Welche Wirkung hat Musik auf Menschen mit Demenz?

Die Doku dreier Tübinger Medienwissenschaftler beeindruckte bei der Premiere im Kino Museum

Welche Wirkung hat Musik auf Menschen mit Demenz? Kann sie verlorene Erinnerungen zurückbringen? Diesen Fragen widmen sich drei Absolventen des Studiengangs Medienwissenschaft an der Uni Tübingen in ihrem Abschlussfilm „Aus dem Takt“.

05.02.2017

Von Dorothee Hermann

Die Doku dreier Tübinger Medienwissenschaftler beeindruckte bei der Premiere im Kino Museum

Herausgekommen ist viel mehr: Anrührende Einblicke in den Alltag von vier alten Leuten aus Tübingen und Umgebung. Die 250 Zuschauer bei der Premiere im Kino Museum am Samstagnachmittag waren sehr angetan.

Zu sehen war auch, wie Angehörige mitunter unwirsch reagieren und dadurch in manchen Szenen nicht besonders sympathisch wirken. Vor der Leinwand konnte man glauben, man habe lauter liebenswerte ältere Menschen vor sich, sagte eine Zuschauerin. Deshalb sei es so wichtig, dass die Tochter gezeigt wird, die auch mal gereizt und ungeduldig reagiert – weil ihre Mutter so ganz anders ist als sie sie ihr Leben lang kannte.

„Wir haben die Menschen so kennengelernt, wie sie jetzt sind“, beschrieb die Regisseurin Constanze Ramsperger den Blickwinkel des Filmteams. „Deshalb konnten wir ihnen ganz anders begegnen. Nicht mit der ständigen Frage: Wie waren sie früher?“ Sie hat sich „immer mit den Menschen unterhalten“, den vier Alten, der Ehefrau, der Tochter, den Betreuerinnen. Ramsperger hat während des Studiums bereits andere Filme gedreht, sich mit dem Älterwerden auseinandergesetzt.

Die Doku führt ins Tübinger Pauline-Krone-Heim, in ein gemütliches Haus in Ammerbuch und in eine Einrichtung der Bruderhausdiakonie in Betzingen. Zwei der Porträtierten können noch ihre geliebten Spaziergänge machen. Zwei sind auf den Rollator angewiesen und kommen eigenständig nicht mehr so leicht aus dem Haus.

Der Film räumt auch mit der verbreiteten Annahme auf, dass Demenzkranke überhaupt nichts mehr mitbekommen. Eine registriert sehr genau, dass ihr „Oberstübchen“ nicht mehr so funktioniert, wie es ihr mehr als 80 Jahre lang vertraut war. Das ist für sie ein großer Schmerz.

Das Team achtete beim Schnitt darauf, manche Szenen nicht zu verwenden. „Wenn wir gemerkt haben, jemand sagt alle zwei Minuten das Gleiche und kommt nicht mehr aus dieser Schleife heraus“, so Ramsperger. Für Kameramann Christoph Jäckle hat die Arbeit am Film „die Angst vor dem Schreckgespenst Demenz“ aufgebrochen. „Wir haben gemerkt, dass es neben den traurigen auch komische Momente gibt und es den Leuten nicht immer nur schlecht geht.“ Jäckles Großmutter ist seit einigen Jahren an Demenz erkrankt.

Für den Ton war Oliver Lichtwald zuständig. Er erfuhr durch die Arbeit seiner Mutter als Betreuungsassistentin im Pauline-Krone-Heim, wie wichtig Musik für Demenzpatienten ist. Ein weiterer Anstoß für das Team war die Konzertreihe „Seelenbalsam“ der Württembergischen Philharmonie Reutlingen, die sich an Betroffene und Angehörige richtete.

„Dass nichts mehr bleibt, gar nichts“, musste eine Ehefrau sich nach mehr als 50 Jahren des Zusammenlebens erst klarmachen. „Dass man einen anderen Menschen vor sich hat, ein kindliches Wesen.“

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Erstellt:
05.02.2017, 21:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 20sec
zuletzt aktualisiert: 05.02.2017, 21:00 Uhr

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