Gedruckte Leidenschafen

Der Horber Büchermarkt: Ein Eldorado für Leseratten, Jäger und Sammler

Es gibt nicht viele reine Büchermärkte. Horb hat einen. Am Samstag war die 12. Auflage. Von Weltliteratur über Landkarten, Ratgeber, Belletristik bis zu Arztromanheften reichte das Angebot. Tütenweise verließ Lesestoff den Flößerwasen.

26.09.2016

Von Dunja Bernhard

Bücher soweit das Auge reicht: Beim 12. Horber Büchermarkt auf dem Flößerwasen hatten nicht nur die jungen Leser und die Verkäufer ihre helle Freude. Auch die Vierbeiner schien das Angebot an gedruckter Kunst zu gefallen. Bilder:Kuball

Bücher soweit das Auge reicht: Beim 12. Horber Büchermarkt auf dem Flößerwasen hatten nicht nur die jungen Leser und die Verkäufer ihre helle Freude. Auch die Vierbeiner schien das Angebot an gedruckter Kunst zu gefallen. Bilder: Kuball

Haben Büchermärkte überhaupt noch einen Platz in der digitalisierten Welt? Statt seitenstarke Schinken neben dem Bett aufzustapeln oder gar für die Zugfahrt mit sich herumzuschleppen, reicht heute ein Smartphone. Die E-Book-App ist vorinstalliert.

Umblättern einer BuchSeite gehört zum Lesen

Nein, das ist nicht das Gleiche, werden Bücherliebhaber einwerfen. Bei Smartphone und E-Reader fehlt das Haptische. Nicht nur der Inhalt auch dessen Transportmedium soll ein Gewicht haben. Das seit Kindertagen vertraute Geräusch beim Umblättern einer Buchseite gehört zum Lesen wie das Motorengeräusch zum Autofahren, werden sie anführen. Und dann ist da noch der Geruch. Er lässt sich nicht beschreiben, sondern nur erleben. Ein Berliner Parfümeur kreierte sogar ein Parfüm, das nach druckfrischem Buch duftet: „Paper Passion“.

Nur mit Leidenschaft lässt sich erklären, was Menschen trotz übervoller Regalwände in Wohnzimmer, Schlafzimmer und Flur auf Büchermärkte treibt. Denn auch am Samstag strömten sie wieder reichlich. Daraus lässt sich Kapital schlagen. Die Klasse 6a des Martin-Geppert-Gymnasiums verkaufte ausrangierte Kinder- und Erwachsenenbücher, um ihre Klassenkasse für die Fahrt ins Schullandheim aufzubessern. „Wenn das Buch ihrer Enkelin nicht gefällt, können Sie es zurückbringen“, schlug ein geschäftstüchtiger Vater vor. Nach kurzem Stutzen entgegnete die Kundin: „Im nächsten Jahr?“ Sie legte das Buch zurück. Die Enkelin sei so anspruchsvoll.

Wer Kinder oder Enkelkinder mitgebracht hatte, tütete fleißig ein. Auswahl und Preise stimmten. Dass die Geschäfte auf dem Horber Büchermarkt gut laufen, hat auch der Reutlinger Verein „Paradies für Tiere“ entdeckt. Zum dritten Mal war Familie Fries mit einem Stand in Horb dabei. Der Verein braucht einen Welpencontainer. Der Stand war dicht umlagert. Das Angebot war nicht nur sehr aktuell, sondern auch gut sortiert.

Bei der Fülle der Stände kommt ziemlich schnell die Frage auf: Wo suche ich nach dem, was ich will? Ein Preisvergleich ist schwierig. Der geforderte Betrag verbirgt sich meist im Inneren des Buchs, mit Bleistift auf der zweiten Seite festgehalten. Das sympathische Gesicht des Verkäufers sagt wenig über die Qualität des Angebots. Schatten wäre gut, wenn die Entscheidung länger dauert. Das Rennen machte die gute Präsentation. Nach einer Runde um den Stand der Hundefreunde lasteten drei dicke Bücher in meiner Hand: Für neun Euro hatte ich Lesestoff für Stunden erworben.

„Humoristisches“, „Regionales“, „Märchen“, „Weltliteratur“ und vieles mehr bot der Stuttgarter Ulrich Burkhardt an. Bei der Auflösung des mütterlichen Haushalts kamen viele Schätze wieder zum Vorschein. Wie die Stuttgarter Jubiläums-Bibel, die seine Großeltern zum 40. Hochzeitstag mit einer Widmung von Schwester Frieda bekommen haben. Er erinnere sich noch genau, erzählte Burkhardt, Frieda habe wie eine pietistische Karikatur ausgesehen. „Bücher bergen Lebensgeschichten.“ Deshalb wollte er sie auch nicht in den Müll entsorgen. „Sie sollen keine Sorge sein“, philosophierte er. Vielleicht könne sie noch jemand gebrauchen. Gespräche gehören eben auch zum Büchermarkt. Da treffen Schlendernde auf Wartende. Beide haben Zeit.

Schlendernde treffen

auf Wartende

Den zehnjährige Joel konnten Bestseller von Cornelia Funke am Samstag nicht begeistern. Nicht eine spannende Geschichte war sein Ziel, sondern ein Buch, das so richtig alt aussah. Er wälzte Bibeln, Gesangbücher und Shakespeareausgaben. Letztendlich entschied er sich für „Der russische Parnaß“, eine Lyriksammlung von 1889. Drei Euro reichte er dafür über den Ladentisch. Ehrfurchtsvoll hielt er das abgegriffene Buch in den Händen. „Genau so eins wollte ich“, sagte er strahlend. Der Büchermarkt ist nicht nur eine Fundgrube für Leseratten, sondern auch für Jäger und Sammler. Jagen und Sammeln sind auch so zwei Leidenschaften.

Bei dem riesigen Angebot mussten die Besucher schon ein wenig Zeit zum Stöbern mitbringen.

Bei dem riesigen Angebot mussten die Besucher schon ein wenig Zeit zum Stöbern mitbringen.

Für Kinder gab‘s jede Menge Bücher. Das freute auch die Mamas.

Für Kinder gab‘s jede Menge Bücher. Das freute auch die Mamas.

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Erstellt:
26.09.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 47sec
zuletzt aktualisiert: 26.09.2016, 01:00 Uhr

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