Zirkus

Feuerwerk aus Show und Akrobatik

Beim Zirkus Charles Knie, der ab heute auf dem Horber Festplatz seine Manege öffnet, jagt ein Höhepunkt den nächsten.

11.08.2017

Von Gerd Braun

Krönung einer rasanten zweieinhalbstündigen Show: Mit Akrobatik im Adagio-Tempo beeindrucken die Messoudi-Brothers.Bild: Kuball

Krönung einer rasanten zweieinhalbstündigen Show: Mit Akrobatik im Adagio-Tempo beeindrucken die Messoudi-Brothers.Bild: Kuball

Glaubst Du nicht! Da hat sich ein erwachsener Typ in eine Umzugskiste gequetscht. Sagt der eine. Soso. Sagt der andere und denkt: Der spinnt doch. Das geht ja gar nicht. Oder vielleicht doch? So viel sei verraten: Eine klassische Umzugskiste ist es nicht, die in Cesar Pindos Darbietung ein zentrale Rolle spielt. Die Dimension aber passt. Und: Schon der Anblick dessen, was Pindo da macht, lässt beim Betrachter den Ischias klemmen, und man fragt sich, ob dieser Mann überhaupt Knochen hat.

Wenn ein Zirkus eine solche Körper-Verwindungs-Nummer an Position zwei seiner Show stellt, dann ist das entweder eine Dummheit – oder aber selbstbewusst professionelles Kalkül, weil klar ist: Da kommt noch viel, viel mehr. Dumm ist man beim Zirkus Charles Knie, der heute um 16 Uhr auf dem Horber Festplatz seine 2017er-Premiere in der Stadt gibt, sicher nicht. Der Anspruch ist es, das Renommee eines der absoluten Top-Unternehmen europaweit nicht nur, aber gerade in der Manege erlebbar zu machen.

Saison für Saison arbeiten Zirkusdirektor Sascha Melnjak und sein Team intensiv an Melnjaks Vision, die im Programmheft treffend so formuliert ist: „Eine kurzweilige, temporeiche Show, die alle Altersgruppen anspricht und ausschließlich international preisgekrönte Artisten präsentiert“, und das „umrahmt von einem Live-Orchester und einem Show-Ballett“.

„Euphoria“ bringt es auf den Punkt

Im Programm der aktuellen Saison wird genau dies umgesetzt, und sogar noch mehr. Dass ein Zirkus eine Live-Sängerin einsetzt, ist gewiss außergewöhnlich, aber gerade das macht einen Teil der Einzigartigkeit aus: Aus St. Petersburg stammt die Sängerin Elena, die im abschließenden Song „Euphoria“ die
Emotionen der Besucher beim Namen nennt.

Zweieinhalb Stunden inklusive 20-minütiger Pause zum Durchschnaufen reihen sich immer wieder neue und überraschende Höhepunkte aneinander, und am Ende stellt man fest: Die gewaltigen Tiernummern, mit denen der Zirkus Charles Knie noch vor zwei Jahren in Horb aufwartete – Elefanten, Seelöwen und die Raubtiere, angeführt von imposanten Ligern, – vermisst man überhaupt nicht.

Gewiss, Tiere spielen allen Peta-Aktivitäten zum Trotz auch weiterhin eine Rolle im Programm. Immerhin ist Chefdresseur Marek Jama durch seine Auszeichnung mit dem Silbernen Clown beim 41. Zirkusfestival von Monaco zu einem Aushängeschild des Zirkus Charles Knie avanciert. Schon 2015 hatte er im Rund der Manege Kamele, Zebras, Büffel mit gewaltigen Hörnern, Pferde und anderes mehr dirigiert. Kenner sehen aber schnell, dass er die Choreografien seither weiterentwickelt hat. Mit der orientalisch phantasievoll dargebotenen Nummer zum Auftakt in die zweite Hälfte der Show transportiert Marek Jama die hohe Schule der
Reitkunst und beweist damit zugleich seine Vielseitigkeit im Umgang mit Tieren.

In der Abteilung Tierdressur ist auch Jochen Träger-Krenzola aktiv, und er ist, mit Tieren zwei Nummern kleiner als Jamas, nicht minder vielseitig unterwegs. Neben einer Vielzahl an Laufenten und bis zu neun Schweinen auf einmal wartet er mit Hunden, unterschiedlichsten Vogelarten und sogar einem Fuchs auf, der einen Wagen, besetzt mit einer Gans, schiebt. Für viele Haustierfreunde dürfte es aber eines der größten Rätsel sein, wie es der deutsche Tierlehrer geschafft hat, die beiden Hauskatzen, die ja bekanntlich meist überaus eigenwillig sind, so zu dressieren, dass diese seine Darbietung nicht sprengen.

Atemberaubende Kraft, beeindruckende Körperbeherrschung und eine stimmige Choreografie krönen die Zirkusvorstellung, wenn die Messoudi-Brothers im „Adagio-Tempo“ immer wieder neue Figuren und lebende Skulpturen bilden. Längst vergessen ist bis dahin, dass man die Gesichter noch vom Beginn der Vorstellung kennen könnte. Denn bei ihrer Jonglage-Darbietung, bei der die Bälle und Keulen nur so durch die Luft wirbeln, ist eine ganz andere Art von Tempo und Koordination
gefragt.

Immer wieder aufs Neue faszinierend sind die Könige der Lüfte in der Manege, die Trapez-Artisten. Beim Zirkus Charles Knie ist für diesen Part die Formation Flying Wulber zuständig. Sie machen hoch oben, direkt unterm Zeltdach nicht nur mächtig Stimmung, sondern schwingen auch ebenso gewagt wie kontrolliert durch die Lüfte. Höhepunkt der Nummer: Dreifach-Saltomortale, gelegentlich noch garniert mit doppelter Pirouette. So viele Drehungen um die Quer- und Längsachse des Körpers kann man eigentlich gar nicht verdauen – erst recht nicht gut zehn Meter über den Köpfen des gebannten Publikums.

Sehr viel erinnert nicht an die Vorstellung des Zirkus Charles Knie vor zwei Jahren beim Gastspiel in Horb. Am ehesten vielleicht noch die Rollschuh-Akrobatik des Duos Medini, die gewiss dem auserwählten Herrn im Gedächtnis bleibt, dem in diesem Fall von der Dame eine rote Blume überreicht wird.

War noch was? Ach ja, der Clown

Hätten wir alles, wären wir durch. Oder? Etwa noch etwas vergessen? Aber natürlich! Kein Zirkus ohne Clown. In dem tempogeladenen Programm, in dem die Requisiteure Schlag auf Schlag eine Performance nach der nächsten vor- und nachbereiten, sind neben den immer wieder imposant kostümierten Charles-Knie-Dancers – allesamt weiblich – der „Prince of Clowns“, wie im Programmheft zu lesen ist, der Rote Faden. Aus Venezuela stammt Clown Henry – in seiner Heimat ist er längst ein Star. In Horb wird er es bei allen, die eine der Vorstellungen des Zirkus Charles Knie besuchen, hinterher sein. Der spontane Spaßvogel versteht es bestens, das Publikum in seine Darbietungen zu integrieren – dabei gelingt ihm die hohe Kunst, die Auserwählten nicht vorzuführen oder der Peinlichkeit preiszugeben. Vielmehr versteht es der Südamerikaner mit den hochdrapierten weißen Zöpfchen im ansonsten schwarzen Haupthaar, sie zu erhöhen – und beim Publikum ein liebevolles Lachen auszulösen. Und er wird dafür sorgen, dass der Begriff Spaghettischlacht kein frei erfundener Begriff, sondern eine bleibende Erinnerung ist.

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Erstellt:
11.08.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 52sec
zuletzt aktualisiert: 11.08.2017, 01:00 Uhr

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