„Die letzen Mohikaner“ gehen

Ende der Produktion bei Möbel Wössner – Zukunft für zahlreiche Mitarbeiter ungewiss

Es war ein Schock. Gislinde Sachsenmaier vom HGV bezeichnete es als den größten Wermutstropfen für die Wirtschaft der Neckarstadt im vergangenen Jahr. 110 Arbeitsplätze – weg. Ausgelagert nach Bosnien. Möbel Wössner– ein Traditionsunternehmen verabschiedet sich. Gestern verließen einige der letzten Produktionsmitarbeiter das Werk.

01.10.2016

Von Benjamin Breitmaier

Ein letztes Mal ziehen einige Mitarbeiter über das Wössner-Gelände. Mit dabei haben sie einen Wagen, des sanften Protests. Bilder: bbm

Ein letztes Mal ziehen einige Mitarbeiter über das Wössner-Gelände. Mit dabei haben sie einen Wagen, des sanften Protests. Bilder: bbm

Sulz. Es ist leer geworden in der Halle. Die Produktion schläft seit Beginn der Sommerpause quasi gänzlich. Es waren harte Monate für die Belegschaft. Jeden morgen zur Arbeit gehen, ohne das Gefühl zu haben, dass es überhaupt noch Sinn macht. Nicht wissen, was ab Oktober wird, wenn in der Hartensteinstraße 25 auf Sulz Kastell quasi alles still steht. Hinten in der Halle sitzen acht Personen. Lachen – trotz des eher traurigen Anlasses. Wirklich wütend ist hier niemand, aber still und leise einfach die Sachen packen – das kommt nicht infrage. Sie haben hier geschuftet – 41 Jahre, 43,5 Jahre, 34 Jahre, haben sich mit dem Unternehmen identifiziert. Jetzt steuern sie in ein schwieriges „Weiß ich nicht.“ Jobsuche mit knapp 60 – irgendwo zwischen noch einmal neu beginnen und einem Bein im Ruhestand. „Also Abdul, bis irgendwann mal“, ruft Uwe Effringer seinem Kollegen hinterher. 27 Jahre hat er hier gearbeitet, wie für die andern ist es sein letzter Tag. Wie es weiter geht? Effringer, ist sich nicht sicher. Wie viele andere ist er zunächst für zehn Monate in einer Transfergesellschaft des Personalvermittlers „Mypegasus“ mit Hauptsitz in Reutlingen aufgehoben. Danach wartet bisher das große Unbekannte. Am kommenden Mittwoch gibt es bei einem Treffen Details über das weitere Verfahren.

Viele hier können es immer noch nicht verstehen, warum jetzt Arbeiter im bosnischen Visoko ihren Job machen. Ein Wagen mit Schild gibt Zeugnis von ihrem Protest: „Die letzten Mohikaner, auf dem Weg ins Reservat“, steht hier auf einer Seite. „Arbeiter weg, nur die Bosse nicht“, auf der anderen. Die letzte Minute ist vorbei, 12 Uhr – Schichtende, zum letzten Mal.

„Bis auf den Schluss wars gut“, sagt Karl-Heinz Maier, 41 Jahre im Betrieb. „Wäre alles normal gelaufen, wäre das nicht nötig gewesen“, meint er zu dem massiven Personalabbau. „Ich bin froh, dass das Theater der Tränen jetzt vorbei ist“, ergänzt Horst Schittenhelm, 43,5 Jahre im Betrieb. Er ist fast 60, seine Jobperspektiven sind noch unklar. „Zwei Jahre hätte ich noch gut gemacht“, Dietmar Zündl schaltet sich in das Gespräch mit ein. Er war 34 Jahre im Betrieb.

Der Tross zieht über die Grenze der Firma. Die ersten Biere werden geöffnet. Die Stimmung ist trotz Ungewissheit gehoben. „Jetzt geht es nach Vöhringen“, sagen sie. „Dann werden wir sehen, was der Tag bringt.“

„Die letzten Mohikaner“ posieren noch einmal vor dem Firmengelände.

„Die letzten Mohikaner“ posieren noch einmal vor dem Firmengelände.

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Erstellt:
01.10.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 14sec
zuletzt aktualisiert: 01.10.2016, 01:00 Uhr

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