Dunkirk

Dunkirk

Kriegsepos von Christopher Nolan um die Rettung Hunderttausender Soldaten über den Ärmelkanal während des Zweiten Weltkriegs.

01.06.2017

Von Dorothee Hermann

Dunkirk

Die Gesichter sind die von Kids von heute, verblüffend jung, die in wilder Flucht versuchen, sich vor dem Maschinengewehrfeuer „des Feindes“ (der nicht näher bezeichnet wird) in Sicherheit zu bringen. Aber es gibt keinen Schutz, nur einen weiten Strand ohne Deckung, auf dem schier unabsehbare Kolonnen warten, vor sich das trügerisch leere Meer.

1940 war kein gutes Jahr für alle Nazigegner. Hitlers Armeen schienen nicht aufzuhalten. 370000 Briten (und Franzosen) waren am Strand von Dünkirchen eingekesselt.

Kurz nach Lone Scherfigs Geschlechterkomödie „Ihre beste Stunde“ über einen Londoner Nebenschauplatz von Dünkirchen liefert der britisch-amerikanische Regisseur Christopher Nolan („The Dark Knight“) die epische Spektakulärversion des dramatischen Rückzugs - mit Streiflichtern auf das Wunder, das ihn ermöglichte.

Mit der Symbolfigur Tommy (Fionn Whitehead) läuft der Zuschauer quasi live ins Desaster. Noch im erzwungenen Stillstand am Strand ist der Krieg ein Moloch zu Lande, zu Wasser und in der Luft, der alle Elemente beherrscht und alles verschlingt - und in dem es doch Momente gibt, in denen die Zeit stillzustehen scheint und das Verhalten eines Einzelnen entscheidend werden kann. In bester Spannungsdramaturgie kombiniert Nolan Breitwandpanoramen und Einzel-Begegnungen, militärische und zivile Konfrontationen. Sie sind perfekt auf die unterschiedlichen Kampfebenen zugeschnitten: Zwei britische Spitfire-Piloten gleichen gutgelaunt technische Details ab, obwohl sie fast keine Chance haben. Ein älterer Familienvater (Mark Rylance als Mr. Dawson) schippert unerschütterlich mit seinem Motorboot gen Dünkirchen, um seinen Beitrag zu leisten.

So liegt das Geschehen in den Händen der einfachen Leute, während die Befehlshaber die Position der hilflosen Zuschauer einnehmen. Der stämmige Marinekommandeur (Kenneth Branagh) scheint das im Sinne des strategischen Kalküls wegzustecken. Den Colonel vom Heer (Mark Rylance) zerreißt es schier, weil er nichts tun kann, um seine Männer zu retten.

Entgegen der historischen Tatsachen rechnet man in keiner Sekunde mit einem vergleichsweise glücklichen Ende. Wenn der Tod nahe ist, wummert der Soundtrack von Hans Zimmer wie eine elektronisch optimierte Häckselmaschine, fällt aber leider im rettenden Moment geradezu staatstragend-seifig aus.

Die verzweifelten Wartenden sind immer wieder in ein surreales dunkles Türkis getaucht, was den Szenen die Eindringlichkeit eines bösen Traums verleiht. Und es ist, als würde der Pilot (Tom Hardy) für immer über dem leeren Strand kreisen, in einer Lage, aus der es eigentlich keine Rückkehrer geben kann (ab 12; Museum und Planie).

Bemerkenswerter Versuch, den Krieg als zwangsläufigen Schauplatz der Niederlage darzustellen.

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Erstellt:
01.06.2017, 14:47 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 15sec
zuletzt aktualisiert: 01.06.2017, 14:47 Uhr

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Bob 13.08.201706:04 Uhr

Hm, der Film lässt eher kalt, eine Mischung aus zu gewollt und zu distanziert. Das Zielpublikum sind eher die Brexit-Briten die historisch-verquast von Nolan vermittelt bekommen sollen dass mit einer stiff upper lip und nationaler Einheit eine Schlacht zwar verloren gehen kann, der Krieg aber gewonnen wird. Am Ende sind alle Helden. Rule Britannia, we'll be back.