Organisierte Kriminalität

Die Einbrecherbanden werden immer professioneller

Die Polizei tut sich schwer, die gut organisierten Gruppen zu fassen. Viele Verfahren werden eingestellt, weil es keine Spur von den Tätern gibt.

28.10.2016

Von MADELEINE WEGNER

Einbruch für ein Foto: In Wirklichkeit hinterlassen die Diebe meistens gar keine verwertbaren Spuren am Tatort. Im Fall einer Einbruchserie in Tübingen und Umgebung hatten die Ermittler aber einen verräterischen Fingerabdruck gefunden. Foto: DPA dpa

Einbruch für ein Foto: In Wirklichkeit hinterlassen die Diebe meistens gar keine verwertbaren Spuren am Tatort. Im Fall einer Einbruchserie in Tübingen und Umgebung hatten die Ermittler aber einen verräterischen Fingerabdruck gefunden. Foto: DPA dpa

Tübingen. Sein Haus war hell beleuchtet, berichtet einer der Zeugen, ein Tübinger Arzt. Als er mit Frau und Kindern aus dem Kurzurlaub zurückkehrte, war schnell klar: Es war eingebrochen worden. Die Terrassentür war eingeschlagen, Arbeits- und Schlafzimmer waren durchwühlt. Die Diebe hatten es vor allem auf Schmuck abgesehen. Das Sparschwein im Kinderzimmer hatten sie geplündert, andere Wertgegenstände hingegen im Haus liegenlassen.

Drei junge Männer zwischen 19 und 22 Jahren sollen in das Haus eingestiegen sein – und in viele weitere: Ihnen wird vorgeworfen, von Oktober 2015 bis Februar 2016 in 50 Wohnungen in Tübingen und Umgebung eingebrochen zu sein und Beute im Wert von 145?000 Euro gemacht zu haben. Vor dem Landgericht Tübingen müssen sie sich derzeit wegen schweren Bandendiebstahls verantworten.

Die Dunkelziffer dieser Art von Verbrechen ist sehr hoch. Gerichte stellen Verfahren stapelweise ein, weil es oft keine Spuren von den Tätern gibt. Meist sind es Fingerabdrücke oder DNA-Spuren, die zu den Tatverdächtigen führen. Auch den jungen Männern aus Albanien kamen die Beamten durch einen Fingerabdruck auf die Schliche: Die Polizeidatenbank hatte bei der Auswertung einen Treffer gemeldet.

Sigurd Jäger ist Inspektionsleiter für organisierte Kriminalität beim Landeskriminalamt in Stuttgart. „Die organisierte Eigentumskriminalität hat zugenommen“, sagt er. „Obwohl sich die Rahmenbedingungen nicht geändert haben, kommen mehr Täter aus dem Ausland.“ Laut Jäger gibt es hierbei drei Arten von bandenartigen Strukturen: Die Clans, also große Familienverbände, die im Ausland leben und sich hier auf Streifzug begeben. Außerdem gibt es vor allem in den baltischen Staaten streng hierarchisch organisierte Gruppen, deren Köpfe im Ausland bleiben. Die Experten sprechen von Russisch-Eurasischer Kriminalität. „In diesen Fällen bringen bloße Festnahmen hierher eingereister Täter nichts, solange deren Hinterleute im Ausland unbehelligt bleiben“, sagt Jäger.

Bargeld und Schmuck beliebt

Schließlich gebe es noch die dritte Gruppe der Tatverdächtigen, die aus Georgien stammen und in Deutschland auf ihre Anerkennung als Flüchtlinge warten. Sie sind ähnlich wie die baltischen Gruppen organisiert. „Aber auch Tatverdächtige aus dem Balkan sind keine Seltenheit“, sagt Jäger. Drei der vier vor dem Landgericht angeklagten Albaner lebten seit Sommer vergangenen Jahres als Flüchtlinge im Landkreis Tübingen. Der vierte in der Bande war erst im Februar aus Italien nach Deutschland gekommen. Laut Anklageschrift soll er die Rolle des Hehlers übernommen haben.

Bargeld und insbesondere auch Schmuck sind beliebtes Diebesgut, sagt Jäger. Letzteres wird meist eingeschmolzen, damit es sich nicht mehr zurückverfolgen lässt. Fernseher, Tablets und andere Unterhaltungselektronik hingegen werden seltener gestohlen, weil solche Geräte – abgesehen von neuen, teuren Smartphones – wenig auf dem Schwarzmarkt bringen. Die Hehler seien meist hier vor Ort ansässig und zum Beispiel als Schmuckhändler oder im Bereich Import/Export tätig. Oft werde auch Diebesgut als Massenware verhökert und auf dem Postweg ins Ausland geschickt.

„Das Problem bei der Organisierten und Banden-Kriminalität ist für uns, aus einer Einzeltat heraus zu schließen, dass eine Bande dahinter steckt“, sagt Jäger. Erschwert würden die Ermittlungen durch die noch fehlende Verbindungsdatenspeicherung. Handy-Telefonate könnten die Verbindungen der einzelnen Täter zu Auftraggebern und Hinterleuten aufzeigen und somit die Organisationsmuster der Bande offenbaren. Für Telefonüberwachung und verdeckte Maßnahmen ist jeweils ein gerichtlicher Beschluss nötig. In Fällen der so genannten Bagatellkriminalität wie Laden- oder Taschendiebstahl sei das kaum denkbar. „Die rechtlichen Hürden sind hoch.“ Deshalb könnten viele Einzeltaten, hinter denen möglicherweise eine ganze Bande steckt, nicht tiefer ermittelt werden.

Besonders schwierig wird es, wenn die Tatverdächtigen über internetbasierte Dienste kommunizieren. „Das ist generell ein Problem. Wir können solche verschlüsselten Kommunikationsdienste nicht überwachen“, sagt Jäger. „Wenn es über solche Kanäle läuft, ist die Polizei außen vor.“

Erste gemeinsame Fahndungsaktion

Zusammenspiel Mit einer länderübergreifenden Kontrollaktion geht die Polizei in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz am Wochenende erstmals gemeinsam gegen Einbrecher vor. Die Schwerpunktkontrollen sollen vor allem auf reisende Tätergruppen abzielen.

Zufahrt Insbesondere überregionale Verkehrswege wie Autobahnen und deren Ausweichrouten sind im Fokus der dreitägigen Aktion. Neben der Einbruchskriminalität haben die Fahnder Autodiebstähle und Rauschgiftkriminalität im Visier. Koordiniert werden die länderübergreifenden Schwerpunktkontrollen von den jeweiligen Landeskriminalämtern. ?del

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Erstellt:
28.10.2016, 10:30 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 28.10.2016, 10:30 Uhr

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