„Ein noch schöneres Erlebnis“

Berlinale-Leiter Dieter Kosslick über Meryl Streep und politische Themen

Am Donnerstag beginnt die 66. Berlinale. Dieter Kosslick steht seit 15 Jahren mit im Ring. Er leitet das Festival, wählt mit seinem Team die Wettbewerbsfilme aus, schreitet mit den Stars über den roten Teppich.

11.02.2016

Von BARBARA BREUER

Voller Vorfreude: Berlinale-Chef Dieter Kosslick mit dem obligatorischen Schal. Foto: dpa

Voller Vorfreude: Berlinale-Chef Dieter Kosslick mit dem obligatorischen Schal. Foto: dpa

Herr Kosslick, die Berlinale ist mit mehr als 300 000 Menschen, die sich ein Ticket kaufen und insgesamt eine halbe Million Mal ins Kino gehen, inzwischen das größte Filmfestival der Welt. Seit vergangenem Jahr haben Sie auch noch den zweitgrößten Filmmarkt weltweit. Wohin wollen Sie die Berlinale noch steuern?

DIETER KOSSLICK: Die Ticketzahl der Berlinale kann nicht mehr wachsen. Aber das heißt nicht, dass keine Entwicklung mehr stattfinden kann. Wir arbeiten daran, das Festival zu verbessern und es mit neuen Ideen zu einem noch schöneren Erlebnis für unsere Gäste zu machen. Damit ist kein quantitatives Wachstum gemeint, wir wollen eher nachhaltiger werden.

Im Eröffnungsfilm „Hail Caesar!“ der Coen-Brüder spielen Channing Tatum, Tilda Swinton und George Clooney mit. Mit ihnen werden Sie im Blitzlichtgewitter stehen. . .

KOSSLICK : Und Clooney bringt sogar seine Ehefrau mit. In diesem Jahr haben sich viele tolle Schauspieler angekündigt wie Colin Firth, Jude Law, Juliane Moore, Kirsten Dunst, Emma Thompson oder Gerard Depardieu.

Und Meryl Streep ist sogar Jury-Präsidentin. Wie konnten Sie die dreifache Oscar-Preisträgerin für den Job gewinnen?

KOSSLICK: Meryl Streep kennt die Berlinale schon lange und mag Berlin. Bei ihrem letzten Besuch im Jahr 2012 hat sie dann gesagt, dass sie gerne mal länger bleiben würde. Da habe ich den Köder ausgelegt. Sie ist sehr unprätentiös. Wir haben mit ihr einen echten Glücksgriff gemacht: Sie ist die meistausgezeichnete und meistnominierte Schauspielerin unserer Zeit. Noch nie war jemand Jurypräsident, der allseits so beliebt und umjubelt war wie Meryl Streep.

Aktuell beherrschen Nachrichten aus Syrien, Paris oder auch Köln die Medien. Wie sehr steht die Berlinale unter Aktualitätsdruck?

KOSSLICK: Als Festival stehen wir nicht unter Druck, aktuelle Phänomene und gesellschaftliche Kontroversen wie Migration zu beleuchten, wir tun das sowieso. Dadurch können wir uns an dem Diskurs beteiligen. Aber eigentlich sind es die Filmemacher, die das mit ihren Werken tun. So zeigen wir zum Beispiel Gianfranco Rosis Dokumentarfilm „Fuocoammare“. Dafür hat der Regisseur zwei Jahre auf Lampedusa gelebt. Die Insel steht fast synonym für das Schicksal hunderttausender Emigranten. Diese Perspektive einem breiteren Publikum zugänglich zu machen, ist eine Chance. Und das ist nur einer der entsprechenden Filme. Wir beleuchten in allen Sektionen die Hintergründe aktueller Phänomene.

Kann ein multikulturelles Filmfest wie die Berlinale auch ganz konkret etwas für Flüchtlinge und ihre Integration tun?

KOSSLICK: Ja. Wir rufen in diesem Jahr erstmals zum Spenden auf und bitten unsere Gäste, das Behandlungszentrum für Folteropfer hier in Berlin zu unterstützen. In der Sektion „Generation“ kooperieren wir außerdem mit einer Willkommensklasse. Und wir haben ein Projekt angestoßen, in dem ehrenamtlich Tätige eine Patenschaft für vier Flüchtlinge übernehmen können. Mit denen dürfen sie dann gemeinsam und kostenfrei einen Festival-Film gucken. Wir sind also auf ganz vielen Feldern präsent und versuchen, die Flüchtlinge direkt mit einzubinden.

Mit „24 Wochen“ hat es nur ein einziger deutscher Film in den Wettbewerb geschafft. . .

KOSSLICK: Ja, und ein sehr intensiver dazu. „24 Wochen“ von Anne Zohra Berraches ist eine harte Studie, die das Schicksal eines Paares schildert, das in nahezu selbstzerstörerischen Zweifeln 24 Wochen mit einer wichtigen familiären Entscheidung zubringt. Danach müssen wir bestimmt den Saal wischen, weil alle weinen. Übrigens: Wir zeigen insgesamt mehr als 70 deutsche Filme bei dieser Berlinale - nicht gerade wenig.

Nur noch eine Woche bis zur Berlinale-Eröffnung. Worauf freuen Sie sich am meisten?

KOSSLICK: Darauf, dass wir einen Eröffnungsfilm haben, der die Hintergründe des Filmgeschäfts satirisch durchleuchtet. Und wer kann das besser als die Coen-Brüder? Da können wir alle gleich zu Anfang darüber nachdenken, was wir hier die folgenden Tage so machen.

Zur Person

Filmverrückter Seit Mai 2001 und mindestens noch bis 2019 leitet Dieter Kosslick die Internationalen Filmfestspiele Berlin. 1948 in Pforzheim geboren und streng katholisch erzogen, studierte er in München Kommunikationswissenschaften, Politik und Pädagogik. Später engagierte ihn Hamburgs Bürgermeister Hans-Ulrich Klose als Redenschreiber. Ab 1982 war Kosslick Kulturredakteur bei der Zeitschrift „Konkret“. 1983 begann er seine Tätigkeit in der Filmförderung, 1988 übernahm er die Geschäftsführung der Hamburger Filmförderung, ab 1992 leitete er die Filmstiftung Nordrhein-Westfalen und stärkte den Ruhrpott als Filmstandort. Für seine Arbeit erhielt er viele Preise und Auszeichnungen.

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Erstellt:
11.02.2016, 08:30 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 11sec
zuletzt aktualisiert: 11.02.2016, 08:30 Uhr

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