Dil Leyla

Dil Leyla

Dokumentarfilm über eine in Deutschland aufgewachsene Kurdin, die zur Bürgermeisterin der türkischen Stadt Cizre gewählt wurde.

04.03.2017

Von Klaus-Peter Eichele

Dil Leyla

Die neue Bürgermeisterin hat sich viel vorgenommen: Die Stadt soll grüner und kinderfreundlicher werden, der Markt und der Schlachthof müssen dringend saniert werden. Verwirklicht wird vorerst nichts davon. Nicht weil Leyla Imret unfähig wäre, sondern weil die Verhältnisse es nicht zulassen. Imret ist, beziehungsweise war Rathaus-Chefin in Cizre, einer vorwiegend von Kurden bewohnten Großstadt im Osten der Türkei. Nach mehreren Angriffen der türkischen Armee ist der Ort nahe der irakischen Grenze heute größtenteils zerbombt.

2014 wurde die damals 26-jährige Kurdin mit 81 Prozent der Stimmen zur jüngsten Bürgermeisterin einer türkischen Stadt gewählt. Zuvor hatte Imret zwei Jahrzehnte lang in Deutschland gelebt. Ihre Mutter hatte sie Anfang der 1990-er Jahre zu Verwandten nach Bremen geschickt, nachdem ihr Ehemann, ein lokaler Kommandant der PKK, im Kampf gegen die türkische Armee umgekommen und sie selbst gefoltert worden war. 2013 beschloss die gelernte Friseurin, in die alte Heimat zurückzukehren, um „etwas für mein Volk zu tun“.

Aus Imrets Werdegang und ihrem außergewöhnlichen Wahlerfolg wollte Regisseurin Asli Özarslan, die an der Ludwigsburger Filmakademie studiert hat, ursprünglich ein optimistisches Doku-Porträt machen. Dem entspricht der erste Teil des Films, wenn sich die Politik-Novizin mit Feuereifer in ihre Arbeit stürzt und manches männliche Ressentiment gegen eine Frau als Vorgesetzte resolut beiseite wischt. Es folgt die Parlamentswahl 2015, bei denen der Kurdenpartei HDP der Einzug ins Parlament von Ankara gelingt und auch bei Imret verhaltene Hoffnung herrscht, dass es zu einem friedlichen Ausgleich zwischen türkischer Staatsmacht und kurdischer Minderheit kommen könnte.

Doch wenige Monate später eskaliert der Konflikt erneut, die türkische Armee legt Cizre in Schutt und Asche. Imret wird als Bürgermeisterin abgesetzt und taucht für längere Zeit unter. Auch für die Filmemacherin ist sie monatelang nicht erreichbar. Von diesen Ereignissen getrieben, wandelt sich der Film von einer weiblichen Erfolgsgeschichte zu einem desillusionierenden Schlaglicht auf einen Krieg, der hierzulande im Schatten der syrischen Katastrophe kaum wahrgenommen wird.

Die trostlosen politischen und die schwierigen Produktions-Umstände bedingen aber auch, dass die Regisseurin ihrer Protagonistin menschlich nicht sehr nahe kommt. Was Imret bewogen hat, die Sicherheit Deutschlands hinter sich zu lassen und in Kurdistan ihr Leben zu riskieren, bleibt etwas nebulös. Am Ende sieht man sie als Rednerin auf einem Parteitag der HDP – halb gebrochen, halb entschlossen, ihre Mission in Cizre auch unter widrigsten Bedingungen fortzusetzen.

Lässt am Beispiel einer idealistischen Politikerin die traurige Realität in Kurdistan hautnah miterleben.

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Erstellt:
04.03.2017, 11:20 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 16sec
zuletzt aktualisiert: 04.03.2017, 11:20 Uhr

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