den anderen Fuß hüpften, spielte Karin Schmidtke zwischendurch zum Aufwärmen auf dem Dudelsack „Amazing Grace“.

Thomas Schlachta stellte seinen Beitrag unter das Motto „Was ich möchte und will“ und nannte als Wünsche, dass Einheimische und Neuzugezogene offen und interessiert aufeinander zugehen. „Menschen, die unsere Hilfe ersuchen, sollten wir als Gäste betrachten und auch so behandeln“, sagte Schlachta, fügte aber sogleich als Forderung an die Flüchtlinge hinzu, diese sollten sich wie Gäste benehmen, die Gesetze anerkennen und mithelfen, die schwierige Situation zu bewältigen. Das Grünen- und Bürgerarbeitskreis-Mitgleid thematisierte auch die Vorfälle in der Silvesternacht in Köln: Solche Untaten müssten bestraft werden, es sei aber falsch, deswegen die Bürger in Angst vor dem Fremden zu versetzen und aufzuwiegeln.

Bereitschaft, die Gesetze und die Kultur in Deutschland zu respektieren, unterstrich der Syrer Basel.

GAL-Stadträtin Gabriele Brucker bezog politisch Position und sagte, die Mahnwache wolle den menschenverachtenden Gedanken in der Stadthalle ein Zeichen entgegensetzen. „Wer zündelt und Stimmung gegen Flüchtlinge schürt, handelt unverantwortlich“, geißelte Brucker die AfD-Parolen. Gabriele Brucker zeigte sich überzeugt, dass Deutschland die Herausforderung schaffen könne.

Als letzter Redner berichtete Helmut Pfister, Ortsvorsteher von Glatt und FWV-Stadtrat, wie der Ortsteil Glatt als erster die Herausforderung der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen seit September erfolgreich meistert.

Frank Börnard war mit der Resonanz auf die Kundgebung zufrieden: „Wir hatten damit gerechnet, dass es weniger Leute werden“, sagte der Mit-Initiator im Gespräch mit der SÜDWEST PRESSE.

Info Über die AfD-Veranstaltung

berichten wir am Montag.

Klares Statement: Max Burger (Bündnis 90/Die Grünen, links) und Linken-Landtagskandidat Stefan Dreher positionierten sich neben einer Teilnehmerin der Mahnwache, die ein Plakat mit der Aufschrift „Nein zur AfD“ mitgebracht hatte.

Klares Statement: Max Burger (Bündnis 90/Die Grünen, links) und Linken-Landtagskandidat Stefan Dreher positionierten sich neben einer Teilnehmerin der Mahnwache, die ein Plakat mit der Aufschrift „Nein zur AfD“ mitgebracht hatte.

Gabi Réti spielte auf der Gitarre „Willkommen in Deutschland“ und sang.

Gabi Réti spielte auf der Gitarre „Willkommen in Deutschland“ und sang.

Dekan Ulrich Vallon mahnte, sich nicht von Ängsten leiten zu lassen.

Dekan Ulrich Vallon mahnte, sich nicht von Ängsten leiten zu lassen.