Schulen

Erinnerungen an das Kinderlachen

In den 1950er-Jahren erbaut, durchliefen tausende Schüler die alte Schule in Talheim. Nun wird das Gebäude auf den Abriss vorbereitet. Die SÜDWEST PRESSE blickt mit Marianne Hötzel, mehr als 40 Jahre Lehrerin in Talheim, auf eine belebte Zeit zurück.

08.12.2017

Von Maik Wilke

Der Treppenaufgang zum Eingang in die alte Talheimer Schule ist bereits abgesperrt. Der Abriss des Gebäudes steht kurz bevor. Bilder: Kuball

Der Treppenaufgang zum Eingang in die alte Talheimer Schule ist bereits abgesperrt. Der Abriss des Gebäudes steht kurz bevor. Bilder: Kuball

Schritt für Schritt geht Marianne Hötzel die Stufen zum Eingang hinauf. Sie schaut nach oben. Der Blick auf die alte Schule in Talheim weckt bei der 71-Jährigen viele Erinnerungen. „Jedes Mal, wenn ich hier entlang laufe, höre ich noch die Kinderstimmen, das unbeschwerte Lachen aus den Fenstern der Klassenzimmer.“ Doch die verwucherten Hecken, der bröckelnde Putz sowie die eingeworfenen Fensterscheiben holen Hötzel, die mehr als 40 Jahre lang Lehrerin in Talheim war, in die Gegenwart zurück. Der Abriss des von 1950 bis 1952 erbauten Gebäudes ist unausweichlich.

Hötzel kennt jede Ecke des Gebäudes in der Keplerstraße 11. Zu jeder Wand, jedem Fenster, jedem Raum fällt ihr eine Anekdote ein. Auf dem Pausenhof jedoch überkommt sie ein „komisches“ Gefühl: „Früher herrschte hier fröhliches Treiben. Es ist so leer, so traurig ohne das junge Leben.“ Nach dem Erweiterungsbau der Steinachtalschule und dem Neubau im Turnhallenweg stand die Schule seit 2010 leer, von Oktober 2014 bis September 2016 wurden hier Flüchtlinge untergebracht. Mittlerweile scheint das alte Schulgebäude nur noch Ziel von Randalierern zu sein: Die Fenster auf der Rückseite des Gebäudes sind reihenweise eingeworfen, unter dem Dachvorsprung zeugen verbrannte Stuhlbeine davon, dass jemand mit alten Stühlen aus den Klassenzimmern ein Feuer entzündet hat. „Es ist einfach unglaublich schade, was mit dem Gebäude passiert“, sagt Hötzel. „Der Abriss kommt also zur rechten Zeit – auch wenn ich niemals dabei zuschauen kann.“

Die ehemalige Lehrerin erinnert sich lieber an die schönen Jahre – und hat dabei so manches Schmankerl zu erzählen. Die aus den 1950er-Jahren stammenden Außentoiletten seien nicht nur ein stiller Rückzugsort gewesen: „Wenn einer unartig war, hat der Pfarrer gerne auch mal einen Eimer kaltes Wasser genommen und von der Empore aus auf den Schüler geschüttet“, erzählt Hötzel – und grinst dabei. Denn obwohl die 71-Jährige oft als strenge Lehrerin bezeichnet wurde und selbst sagt, dass ihr Ordnung und Regeln wichtig seien, habe sie hier mit den Kindern viel Spaß gehabt. „Die Erstklässler haben am ersten Schultag von ihren Eltern oft gehört: ,Bei der Hötzel, da musst du brav sein‘“, erzählt die Talheimerin. „Doch nach 14 Tagen, als die Kinder merkten, dass ich gar nicht so streng bin, haben wir so manchen Blödsinn gemacht.“

So hat Hötzel auch für den ein oder anderen juckenden Schülerrücken gesorgt. Den Trick, die Kerne der Hagebutte als Juckpulver zu verwenden, hatten die Talheimer Mädchen und Buben von ihr. Hinzu kamen Schulfeste, die gemeinsam mit dem Talheimer Männergesang-, dem Musik- und dem Theaterverein zelebriert wurden. „Die hatten alle im zweiten Stock ihre Proberäume, haben gesungen und musiziert“, sagt Hötzel. „Auch deshalb herrschte in diesem Haus immer Leben und viel Freude.“ Eine weitere Nutzung, von der wohl selbst viele Talheimer kaum mehr wissen: Das Schulhaus war auch Badeort. In den Anfangsjahren konnten Bürger hier samstags für 50 Pfennig ein Bad nehmen.

Künftige Nutzung noch offen

Was künftig auf dem Areal am Talheimer Hang entsteht, ist noch offen. Eine Option, die sowohl im Ortschaftsrat als auch im Gemeinderat diskutiert werden wird, ist die eines Betreuten Wohnens. Das fände auch Hötzel eine gute Alternative: „Viele ältere Talheimer würden eine Unterkunft hier einer in Horb vorziehen, weil sie hier beheimatet sind und ihre Freunde besuchen können.“

Allerdings ist auch eine „Nachnutzung für Wohnbauzwecke“, wie es seitens der Stadt bereits im Dezember 2016 hieß, eine Möglichkeit. Was dies konkret bedeutet, wird sich wohl nach dem 177 000 Euro teuren Abriss, der in den kommenden Wochen beginnt, zeigen. Klar ist: Kinderlachen ist seit der Verlagerung der Schule ins untere Talheim nicht mehr zu hören – außer in den schönen Erinnerungen, die Marianne Hötzel gerne teilt.

Die Fenster auf der Rückseite sind reihenweise eingeworfen, auch der Kamin hat seine besten Zeiten hinter sich.

Die Fenster auf der Rückseite sind reihenweise eingeworfen, auch der Kamin hat seine besten Zeiten hinter sich.

Die Ziffern, die die Bauzeit angeben, sind inzwischen vom Hauseingang verschwunden.

Die Ziffern, die die Bauzeit angeben, sind inzwischen vom Hauseingang verschwunden.

Zum Artikel

Erstellt:
08.12.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 56sec
zuletzt aktualisiert: 08.12.2017, 01:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Newsletter Recht und Unrecht
Sie interessieren sich für Berichte aus den Gerichten, für die Arbeit der Ermittler und dafür, was erlaubt und was verboten ist? Dann abonnieren Sie gratis unseren Newsletter Recht und Unrecht!