Kirche in der Moderne

Der Social-Media-Pfarrer

Armin Noppenberger trägt seinen Glauben in soziale Medien, in die Politik und das 21. Jahrhundert.

27.02.2017

Von Benjamin Breitmaier

Für Armin Noppenberger hat sein schwarzes Iphone 4 „pastorale Relevanz“.Bild: Breitmaier

Für Armin Noppenberger hat sein schwarzes Iphone 4 „pastorale Relevanz“.Bild: Breitmaier

Pfarrer, Seelsorger, Aktivist – wer ist eigentlich Armin Noppenberger? In der Öffentlichkeit scheint der in Altheim wohnende Gottesmann nur wenig in Erscheinung zu treten. Sein Profil auf der Social-Media-Plattform Facebook ließe anderes vermuten. Für ihn hat das soziale Netzwerk „pastorale Relevanz“, wie er sagt. Sein Facebook-Profil ist ein Sprachrohr für christliche Werte, ein Mittel, um Menschen zu fischen.

Noppenberger äußert hier mit aller Deutlichkeit seine Meinung, teilt Inhalte, geht in harten Dialog. Er spricht mit Atheisten, spricht mit Populisten, kommuniziert mit Gemeindemitgliedern, die oft nur an Weihnachten eine Kirche von innen sehen. Er äußert ebenso Kritik an der neuen amerikanischen Administration, wie er Aufmerksamkeit für das anhaltende Bienensterben schaffen will. Für ihn ist die Kommunikation in der digitalen Welt ein probates Mittel, seinem Auftrag als leitender Pfarrer und Vertreter der katholischen Kirche besser gerecht zu werden.

„Es ist glaube ich drei Wochen her, ich habe ein Thema geliked und eine Frau hat einen Kommentar geschrieben“, erzählt er. Noppenberger musste antworten, es entwickelte sich ein Gespräch, das mit jedem Beitrag zunehmend emotionaler wurde. Die Frau war Atheistin. Irgendwann schaltete sich ein Bekannter der Frau ein. „Der schrieb dann darunter: ,Pass auf, sonst wirst du noch bekehrt‘.“ Noppenberger lächelt, als er die Geschichte erzählt, ballt die Fäuste, gestikuliert.

Kapuzenpullover, Dreitagebart, Hipsterbrille – dem 49-Jährigen sieht man nicht an, dass er hauptberuflich Talar trägt. Einziger Zeuge, der ihn als Mann des Glaubens ausgibt, ist ein Metallkreuz um seinen Hals, dass an einem stabilen Lederband hängt.

Seine Aktivitäten auf Facebook macht er in der Mittagspause, oder abends vom Sofa aus. Mehrere Stunden in der Woche investiert er hier. Er glaubt, dass sich der Aufwand lohnt. Nur durch steten Dialog könne man Populismus begegnen. „Es geht um Differenzierung“, sagt Noppenberger. Nur so könne man denen begegnen, die vermeintlich einfache Lösungen anbieten. „Und Populismus wird derzeit hauptsächlich mit dem Thema Flüchtlinge verbunden“, betont er.

Seine Publikationen zeugen davon, dass gerade diese Thematik Noppenberger nicht loslässt. Sein Facebook-Titelbild, es ist ein Bibelzitat aus dem Buch Levitikus: „Wenn bei dir ein Fremder in eurem Land lebt, sollt ihr ihn nicht unterdrücken. Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten und du sollst ihn lieben wie dich selbst“, steht dort in englischer Sprache. „Für mich ist die Stelle wie eine kleine Magna Carta.“ Damit eckt Noppenberger auch an. Bei der Landtagswahl im Jahr 2016 haben in Talheim 24,4 Prozent die einwanderungskritische Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) gewählt. In Altheim waren es 19,6 Prozent. Die Ergebnisse in Bittelbronn und Grünmettstetten – die anderen Gemeinden der Seelsorgeeinheit Steinachtal – gehen in eine ähnliche Richtung. Es besteht hohe Wahrscheinlichkeit, dass ein bedeutender Teil seiner Gemeindemitglieder eine gänzlich andere Ansicht zum Thema Einwanderung und Flüchtlinge vertritt wie der Pfarrer. „Man macht sich damit angreifbar“, erklärt Noppenberger. Einen direkten Disput gab es aber erst zweimal zu dem Thema. Den leitenden Pfarrer in eine linke Ecke zu schieben, würde seiner Person nicht gerecht werden. Er teilt auf Facebook konservative Positionen, genau wie eher linke Inhalte. Er macht sich stark gegen islamistischen Radikalismus, ebenso wie rechte Hetze.

Kindergartenfreunde getroffen

Sein Kompass ist der Glaube und in besonderem Maße die Enzyklika „Laudato si‘“ des aktuellen Oberhauptes der katholischen Kirche, Papst Franziskus. Vor einer Islamisierung des Abendlandes hat er keine Angst, Noppenberger setzt sich jedoch für eine Europäisierung des Islam ein. Seiner Überzeugung nach können Muslime und Christen am besten in einer Gesellschaft zusammen leben, die unter dem gemeinsamen Dach europäischer Werte steht. Seine „Heiligtümer“, nennt er diese Werte.

Einen Grund für den Rückzug in nationalistisches Denken und den Zulauf für Parteien wie der AfD sieht er aus kirchlicher Sicht in zunehmender „weltanschaulicher Orientierungslosigkeit“. Der Glaube könne hier Halt geben. Noppenberger: „Der Rückzug in das Nationale ist eine Möglichkeit, aber sie ist die falsche.“ Sein Europa sei vielmehr eine „humanitäre Insel.“

Ein Stück dieser Humanität sieht er in seiner Gemeinde. Seine Gesten werden ausladender, wenn er über das Engagement für Flüchtlinge in Talheim und den anderen Gemeinden seiner Seelsorgeeinheit spricht. „Sie haben Türen und Hände aufgemacht, sie haben geholfen“, erklärt er entschieden. Stolz schwingt in seiner Stimme mit.

Wer jetzt denkt, dass Noppenberger auf Facebook nur bierernste Grundsatzdebatten anstoßen will, der liegt daneben. Die Mischung aus Humor, Satire, Nachdenkliches und Glauben gibt Einblicke in das Innenleben des leitenden Pfarrers der Seelsorgeeinheit Steinachtal. So kommt es vor, dass ein Zitat des amerikanischen Rappers „2pac“ – „Sie haben Geld für Kriege, doch können die Armen nicht ernähren.“ – neben dem Bild einer Seite namens „Dorfkindmomente“ steht.

Sogar Kindergartenfreunde hat er hier auf Facebook schon wiedergetroffen. Hier konnte er mit ihnen über die tiefsten Glaubensfragen diskutieren. Daher hat sein schwarzes Iphone mit dem Sticker auf der Rückseite für ihn die besagte „pastorale Relevant“.

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Erstellt:
27.02.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 33sec
zuletzt aktualisiert: 27.02.2017, 01:00 Uhr

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