Allzu menschlich

Einblicke in die Flüchtlingsarbeit von Heimverwaltern und Sozialbetreuern

Heimverwalter und Sozialbetreuer kümmern sich im Landkreis um 130 Flüchtlingsunterkünfte und rund 1400 Asylsuchende. Dabei geht es nicht nur darum, eine Wohnung zur Verfügung zu stellen, sondern auch um soziale Betreuung. Dabei menschelt es auch bei Gelegenheit, wie Sonja Schwizler und Peter Keßler berichten.

24.06.2016

Von Dagmar Stepper

Sozialbetreuerin Sonja Schwizler und Heimverwalter Peter Keßler (rechts) betreuen vor Ort Flüchtlinge und kümmern sich um die Wohnungen. In der Ihlinger Straße in Horb haben sie auch ihre Büros. Sachbereichsleiter Benjamin Geigl (links) ist beim Landratsamt der Mann für die Versorgung und Unterbringung von Flüchtlingen. Bilder:Kuball

Sozialbetreuerin Sonja Schwizler und Heimverwalter Peter Keßler (rechts) betreuen vor Ort Flüchtlinge und kümmern sich um die Wohnungen. In der Ihlinger Straße in Horb haben sie auch ihre Büros. Sachbereichsleiter Benjamin Geigl (links) ist beim Landratsamt der Mann für die Versorgung und Unterbringung von Flüchtlingen. Bilder: Kuball

Horb. Peter Keßler ist der Typ Mann, der Autorität ausstrahlt. Aber nicht auf die harte Tour. Der 48-Jährige lacht gern. Beides kommt ihm bei seiner Arbeit zugute: Keßler ist Heimverwalter für Flüchtlingsunterkünfte. Er betreut für das Freudenstädter Landratsamt 22 Wohnungen mit 400 Plätzen. Darunter ist auch die Flüchtlingsunterkunft in der Ihlinger Straße in Horb. Hier ist auch Keßlers Arbeitsplatz. Sonja Schwizler hat ebenfalls hier ihr Büro. Die 27-jährige Sozialbetreuerin ist für 160 Flüchtlinge zuständig. Schwizler kann gut mit Menschen und redet offen heraus.

Inzwischen können die beiden etwas durchatmen. Die Flüchtlingszahlen sind zurückgegangen. Nachdem im März dem Landkreis noch 180 Asylsuchende zugewiesen wurde, waren es im Mai null, im Juni zwölf. „Bis März war es ein Notbetrieb, jetzt ist es eher ein Normalbetrieb“, sagt Keßler. Als Beispiel dient die Unterkunft in der Ihlinger Straße. Zu Hochzeiten wohnten dort 24 Flüchtlinge, jetzt sind es neun. So können sich die beiden nun auf ihre richtige Arbeit konzentrieren. Doch wie sieht die aus?

Statt Notbetrieb jetzt Normalbetrieb

Der Tag beginnt bei Keßler und Schwizler gleich: Sie holen die Post beim Landratsamt ab, fahren nach Horb, checken ihre E-Mails und tauschen sich aus. Keßler hat viel mit den Hausmeistern zu tun, Schwizler eher mit Schulen und Kindergärten, beide mit den verschiedenen Asylkreisen. So gehört der Vormittag eher dem Netzwerken. „Wenn es Probleme gibt, überlegen wir gemeinsam, wie wir sie lösen können“, sagt Keßler. Da es sich inzwischen herumgesprochen hat, dass die beiden ihre Büros in der Ihlinger Straße haben, bekommen sie nun auch häufiger Besuch von Flüchtlingen aus der Region.

Nachmittags sind die beiden dann häufig auf Tour. Keßler klappert seine Unterkünfte ab und verbringt viel Zeit im Auto. Die nutzt er oft zum Telefonieren. Bei 22 Wohnungen gibt es immer irgendetwas. Mal fällt wo die Heizung aus oder ein Fenster ist kaputt. Wenn er einen Hausmeister oder Handwerker nicht erreicht, greift er auch selbst zum Werkzeug. Zu Keßlers Aufgaben gehört es auch, das Bargeld an die Flüchtlinge auszuzahlen. „Daher bin ich ein gern gesehener Gast“, Keßler schmunzelt. Doch auch Konflikte schlichten gehört zu seinem Job. „Rauchen ist immer so ein lediges Thema“, sagt er.

Das kann Schwizler bestätigen. In den Unterkünften ist Rauchen verboten. Doch unter den Flüchtlingen gibt es sehr viele Raucher. Keßler hat Verständnis für sie: „Ich habe selbst mal zwei Packungen am Tag geraucht.“ Doch nun riecht er es als Nichtraucher sofort, wenn in den Zimmern gequalmt wurde. „Ich weise dann darauf hin, dass das nicht geht.“ Er macht das auf die väterliche Art. Denn die meisten Flüchtlinge hier sind jung und männlich.

Schwizler kommt ebenfalls gut klar mit ihnen. „Ich hatte noch nie das Gefühl, dass mein Wort nicht gilt“, sagt sie. Auch sie ist am Nachmittag in den verschiedenen Asylunterkünften – in der Hauptsache angemietete Wohnungen des Landratsamts – unterwegs. Bei ihr geht es um die sozialen Aspekte des Lebens. Kommen Flüchtlinge hier im Landkreis an, geht es erst mal um die Basics: Wo gibt es Einkaufsmöglichkeiten, wo können sie zum Arzt? Wo gibt es für die Kinder den Kindergarten oder die Schule? Haben sich die Flüchtlinge ein wenig eingelebt, werden andere Fragen gestellt: Dann geht es um Deutschkurse, um Asylanträge, um Jobfragen oder familiäre Dinge: „Ich vermisse meine Familie“, hört Schwizler sehr oft. Man will von ihr wissen, wie der Familiennachzug funktioniert. Sie wurde auch schon über Heiratsanträge befragt. Wichtig sei aber, eine gewisse Distanz zu wahren.

Die Gastfreudschaft der Flüchtlinge ist groß. Meist werde den beiden bei ihren Besuchen etwas angeboten. Einen Tee gibt es immer. „Würde ich jeden Tee trinken, könnte ich nachts nicht mehr schlafen“, erzählt Keßler. Wie laufen eigentlich die Unterhaltungen ab? „Die meisten können inzwischen recht gut Deutsch“, berichtet Schwizler. Oder man behilft sich mit Englisch und Dolmetschern. „Ansonsten wie überall auf der Welt: Mit Händen und Füßen“, Schwizler lacht.

Die meisten Flüchtlinge im Horber Raum kommen aus Syrien. Es gibt auch viele aus dem Irak, aus Afghanistan und Nigeria. Die Asylbewerber aus dem Westbalkan haben abgenommen. Wie leben diese unterschiedlichen Menschen hier zusammen? „Wir achten bei der Belegung darauf, dass es passt“, sagt Keßler. So würde man beispielsweise keine Familie mit einem einzelnen Mann zusammen in einer Wohnung unterbringen. Auch Wünsche würde man versuchen zu berücksichtigen. Oder auf religiöse Unterschiede achten. Doch nicht immer können sie auf alles eingehen. Schwizler nennt ein Beispiel: „Sunniten und Schiiten werden vielleicht nicht die besten Freunde. Aber sie bekämpfen sich hier nicht. Sie sind einfach froh, hier zu sein.“ Keßler nickt: „Sie sind froh, ein Dach über dem Kopf zu haben und keinen Krieg mehr zu erleben.“

Siehe auch der Artikel „Angespannte Ruhe“ auf der übernächsten Seite

In der Ihlinger Straße wohnten anfangs 24 Flüchtlinge. Inzwischen sind es neun, alle haben einen positiven Asylbescheid.

In der Ihlinger Straße wohnten anfangs 24 Flüchtlinge. Inzwischen sind es neun, alle haben einen positiven Asylbescheid.

Flüchtlingssituation im Landkreis

Das Landratsamt Freudenstadt hat im Landkreis 130 Flüchtlings-Unterkünfte, darunter zehn Gemeinschaftsunterkünfte. Da die Flüchtlingszahlen momentan zurückgehen, wurden geplante Neubauten wie in Horb auf Eis gelegt. Derzeit gibt es laut Auskunft von Sachgebietsleiter Benjamin Geigl vom Landratsamt Freudenstadt 160 freie Plätze im Landkreis Freudenstadt. Auf 800 Plätze könnte aufgestockt werden, wenn beispielsweise Hotels wie der Sattelacker Hof in Lützenhardt belegt werden würden. Das Landratsamt versucht auch gerade wieder Wohnungen abzustoßen, berichtet Geigl. Das soll flächendeckend im Landkreis erfolgen. Priorität hat die Schließung der Notunterkunft in Talheim. „Der Vertrag läuft noch bis Ende Oktober, dann soll sie geschlossen werden“, sagt Geigl. Inzwischen haben alle Bewohner dort einen Asylantrag gestellt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wird laut Geigl wohl noch vor den Sommerferien eine Entscheidung treffen. Ende April wohnten in den Unterkünften der vorläufigen Unterbringung des Landkreises zirka 1420 Personen. Ein Drittel hat inzwischen einen positivem Asylbescheid. Damit ist das Landratsamt nicht mehr für die Unterbringung zuständig, sondern die Stadt Horb. Außerdem können die Flüchtlinge nun ihren Wohnort selbst wählen. „70 Prozent mit positivem Asylbescheid wollen den Landkreis verlassen“, sagt Geigl. Allerdings ist gerade ein Gesetz in Vorbereitung, das die freie Wohnortswahl wohl verbieten wird. Denn, so Geigl, viele Flüchtlinge zieht es in die Ballungszentren. Die Bundesregierung erhofft sich von diesem neuen Gesetz eine bessere Verteilung der Flüchtlinge in der Republik.

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Erstellt:
24.06.2016, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 24.06.2016, 01:00 Uhr

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