Lieben Sie Shaw?

Dettinger Chamaeleon Theaterwelten proben „Pygmalion“

Pygmalion: Altphilologen denken da an Ovids Metamorphosen, Theaterfreunde kennen diesen Titel eher als Vorlage für das Musical „My fair Lady“ mit seinen unsterblichen eingängigen Melodien. Doch genau dieser charmanten Komödie von George Bernard Shaw haben sich Dorothee Jakubowskis „Chamaeleon Theaterwelten“ angenommen und werden sie in vier Freilichtaufführungen präsentieren.

03.06.2016

Von Hans-michael Greiss

Fauxpas in nobler Gesellschaft, Eliza (Valentina Sadiku) (2. von links) leckt ihren Teelöffel ab, Freddy (Jérome Brunelle), Clara (Clara Cazzanelli), Frau Hill (Monika Bugalla), Frau Higgins (Magdalena Rau) und Oberst Pickering (Swen Richter) (von links) vermeiden den Etikettenfehler.Bilder: hmg

Fauxpas in nobler Gesellschaft, Eliza (Valentina Sadiku) (2. von links) leckt ihren Teelöffel ab, Freddy (Jérome Brunelle), Clara (Clara Cazzanelli), Frau Hill (Monika Bugalla), Frau Higgins (Magdalena Rau) und Oberst Pickering (Swen Richter) (von links) vermeiden den Etikettenfehler.Bilder: hmg

Horb. Der Künstler Pygmalion von Zypern, der eine weibliche Elfenbeinstatue so perfekt geschaffen hat, dass er sich in sie verliebt und lebendig werden lässt, ist bei Shaw ein genialer Professor Higgins. Mit einem präzisen Gehör für englische Aussprache kann er die Herkunft jedes Anwesenden präzise bestimmen. Mit Oberst Pickering wettet er, durch seinen Sprachunterricht könne er aus dem ordinären Blumenmädchen Eliza Doolittle eine feine Dame machen, die er beispielsweise als Herzogin ausgeben könne.

Eliza nimmt tatsächlich Sprachunterricht, doch Higgins quält sie mit endlosen Aussprache-Übungen ohne Rücksicht auf ihre Gefühle. Er ist ein „Fachidiot“, nur in seiner Wissenschaft versunken, mit unglaublich unhöflichen Umgangsmanieren, besonders gegen Frauen.

Nach einem „Testlauf“ bei Higgins‘ Mutter führen Higgins und Pickering ihr „Produkt“ auf einen Diplomatenball, auf dem Eliza einen glänzend imposanten Eindruck hinterlässt. Berauscht von Champagner und Siegestrunkenheit kehren sie heim, wobei Higgins sein übersteigertes Ego zelebriert, während Eliza unbeachtet in einer Ecke in Trostlosigkeit versinkt.

Im Dettinger Pfarrhof gab die muntere Truppe von professionellen Schauspielern einen Einblick in ihre Probenarbeit mit dieser Szene. Andreas Schnell, als „Jedermann“ des vorjährigen Theatersommers den Horber Kulturfreunden in bester Erinnerung, gibt in exzellenter Überzeugung diesen „Kotzbrocken Higgins“, wie er seine Rolle beschreibt. Ein solches „Ekelpaket“ zu spielen finde er in dieser Vielschichtigkeit reizvoller als einen langweiligen Liebhaber. Zudem sei er altersmäßig diesem Genre entwachsen. Den Zwiespalt dieser Person, hochgeachteter Wissenschaftler und tapsiges Muttersöhnchen, unselbstständig und arrogant, beides im Extrem, diese Aufgabe reize ihn an Shaws Pygmalion.

Valentina Sadiku als Eliza ist die große Entdeckung des diesjährigen Theaterprojekts. Während der langen Selbstbeweihräucherung der beiden Männer sitzt sie abseits und doch fesselnd präsent, erst schmollend, verletzbar, dann ihren Schmerz eruptiv herausschreiend, schließlich in Wut ausbrechend, erst ihre Robe, dann Higgins Pantoffeln ihm entgegenschleudernd.

Sadiku kam im Alter von acht Jahren als Flüchtlingskind aus dem Kosovo und fühlte sich mangels ihrer deutschen Sprachkenntnisse in der Schule ausgegrenzt. Erst während ihres Theaterstudiums in Stuttgart sei sie in die Sprache hineingewachsen. Dann fühlte sie sich in die Gesellschaft integriert.

Regisseurin Dorothee Jakubowski nahm diesen Gedanken auf, die Sprache bewirke, eine innere Heimat und einen mentalen Zugang zu finden. Mit dem Stück wolle deutlich machen, was das Überstülpen einer sowohl äußeren als auch inneren neuen Identität bedeute und wie das Individuum als auch seine Umwelt damit umgehe.

Im Hinblick auf die aktuellen Integrationskurse für Flüchtlinge gab sie zu bedenken, dass damit „neue Menschen“ geschaffen würden, die Herkunft und Zielland miteinander vereinen müssten.

Jakubowski bezeichnete Shaws Pygmalion als „sprachlastig“ da die Sprache das bestimmende Element des Stückes sei, dem will sie mit ihrer Regiearbeit „sprechende Bilder“ entgegensetzen. Alle Kommunikationsmöglichkeiten, wie Körpersprache, Klänge, Tanz Zeichensprache will sie in das Stück einfließen lassen.

Mit der Vorführung einer zweiten Szene machte das Team diesen Anspruch anschaulich: Higgins bringt Eliza bei der wöchentlichen Teerunde seiner Mutter erstmals in die Öffentlichkeit. In dieser vornehmen Runde rühren alle Gäste synchron in ihren Tassen und legen den Teelöffel ab, nur Eliza leckt ihn nach ihrer proletarischen Gewohnheit ab.

Die noble, aber verarmte Frau Hill weiß Etikette zu wahren, doch gierig schnappen sie und ihre Tochter Clara, nach Aussage von Clara Cazzanelli eine „saurotzfreche Rolle“ voreilig nach den angebotenen Erdbeeren, sobald sie die Möglichkeit dazu bekommen.

Nach den dargebotenen Spielszenen darf man auf dem Dettinger Schlossplatz oder auf dem Horber Marktplatz eine großartige Vorführung erwarten.

Info Die Premiere findet am Freitag, 24. Juni 2016 um 19 Uhr auf den Schlossplatz in Dettingen statt.

Weitere Termine: Sonntag, 26. Juni, um 19 Uhr auf den Schlossplatz in Dettingen; Freitag, 8. Juli, um 19 Uhr auf dem Horber Marktplatz; Sonntag, 10. Juli bereits um 17 Uhr auf dem Horber Marktplatz.

Karten zum Preis von 16 Euro (Erwachsene) bzw. 7 Euro (Schüler/Studenten) sind bei den Vorverkaufsstellen Stadtmarketing Horb, Mühlener Straße 2; Buchhandlung Kohler, Hirschgasse 17; Gasthaus Adler, Alte Straße 3 in Dettingen oder auf der Homepage www.daschamaeleon.de erhältlich

Dettinger Chamaeleon Theaterwelten proben „Pygmalion“

Rollen und Darsteller

Eliza Doolittle: Valentina Sadiku

Prof. Higgins: Andreas Schnell

Oberst Pickering: Swen Richter

Frau Higgins: Magdalena Rau

Alfred Doolittle: Ferdinand Rother

Frau Hill: Monika Bugala

Clara: Clara Cazzanelli

Freddy: Jérome Brunelle

Frau Pearce: Dorothee Jakubowski

Regie und Konzeption: Dorothee Jakubowski

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Erstellt:
03.06.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 09sec
zuletzt aktualisiert: 03.06.2016, 01:00 Uhr

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