Die Schöne und das Biest

Die Schöne und das Biest

In der Neuverfilmung des Märchenklassikers spielt Emma Watson eine junge Frau, die in die Fänge eines Ungeheuers gerät.

04.05.2017

Von Dorothee Hermann

Die Schöne und das Biest

Natürlich hilft Animation auch dieser Realfilm-Variante des Zeichentrickmärchens aus dem Jahr 1991 zu ihrem Glanz: Im düster-zerbröckelnden Schloss des Biests sprechen die Dinge, wie man es aus Märchen kennt. Sie können sich bewegen, wenn sie sich unbeobachtet glauben, oder sie tun das in Gegenwart von Menschen, denen sie vertrauen.

Rund um die zinnenbewehrte Trutzburg herrscht ewiger Winter. Bei einem Unwetter verschlägt es den Vater (Kevin Kline) von Belle (Emma Watson) auf den abgelegenen Landsitz. Auf Wunsch der Tochter reißt er von der prächtigen Rosenhecke im Park eine Blüte als Mitbringsel ab und wird deshalb vom tierähnlichen Schlossherrn (Dan Stevens) prompt eingekerkert. Ansichten von gewundenen, finsteren Treppenfluchten erinnern flüchtig an Piranesis Kerker-Labyrinthe und suggerieren eine Welt von Verdammten. Weitere Effekte lassen Gebäude mal spielzeugklein in der Ebene liegen, mal auf bedrohlich gewaltige Dimensionen anwachsen: Ganz wie es im Traum oder während einer Halluzination unter starker seelischer Anspannung vorkommen kann.

Spätestens an dieser Stelle ist der etwas ausführlich geratene, überzuckerte Musical-Einstieg vergessen: Vom reiterlos zurückgekehrten Pferd des Vaters alarmiert, bietet Belle sich dem Biest selbst als Gefangene an, im Austausch für ihren hinfälligen Erzeuger (und gegen den Widerstand des Vaters). Gegenüber dem pelzig-wuchtigen Schlossherrn wirkt sie fast kindhaft klein und schmal.

Doch die Disney-Produktion drückt sich ein bisschen um das zentrale Märchenmotiv des Unholds als Liebhaber und verlagert es beinahe ganz aus dem Film heraus. Stattdessen entwickelt sich eine actionreiche Parallelhandlung um Belles schnöseligen Macho-Verehrer in der Menschenwelt, Gaston (Luke Evans), der einen Ku-Klux-Klan-mäßig mit Fackeln bewehrten Lynchmob anführt. Sein archaisches Geschlechterbild kennt bei aller vorgeblichen Bonhomie nur Macht und Unterwerfung. Gastons Sidekick Le Fou (Josh Gad) wurde in einigen US-Kinos und in Russland als Skandalfigur ausgemacht: als Schwuler im Disney-Imperium.

US-Regisseur Bill Condon („Mr. Holmes“) stürzt die drei Hauptfiguren (Belle, Vater, Biest) in immer neue Konstellationen, in denen sie einander in wechselnder Besetzung beistehen müssen. Es zählt die Zuneigung durch Wesensverwandtschaft, in die Erotik allenfalls am Rande hineinspielt, die Allianz durch Sympathie und gemeinsame Grundsätze.

Belle ist auf ihre Weise eine ungewöhnliche Märchenheldin, die mit den heterosexuell gefärbten Genrekonventionen bricht: Herzenswunsch der Leseratte, der schöne Kleider lästig sind, ist nicht ein Prinz oder das ganze Monsterbetüteln (bis ein sogenannter erlöster Prinz zum Vorschein kommt), sondern eine Bibliothek.

 

Sehenswerte Neufassung des uralten Märchens vom Unhold als Liebhaber – trotz einiger jugendfreier Retuschen.

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Erstellt:
04.05.2017, 01:25 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 16sec
zuletzt aktualisiert: 04.05.2017, 01:25 Uhr

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