Film mit Gästen über Social Media

Ein Lehrer ist von sehr vielen Seiten Zielfigur

Alex Schaad brachte seine Dystopie „Invention of Trust“ ins Kino Arsenal.

01.06.2017

Von Dorothee Hermann

Da ist er noch ein gutgelaunter User: Lehrer Michael Gewa (Dimitrij Schaad, sonst auch am Berliner Maxim-Gorki-Theater), kurz bevor er von seinem sozialen Netzwerk erpresst und bloßgestellt wird.Bilder: Verleih

Da ist er noch ein gutgelaunter User: Lehrer Michael Gewa (Dimitrij Schaad, sonst auch am Berliner Maxim-Gorki-Theater), kurz bevor er von seinem sozialen Netzwerk erpresst und bloßgestellt wird.Bilder: Verleih

In dem Film „Invention of Trust“ wird ein junger Lehrer (Dimitrij Schaad als Michael Gewa) demontiert, nachdem plötzlich alle – die Eltern seiner Schüler, seine Freundin, sein Schulleiter – wissen, was er mit seinem Smartphone so anstellt. Dabei ist er ein Durchschnitts-User ohne jedes Skandalpotenzial, vielleicht ein bisschen schnöselig.

Am Dienstagabend stellte Regisseur Alex Schaad die mit dem Studenten-Oscar prämierte Dystopie im vollbesetzten Kino Arsenal vor. Wie sein Protagonist binnen weniger Tage vom zufriedenen User zum verdächtigen Außenseiter wird, befeuerte eine Diskussion über ethische Probleme der Digitalisierung. Eingeladen hatten die Reinhold-Maier-Stiftung und das Tübinger Weltethos-Institut.

Schaad studiert Regie an der Hochschule für Film und Fernsehen in München. Der knapp halbstündige „Invention of Trust“ war ein Übungsfilm. Auslöser war eine Zeitungsmeldung, als Facebook die Schwelle von einer Milliarde Nutzern überschritten hatte. „Was würde passieren, wenn man diese Daten öffentlich machen würde?“ fragte sich Schaad.

„Mein Bruder und ich gehören zu den wenigen Leuten, die sich noch real treffen“, sagt der 26-Jährige. „Facebook habe ich nie gebraucht.“ In der Kleinstadt, in der er aufgewachsen ist, hatte er einen überschaubaren Freundeskreis. „Da telefoniert man halt.“

Geboren 1990 in Kasachstan, kam Schaad als Dreijähriger mit seinen Eltern und seinem älteren Bruder Dimitrij nach Baden-Württemberg. Die rasante Verbreitung von Internet und Handy hat er sehr stark mitbekommen.

Social Media will er nicht verteufeln, sieht aber einen Paradigmenwechsel, „den Anbruch einer neuen Zeit“, wie seine Filmfigur am Ende formuliert. Von Fatalismus hält Schaad nichts: „Ich glaube, man kann total viel machen. Man muss sich informieren. Das ist es, was uns hilft“, sagte der Regisseur im Gespräch mit Christopher Gohl, Christoph Giesa und Claire-Marie Vagedes.

Auf jeden Fall müsse man gegen die Monopolstellung von Facebook und Google vorgehen, so Schaad. „Diese Daten sind ein Pool, für den sich Leute interessieren. Wenn ich etwas ganz Tolles umsonst bekomme, müsste ich darüber nachdenken, womit die ihr Geld verdienen.“ Usern rät er zu kritischer Distanz: „Was ist das denn für eine App, die da auf den Markt kommt, wofür könnte die dienlich sein?“ Nun hat der 26-jährige ein Stipendium bekommen, um einen Cyberthriller auszuarbeiten. Darin wird „ein orientierungsloser Student dazu auserkoren, Kopf einer todbringenden Darknet-Seite zu werden“, sagte Schaad dem TAGBLATT. Todbringend bedeute, dass zu Morden aufgerufen wird. Mit dem derzeit so populären Komödien-Genre kann der Regisseur nichts anfangen. „Ich möchte nicht ein Jahr damit verbringen, zu zeigen, wie ein Teenie-Mädchen einen Teenie-Jungen begehrt.“ Sein dystopischer Blick auf die Welt sei anstrengend, bekennt er. Aber: „Je gesellschaftlich relevanter ein Film ist, desto besser fühlt sich die Arbeit an.“ Er arbeite kreativ, sagte Schaad. Sobald er Suchbegriffe wie Kinderprostitution, Depression oder Suizid verwende, setze die Selbstzensur ein: „Was sagt das über mich?“ Einen Lehrer hat er deshalb als Protagonisten ausgesucht, „weil jeder in der Schule war oder Kinder in der Schule hat. Ein Lehrer steht zwischen Schülern, Kollegen, Eltern und vielleicht Großeltern. Er
ist von sehr vielen Seiten Zielfigur“, erwiderte Schaad auf eine Zuhörerfrage.

Regisseur Alex Schaad

Regisseur Alex Schaad

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Erstellt:
01.06.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 35sec
zuletzt aktualisiert: 01.06.2017, 01:00 Uhr

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