Kulturerbe

Der Prinz baut ab

Burg Hohenzollern ist in die Jahre gekommen. Preußens Stammsitz braucht ein Lifting in Millionenhöhe – und der Hausherr zerlegt ihn selbst in seine Einzelteile.

11.11.2017

Von Kathrin Löffler

Prinz Georg Friedrich von Preußen demontiert die sanierungsbedürftige Wendeltreppe auf Burg Hohenzollern. Bild: Löffler

Prinz Georg Friedrich von Preußen demontiert die sanierungsbedürftige Wendeltreppe auf Burg Hohenzollern. Bild: Löffler

Nieselregen schwebt auf den Prinzen hinunter. Georg Friedrich von Preußen, Bügelfaltenhose, Budapester-Schuhe, unterm feinen Tweedmantel blitzt die Krawatte hervor, steht mitten drin in grauen Novemberschlieren und komplettiert seine Garderobe mit kreischorangenen Arbeitshandschuhen. Er windet sich in ein Baugerüst, um ihn herum stecken Eisenstangen, Plastikplanen, Bretter, und beginnt, an einem Flaschenzug zu zurren. Allmählich hievt die Kette einen Steinbrocken aus der Tiefe. Der Klotz sieht aus, als habe er zu besseren Zeiten einmal in tiefem Rostrot geleuchtet. Jetzt wirkt er ein wenig angemodert. „Das ist ein denkwürdiger Moment für mich“, sagt der Prinz.

Der denkwürdige Moment ist dringend nötig. Seit 150 Jahren steht die dritte Burg auf dem Zollerberg. Georg Friedrich: „Nach so einer Zeit ist das beste Haus durch.“ Die Witterung und das schwere Erdbeben von 1978 haben der Burg ziemlich zugesetzt. Die Witterung, das schwere Erdbeben – und der Magnetcharakter der aristokratischen Kulisse. Der Prinz erklärt das Dilemma: „Für unsere Besucher müssen wir Sicherheit garantieren und im Winter Salz streuen. Salz ist aber aggressiv.“ Und zwar so aggressiv, dass es sich in die Steine nagt. Deshalb braucht die Burg Hohenzollern jetzt eine Restaurierung. An der Wendeltreppe im Lichthof geht es los.

Dieser Treppenturm drückt sich eigentlich in die Serpentinen der Burgauffahrt. Jetzt muss er weg. Er drohte einzustürzen, zu Fuß hinaufschnaufen durfte schon lange niemand mehr. Nun drängeln sich Menschen mit Kameras und Schreibblöcken um das Geländer und beobachten, wie der Prinz von Preußen den Stammsitz seiner Dynastie in seine Einzelteile zerlegt.

Nun ja, Stammsitz: Georg Friedrich lebt mit seiner Frau Sophie eigentlich in Bremen, zum Jahresende ziehen sie nach Babelsberg. Sein Handwerkergestus am Treppenturm war mehr symbolischer Akt für die Pressemannschaft. Ab jetzt übernehmen der Fridinger Steinmetz Eduard Schnell und seine Mitarbeiter. Sie montieren die Treppe mit ihren 350 Elementen und 600 Steinen komplett auseinander. Georg Friedrich lässt sich von Schnell die Baupläne zeigen und wirft ein gelegentliches „Irre!“ in dessen Erklärungen. Dann darf der Prinz noch eine „3“ auf den Block malen, den er nach oben gezogen hat – damit das Treppenpuzzle später wieder korrekt zusammengesetzt werden kann. Die vom Salz malträtierten Steine müssen erst einmal ins Wasserbad. Danach werden sie in Sigmaringen auf Palletten eingelagert – und zwar für ziemlich lange Zeit. Denn die Treppe ist erst der Anfang.

Auch an der Außenmauer der Bastei und an der kompletten Auffahrtsanlage durchfurchen Risse die Steine. „Wir versuchen, so viel Originalsubstanz zu erhalten, wie möglich“, sagt der Prinz. Einiges ist aber nicht mehr zu retten. Deshalb gönnt sich die Burg eigens für den Umbau einen eigenen Steinbruch bei Grosselfingen. Auch, weil sich die Ersatzsteine möglichst unauffällig ins 150 Jahre alte Gemäuer fügen sollen: Bei dem handelt es sich nämlich auch um Sandstein aus der Umgebung. Die Renovierung von Bastion und Auffahrt gibt einen regelrechten Umbaumarathon: Insgesamt zehn Jahre wird das dauern. Der Prinz prognostiziert „massive Eingriffe“. Die Wendeltreppe zwischendurch wieder aufzubauen, mache da keinen Sinn.

Fotofreunde aus Japan, Romantiker und Gäste mit Hang zu Märchenprinzessinnenträumen müssen sich um die visuellen Anreize aber nicht grämen: „Die Burg wird nie komplett eingerüstet sein“, beruhigt Georg Friedrich. 300 000 Besucher wollen sie pro Jahr besichtigen. Und die Massen will die Burgverwaltung auch im kommenden Restaurierungsjahrzehnt an Baugerüsten und Handwerkern vorbei irgendwie auf den Berg schaffen, mit dem Denkmalamt grübelt sie deshalb sogar über einen Aufzug nach. Grund: „Mit den Eintrittsgeldern finanzieren wir die Baumaßnahmen“, sagt Burgverwalterin Anja Hoppe.

Die Burgherren, die Linie Hohenzollern-Sigmaringen und die brandenburg-preußische Linie gemeinsam, zahlen einen Eigentanteil. Außerdem geben der Bund, das Land Baden-Württemberg und verschiedene Denkmalstiftungen Geld für die Restaurierung. Am Ende wird es insgesamt eine „gut zweistellige Millionensumme“ brauchen, sagt der Prinz.

Jetzt könnte man da ja auf Ideen kommen, wenn man schon mal am Steine-Austauschen ist. Beispielsweise, falls die Architekten und Baumeister vor 150 Jahren irgendwo doch nicht so ganz gescheit geplant haben. Wären dann nicht ein paar neumodische Verbesserungen drin? Georg Friedrich von Preußen: „Wir versuchen, einen Mittelweg zu finden zwischen Pragmatismus und historischer Korrektheit.“ Man dürfe das Denkmalamt da nicht nur als Aufpasser, sondern auch als guten Ratgeber begreifen. Er sei jedenfalls dankbar, dass auch seine Generation ihren Beitrag leiste, auf dem Zoller lassen immerhin schon seit dem Mittelalter Grafen und Könige um- und wiederaufbauen. Sagt’s – und posiert noch einmal vor dem Treppenturm, während der Nieselregen weiter auf ihn hinuntersegelt. Steinmetz-Geselle Oliver hat zum Handyfoto-Shooting gebeten.

Prinz Georg Friedrich von Preußen lässt sich von Steinmetz Eduard Schnell die Restaurierung erklären. Bild: Löffler

Prinz Georg Friedrich von Preußen lässt sich von Steinmetz Eduard Schnell die Restaurierung erklären. Bild: Löffler

Wird jetzt zehn Jahre lang restauriert: Burg Hohenzollern Bild: Löffler

Wird jetzt zehn Jahre lang restauriert: Burg Hohenzollern Bild: Löffler

Pferde, Bier und Hollywood

Auf dem Zollerberg steht die dritte Burg. Die erste entstand im Mittelalter und wurde vom Bund der schwäbischen Reichsstädte zerstört, die zweite diente im Dreißigjährigen Krieg als Festung und verfiel, nachdem die österreichische Besatzung 1798 abzog. Der Grundstein für die heutige dritte wurde 1850 gelegt. Die ist inzwischen Kulturerbe mit Wahrzeichencharakter, Populärkultur , Marke und Marketing-Instrument gleichermaßen. Hollywood-Regisseur drehte dort den Thriller „A Cure for Wellness“, der Bisinger Pferdesportversand „Loesdau“ hat sich die Umrisse ins Logo designt, seit 2017 können sich Durstige in der Burggastronomie „Preußens Pilsener“ aus der „Königlich preßischen Biermanufactur“ genehmigen. Sowohl bei den Landtags- als auch den Bundestagswahlen instrumentalisierte die AfD die Burg, um auf ihren Wahlplakaten für ihr Deutschlandbild zu werben. Prinz Georg Friedrich von Preußen klagte dagegen.

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11.11.2017, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 11.11.2017, 01:00 Uhr

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