Blick in die Ferne

FDP-Landtagskandidat Dr. Timm Kern und seine Chancen auf einen Ministerposten

Seit fünf Jahren sitzt Dr. Timm Kern (43) im Landtag von Baden-Württemberg. Überraschenderweise ging es für den FDP-Politiker damals in die Opposition. Nach der Wahl am 13. März könnte dem Bildungsexperten mit etwas Glück nun jedoch ein Ministersessel winken.

18.02.2016

Von Vincent Meissner

Auf der Suche nach dem Schulfrieden: Dr. Timm Kern (FDP) beim Gespräch mit der SÜDWEST PRESSE in seinem Elternhaus in Ihlingen.Bild: Kuball

Auf der Suche nach dem Schulfrieden: Dr. Timm Kern (FDP) beim Gespräch mit der SÜDWEST PRESSE in seinem Elternhaus in Ihlingen.Bild: Kuball

Ihlingen. Timm Kern empfängt in seinem Elternhaus, hoch oben am Hang in Ihlingen. Die Aussicht reicht weit hinunter ins Neckartal. Hier kann man den Blick und die Gedanken schweifen lassen. In diesem Haus ist Timm Kern aufgewachsen. Und hier lebte er, als er seine Zuneigung zur FDP entdeckt hat. Der Horber Alt-OB Michael Theurer und Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher hatten es ihm angetan. Die Eltern, beide Lehrer, waren zwar politisch interessiert. „Ein liberales Elternhaus“, nennt es Kern. Allerdings waren sie lange in keiner Partei. Erst nach der Bundestagswahl 2013, als die FDP aus dem Parlament flog, sind sie in die FDP eingetreten.

Kern sitzt im Esszimmer-Tisch im elterlichen Haus. Er ist nun zu Besuch hier. Denn inzwischen wohnt er mit seiner Frau und den beiden Kindern in Tübingen. Zum Studium ging er in die Unistadt. Allerdings, sagt Kern: „Ich betrachte mich als Horber. Das ist meine Heimatstadt.“ In Horb saß er im Gemeinderat, hat Handball und Tennis gespielt und in Rexingen im Musikverein auf der Klarinette und dem Flügelhorn musiziert. Ein Umzug zurück nach Horb war auch nach seiner Wahl kein Thema: „Ich hätte meine Familie ja aus sämtlichen sozialen Bindungen rausgerissen“, sagt er. „Und ich will meine Familie nicht in die Politik mitreinziehen. Außerdem nehmen die Menschen im Landkreis meine Aktivitäten hier schon wahr.“

Seine Aktivitäten beschränken sich jedoch nicht auf Besuche von Hocketsen und Firmen in der Gegend. Der Gymnasiallehrer („Für mich ein Traumberuf“) hat sich als bildungspolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion einen Namen gemacht. Nach der Wahl 2011 ging’s für ihn und die FDP zwar überraschend in die Opposition. Doch nun hat Kern sogar eine kleine Chance auf einen Ministerposten. Allerdings macht Kern auf Pokerface: „Sie fragen jetzt schon nach einem Amt“, sagt er. „Ich will erst mal die Wahl im Landkreis Freudenstadt erfolgreich bestreiten. Das ist Ziel Nummer eins. Und Ziel Nummer zwei ist ein Bildungspolitik-Wechsel.“ Ein Dementi hört sich jedenfalls anders an.

Zurückhaltung bezüglich

möglicher Koalitionen

Klar ist, dass sich Kern als Bildungspolitiker hervorgetan hat. Sein Vorschlag zum Schulfrieden – einem Angebot an alle Landtagsfraktionen gemeinsame Leitlinien in der Bildungspolitik zu suchen – hat landesweit für Aufsehen gesorgt – auch wenn die CDU das Ansinnen boykottiert hat. Sollte die FDP an die Regierung kommen, wäre es möglich, dass sie das Kultusministerium zugesprochen bekommt. Und dann wäre Kern sicherlich im engeren Kandidatenkreis auf den Ministerposten.

2011 hatte Kern im Regierungsbezirk Karlsruhe mit 7,6 Prozent das beste Ergebnis für die FDP eingefahren – noch vor dem jetzigen FDP-Spitzenkandidaten und Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. Landesweit waren es 2011 5,3 Prozent für die FDP. Diesmal geht Kern ganz optimistisch von einem besseren Landesergebnis aus: „7 plus X“, sagt er. Und wer regiert mit wem? CDU und SPD oder CDU und Grüne wären wohl möglich. Dann wäre die FDP wieder in der Opposition. Wie wär’s mit Grünen, SPD und FDP? „Da bin ich sehr zurückhaltend“, sagt Kern. Auch eine von Michael Theurer thematisierte Deutschland-Koalition aus CDU (schwarz), SPD (rot) und FDP (gelb) sieht er skeptisch. Er hofft, dass es doch irgendwie für CDU und FDP reicht.

Kerns Lieblingsthema:

die Bildungspolitik

Doch lieber als über mögliche Koalitionen und Posten redet Kern im Wahlkampf über sein Spezialthema – die Bildungspolitik. Und wenn er da mal anfängt, ist er schwer zu stoppen. Kern vergleicht die Bildungslandschaft im Land gerne mit einem Garten: Die grün-rote Landesregierung sei da mit dem Schaufelradbagger durchgepflügt. Dass Änderungen im Bildungssektor nötig waren, das bestreitet er nicht. Der Nachholbedarf bei der frühkindlichen Betreuung und der Ganztagsschule sei groß gewesen. Für die Arbeiten im Bildungsgarten hätte Kern allerdings statt des Schaufelradbaggers einen Spaten für kleinere Korrekturen empfohlen.

Nach der Wahl will Kern einige von Grün-Rot verantworteten Änderungen korrigieren: Die Grundschulempfehlung will er zurück, damit die Schulen wissen, auf welche Schüler sie sich einlassen. Bei der Ganztagsschule strebt er ein flexibleres Wahlrecht der Eltern an, als die Regierung das vorhat. Und das gegliederte Schulsystem mit Gymnasium, Real- und Werkrealschule will er beibehalten. Wie übrigens auch die von Grün-Rot eingeführte Gemeinschaftsschule: „Wir wollen nicht eine Schule für alle, sondern die passende Schule für jedes Kind“, sagt Kern.

Und Kern gibt hier oben, hoch überm Neckartal, auch einen Einblick in seine visionären Vorstellungen zur Bildungslandschaft: Ihm schwebt vor, auf Landkreisebene sogenannte Bildungsregionen einzuführen. Als Vorbild dient ihm die Bildungsregion Ortenau, ein Verein, der Bildungspartner vernetzt. In diesem Rahmen kann dann etwa besprochen werden, wo Ganztagesangebote gebraucht werden und wo nicht. Ein Bildungsatlas zeigt, wo es welche Bildungseinrichtungen gibt. So will Kern ganz nebenbei ein Grundproblem der Bildungspolitik beheben, das er so formuliert: „Was für Mannheim richtig ist, ist noch lange nicht richtig für Horb.“

Visionär wird Kern, wenn es um den Landkreis Freudenstadt geht: Um im Wettbewerb mit den umliegenden Kreisen bestehen zu können, fordert er ein Leitbild. So etwas vermisst er bislang. Zu groß sei immer noch der Argwohn zwischen Freudenstädtern und Horbern. Vielleicht seine größte Herausforderung.

Kurzvita Dr. Timm Kern

1972: Geboren in Tübingen

1991 Abitur am Martin-Gerbert-Gymnasium Horb

1992 - 2001: Studium Katholische Theologie, Geschichte und Politikwissenschaft in Tübingen

1994 - 2002: Gemeinderatsmitglied in Horb, ab 1995 Fraktionsvorsitzender der FD/FW

1997/98: Auslandsaufenthalt in Washington DC

1999 - 2002: Kreistagsmitglied

2005 - 2007: Referendariat und Zweites Staatsexamen

2007 Promotion in Politikwissenschaft „Die ,Abwahl‘ von (Ober-)Bürgermeistern in Baden-Württemberg (1973-2003) ab 2007 Lehrer am Reutlinger Friedrich-List-Gymnasium

ab April 2011: Landtagsabgeordneter

ab November 2012: Kreisvorsitzender der FDP Freudenstadt

ab August 2013: Parlamentarischer Geschäftsführer und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP/DVP-Landtagsfraktion

Timm Kern ist verheiratet und hat eine Tochter (14) und einen Sohn (12)

Zum Artikel

Erstellt:
18.02.2016, 10:30 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 55sec
zuletzt aktualisiert: 18.02.2016, 10:30 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Newsletter los geht's
Nachtleben, Studium und Ausbildung, Mental Health: Was für dich dabei? Willst du über News und Interessantes für junge Menschen aus der Region auf dem Laufenden bleiben? Dann bestelle unseren Newsletter los geht's!