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Der Rexinger Entertainer Haras Fyre gibt Einblicke in seine Geschichte und die schwere Zeit, nachdem

Haras Fyre – mittlerweile gehört der Entertainer zur Horber Lokalprominenz. Mit der SÜDWEST PRESSE spricht der 62-Jährige über seine Vergangenheit als Musiker in New York City und den Unfall, der ihn bis vor zwei Wochen am Klavierspielen gehindert hat. Am heutigen Freitag steht für ihn nun der große Auftritt auf dem Horber Advent an – nach zwei Monaten Bangen, um seinen Finger.

27.11.2015

Von Benjamin Breitmaier

Der Rexinger Entertainer Haras Fyre gibt Einblicke in seine Geschichte und die schwere Zeit, nachdem

Horb. Ein Mann sitzt im Andachtsraum der Tübinger BG-Klinik. Seine rechte Hand ist bandagiert. Vor ihm das Keyboard. Es wird bei Gottesdiensten gespielt. Keine Menschenseele. Zwei Tage ist es her – der Unfall. Die Finger der bandagierten Hand berühren die Tasten. Es geht nicht. Er hat Schmerzen. Durch den Raum hallen Dissonanzen. „Ich wollte nur einen Ton hören“, sagt Haras Fyre.

Durch seinen Kopf flimmern die Bilder. Zwei Tage ist es her – der Unfall. Es war an einem Sonntag, Fest der Kulturen in Horb, Fyre hätte spielen sollen, 7 Uhr morgens, die schwere Tür, seine Fingerkuppe, abgetrennt. Der Schock, er hebt sie auf, fährt mit ihr zum Medizinischen Gesundheitszentrum in Horb. Sie schicken ihn nach Freudenstadt. Anruf bei einem befreundeten Spezialisten aus Rottenburg. Nicht Freudenstadt, Tübingen, sagt der. Ungewissheit. Was wird werden? Kann ich irgendwann wieder spielen, so wie früher? Wie lange wird es dauern? Die Dissonanzen hallen durch die Tübinger Klinik. Die Fragen brennen in Fyres Kopf. „Nicht spielen zu können war hart. Es war, als hätte man mir einen Teil der Seele geraubt“, erzählt der Rexinger Pianist und Entertainer.

Die Ärzte nähten die Fingerkuppe nicht wieder an. Zu groß war die Gefahr, dass er kein Gefühl mehr in der Spitze des Mittelfingers seiner rechten Hand entwickeln könnte. Sein Spiel wäre auf Dauer beeinträchtigt. Stattdessen: Nagelbettverpflanzung, Stromstöße und Laserbehandlung. So sollten die Nerven im Finger stimuliert werden.

Dienstagnachmittag, acht Wochen später. Fyre sitzt an einem „Steinway & Sons“-Flügel. Er spielt – nicht nur mit seinen Händen, er spielt mit allem, was er hat – mit seinem Körper, mit seiner Mimik. Jeder Ton, ein anderer Gesichtsausdruck. Fyre ist ein Mann, der durch seine Präsenz Räume füllt. Sein Tenor hallt durch das Horber Steinhaus. „Bohemian Rapsody“ von Queen. Er unterbricht. Sein Finger. Noch hat er manchmal Schmerzen, aber er lacht. „It’s growing quite nicely“, sagt er. Der Finger heilt ganz gut. Nur hat er heute seine Salbe vergessen.

Es dauerte Wochen, bis er sich wieder ans Klavier setzen konnte. Nun wartet am heutigen Freitag der große Auftritt auf dem Horber Weihnachtsmarkt. Ein Programm für den Auftritt hat er nicht. „Der Plan ist: Es gibt keinen Plan“, sagt er, „ich frage einfach das Publikum, wenn ich ein Stück höre, dann kann ich es spielen.“

Die Geschichte, wie der kleine Junge aus New Jersey seinen Weg nach Horb fand, wäre Stoff für Drehbücher. Haras Fyre hatte in seinem Leben ganze zwei Klavierstunden. „Doch meine Lehrerin hatte schlechten Atem“ – er lacht. „Mum, ich will da nicht wieder hin“, sagte der damals Vierjährige zu seiner Mutter.

Es dauerte Jahre, bis er wieder zu spielen anfing. Es war die große Zeit des Motown – the Supremes und Neil Diamond. Fyre setzte sich an ein Klavier und fing an. „Erst mit zwei Fingern, dann drei Finger“. Fyre entdeckte sein Talent. Schon früher lieh er sich die Posaune seines Bruders, spielte in verschiedenen Bands. Mit 18 ging er nach New York City und trieb sich in Clubs und auf Jam-Sessions umher, lernte Menschen kennen, die ihr Leben der Musik verschrieben. Er spielte Bass und Posaune. „Ich wurde zu einem der besten Bass-Spieler in der Stadt.“ Die Aufträge mehrten sich, er arbeitete als Studiomusiker. Das Problem war: Fyre konnte keine Noten lesen. „That‘s not it“, sagte ein Produzent zu ihm. Das stimmt nicht. „Erwischt“ – Fyre grinst.

Mit der Musik und der Unterstützung seiner Eltern finanzierte er sich ein Jura-Studium, auch weil im Musikgeschäft einige Menschen seien, „die dich über den Tisch ziehen“. Doch er vermisste seine Musik während des Studiums. Eine der prägendsten Begegnungen seines Lebens war das Zusammentreffen mit Bob Babbit, ein Bekannter Paul McCartneys, der schon mit Elton John, Phil Collins und Diana Ross zusammengearbeitet hatte. Fyre hörte ihn spielen, Fyre konnte nicht glauben, wie jemand so spielen konnte. Er ging einfach auf Babbit zu, sah ihm ins Gesicht und sagte: „Zeig mir alles.“ Babbit nahm sich seiner an. In einem Interview sagte Fyre einmal: „Bevor ich lernte, meine eigene Persönlichkeit auf dem Bass auszudrücken, verwendete ich Bob Babbits musikalisches Vokabular.“

Als Songwriter feierte Haras Fyre in den 70ern mit seiner damaligen Partnerin Gwen Guthrie große Erfolge. Er verbrachte eine Zeit in London, tourte durch ganz England. Kam wieder zurück in die Vereinigten Staaten.

In Florida lernte er ein Gruppe Deutsche kennen. Das Ende einer Beziehung trieb ihn aus dem Land – so genau will Fyre den Grund für seinen Weg über den großen Ozean aber nicht nennen.

Er schlug in Oberstdorf auf. Die Deutschen, die er in Florida kennengelernt hatte, halfen ihm während der ersten Monate in Deutschland. Auf einer Party traf er einen Daimler-Pressesprecher. „Er fragte: ,Ist hier jemand, der Klavier spielen kann?‘“ Die Party ging bis um vier Uhr morgens. Am darauffolgenden Montag kam der Anruf. Es wurde ein Pianist für das Weissenhof-Turnier gebraucht. Es war Fyres erster großer Gig in Deutschland. Das ist mittlerweile Jahrzehnte her. Er verbrachte vier Jahre in Hamburg, spielte dort für das Polizeiorchester, dann zog es ihn in die Schweiz, bis schließlich eine Horberin ihn in die Neckarstadt brachte. Hier fand er etwas, das für ihn die Essenz des Lebens darstellt: „Wenn du gibst, bekommst du etwas viel Größeres zurück“, sagt er. Fyre war fasziniert davon, dass in Horb so viele Nationen in Harmonie miteinander leben. „Ich hatte das so noch nie erlebt“.

Neben dem Steinway-Flügel im Steinhaus nickt Eden Volohonsky. Den Leiter des Hermann-Hesse-Kollegs und Fyre verbindet seit August eine Freundschaft. In der Bescheidenheit und Offenheit Volohonskys sieht Fyre wahre Größe. Für den bald 63-Jährigen ein Sinnbild für das Zusammenleben in Horb, seiner neuen Heimat.

Der Rexinger Entertainer Haras Fyre gibt Einblicke in seine Geschichte und die schwere Zeit, nachdem

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27.11.2015, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 27.11.2015, 01:00 Uhr

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