Sommergeschichte

Eismänner aus der Neckarstraße

Familie Fradella aus Sizilien versteht ihr Eis-Handwerk und gibt dieses nun an die dritte Generation weiter. Die SÜDWEST PRESSE besuchte die Eismänner aus der Neckarstraße.

17.08.2017

Von Willy Bernhardt

Sie haben Eis und gutes Essen zu ihrem Lebensinhalt gemacht: Die Fradellas mit Lillo, „Mama“ Carmela und Dino. Bilder: Kuball

Sie haben Eis und gutes Essen zu ihrem Lebensinhalt gemacht: Die Fradellas mit Lillo, „Mama“ Carmela und Dino. Bilder: Kuball

Wir stehen am Samstagnachmittag in der Eis-Produktionsstätte der Familie Fradella in der Neckarstraße. Mama Carmela war extra zuvor beim Frisör („Wenn Charly von der Zeitung kommt“) und Sohn Lillo (heißt eigentlich „Calogero“) und Carmelas Enkel Dino haben der SÜDWEST PRESSE versprochen, diese in die Kunst des Eismachens einzuweihen. Und zwar in die Art, wie die Familie Fradella selbst nun schon in der dritten Generation Eis selbst produziert. „Herr Becke hat uns damals den Raum in der alten Metzgerei vermittelt, in dem wir seither unser Eis machen“, sagt Carmela, die in Horb von allen nur liebevoll „Mama“ genannt wird. Wobei der Dialekt ihrer geliebten sizilianischen Heimat unschwer herauszuhören ist. Hochachtungsvoll meint sie mit „Herr Becke“ den inzwischen verstorbenen Fahrrad- und Nähmaschinen-Spezialisten Heinz Beck, der von Beginn an Stammkunde in der von der Familie Fradella betriebenen und vor knapp 20 Jahren in der Neckarstraße neu aufgemachten „Dolcetto Bar“ war.

Zuerst führen uns Lillo (52) und und sein Sohn Dino (25) in die Kältekammer des komplett ausgekachelten Produktionsraumes. Dort stapeln sich Eimer um Eimer mit wertvollem Inhalt. Einer etwa mit naturreiner Pistazienmasse kostet allein schon im Einkauf 48 Euro – pro Kilo.

Seit 1962 in Deutschland

„Die Firma Elenka aus Palermo gibt es seit 1959 und seit wir selbst Eis machen, ist die unser verlässlicher Lieferant“, erklärt Lillo und verweist auf andere Köstlichkeiten in den Eimern wie Amarena-Kirschen, Kokos, aber auch natürlich Vanille und Kakao. „Das ist alles ohne Zucker und wir verwenden für die Herstellung von unserem Milcheis kein Pulver“, ergänzt Dino. Dem obliegt es als Vertreter aus der dritten Fradella-Generation, das von Großvater Luigi, besser bekannt in Horb unter dem Kosename „Papa“ und vor drei Jahren verstorben, quasi das „Eis-Erbe“ fortzuführen.

Die Familie Fradella hat ihre Wurzel in Sizilien und stammt aus der Gegend um die geheimnisumwitterten Hauptstadt Palermo. Wie so viele andere Landsleute in den 1960er- und frühen 1970er-Jahren zog es auch Luigi Fradella und seine Carmela in jener Zeit nach „Germania“, in dem der Begriff „Wirtschaftswunder“ zum Zauberwort für die ärmere Bevölkerung aus dem Süden Italiens geworden war. „Papa“ Fradella zog es 1962 nach Saarbrücken ins Saarland, wo er harten Jobs als Montagearbeiter nachging. Acht „verdammt harte Jahre“, wie sich „Mama“ Fradella erinnert. Bis dann im Jahre 1970 dort die Entscheidung fiel, sich selbstständig zu machen – und zwar mit einem Eiscafé. Luigi und Carmela waren inzwischen Mann und Frau und das Eiscafé wurde auf den Namen „Mondello“ getauft, einer Stadt bei Palermo.

„Eis machen ist heute ganz anders. Damals holte man auf dem Bauernhof frische Milch und Eier und die dienten dann mit als Grundlage für das Milcheis“, erzählt Lillo und deutet auf einen Stapel abgepackter Zehn-Liter-Milchkartons. „Wir berufen uns bei unserer Eisherstellung auf alte Rezepte, wobei wir Neuerungen gegenüber natürlich immer aufgeschlossen sind“, ergänzt der „Porto Neckar“-Chef, der ins Eis machen genau so hineingeboren wurde, wie nun wiederum sein Sohn Dino. Vater und Sohn Fradella führen uns die Produktion eines Milcheises mit Granat-Apfel vor, „einem Fiore di Latte mit einer besonderen Milchblume“, wie Dino seinen Vater Lillo sekundiert. Die Grundmasse für Eis als solches sei ähnlich zu einem Pizzateig – fast immer gleich. „Dann kommen Milch und Zucker und weitere Zugaben dazu, die ich aber nicht preisgeben will“, sagt Lillo mit viel sizilianischem Charme. Zehn Sorten Eis – 60 Kilogramm schwer – lagern in Eiswannen im Kühlschrank. Noch am selben Tag geht ein großer Teil in das Sulzer Eiscafé „Roma“, welches die Fradellas nun seit genau zehn Jahren regelmäßig beliefern.

Anfang der 1970er-Jahre haben es Papa und Mama Fradella eilig in Sachen Familiengründung. Zuerst erblickt Tochter Asunda, jetzt 54 Jahre alt, das Licht der Welt. Dann folgen Toto (53), Lillo (52), Maria (51) und dann noch „Nesthäkchen“ Gaetano (48). „Alle bei uns haben Gastronomie-Erfahrung“, sagt Lillo. Unter anderem führte Toto 16 Jahre lang bis zu seiner Erkrankung erfolgreich die Pizzeria und und das Eiscafé „Venecia“ (Venedig) in Ludwigshafen am westlichen Bodensee.

1977 zog die Familie dann von Saarbrücken nach Tuningen bei Villingen im Schwarzwald-Baar-Kreis, bis wohin es sich schon herumgesprochen hatte, welch‘ qualitativ sehr gutes Eis die Familie Fradella aus Sizilien zu produzieren imstande ist. Aus einem Verkaufs-Eiswagen, wie sie in jener Zeit noch vielfach in deutschen (Klein-)Städten vorzufinden waren, wurden schnell zehn und zur Hochblüte waren es 23 VW-Busse in Eiswagen-Ausführung, welche die Fradellas raus in die Region schickten. Die VW-Busse waren im Übrigen allesamt mit Glocken ausgestattet „und ich hatte die größte Glocke von allen“, erinnert sich Lillo an diese Zeit. „Das wollte mein Papa so haben, damit ich einen langen Arm kriege.“

Die erste Maschine, in welche die „Grundmasse“ mit Milch, Zucker und weiteren Zugaben zunächst gelangt, wird bis auf 85 Grad Celsius erhitzt und dann automatisch herunter auf Null Grad gekühlt, lernen wir und in dem daneben postierten „Eismixer“ wird diese Masse, „versehen mit der jeweiligen Paste“ (in unserem Falle dem „Granat-Apfel“) gemixt.

Wir erfahren auch, dass das Schokoladeeis auf minus 60 Grad und die Granat-Apfel-Version bis auf minus 24 Grad Celsius heruntergekühlt wird. Zumindest das erklärt Lillo mit Blick auf den physikalischen Vorgang dabei: „Wenn das Eis erst kristallisiert ist, entfacht es erst seinen besonderen Geschmack.“

Seit fünf Jahren im Porto Neckar

Damals lieferten die Fradellas mit ihren VW-Eisbussen bis nach Horb und dort zu ihrem Landsmann Lucio, der bis vor über 20 Jahren eine Pizzeria in der Horber Hirschgasse betrieb und inzwischen im einstigen „Maier“ in Nordstetten seine Zelte aufgeschlagen hat.

Lucio ging auch als erster Fahrer eines roten Ferraris in die jüngeren Geschichte Horbs ein. Die hiesige Ecke war den Fradellas also vertraut, als sie ausgangs des letzten Jahrtausends beschloss, ihren Lebensmittelpunkt von Tuningen nach Horb zu verlegen. Dass ihre „Dolcetto-Bar“ recht schnell Kult-Status erlangte, lag auch an dem guten Eis.

Vor sechs Jahren hatte die Familie Fradella dann die Chance, nach viel Tohuwabohu mit diversen Vorpächtern am Alten Freibad ihr „Porto Neckar“ zu etablieren. Als Luigi „Papa“ Fradella vor drei Jahren starb, war sein Wunsch, dass Lillo die Fradella-Eistradition am Leben hält. Der gab seinen Job als Karosserie-Spezialist in Stuttgart auf und übernahm die Verantwortung.

Um diese dann später einmal auch in die richtigen Hände weiter zu geben wurde nun sein Sohn Dino mit ins Boot genommen und damit das Familienerbe weitergeführt. Dann sagt Lillo einen Satz, der jedem Horber wirklich zu denken geben müsste: „Wenn man sieht, was aus der ‚Buß‘ geworden ist und hört, dass sich auch das ‚Schiff‘ und die ‚Germania‘ ernsthafte Gedanken über den Fortbestand ihrer Traditionslokale machen, dann freuen wir uns wenigstens, dass die Familie Fradella in Sachen Eis fortbestehen wird.“

Der Erstellungsprozess von gutem Eis, braucht seine Zeit.

Der Erstellungsprozess von gutem Eis, braucht seine Zeit.

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Erstellt:
17.08.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 32sec
zuletzt aktualisiert: 17.08.2017, 01:00 Uhr

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