Freundlich und kompetent

Für ein besseres Leben arbeitet Gabriel Vegsö seit zehn Jahren auf der Horber Schütte

Die Gewitter der vergangenen Nacht sind Geschichte, aber sie haben Gabriel Vegsö auf Trab gehalten. In vielfacher Hinsicht. Unter anderem musste er um zwei nochmal raus, ein paar Teenager ins Gemeinschaftshaus auf der Schütte lassen, weil die sich in ihren Zelten gefürchtet hatten. Morgens um acht steht Vegsö wieder am Schwimmbecken auf der Schütte, beseitigt die Spuren der Nacht. Wer vorbei läuft, wird freundlich gegrüßt.

02.07.2016

Von Gerd Braun

In diesem Jahr musste auf dem Campingplatz viel gemäht werden, und auch das Heckenschneiden war für Gabriel Vegsö eine häufig ausgeübte Tätigkeit. Der nasse Frühsommer ärgerte den 45-Jährigen aber nicht der vielen Arbeit wegen, sondern weil so wenige Gäste gekommen sind.Bild: Kuball

In diesem Jahr musste auf dem Campingplatz viel gemäht werden, und auch das Heckenschneiden war für Gabriel Vegsö eine häufig ausgeübte Tätigkeit. Der nasse Frühsommer ärgerte den 45-Jährigen aber nicht der vielen Arbeit wegen, sondern weil so wenige Gäste gekommen sind.Bild: Kuball

Horb. An Vegsö, von allen nur Gabriel genannt, kommt kaum einer vorbei, wenn er zu Gast ist auf dem Horber Campingplatz Schüttehof. Nicht etwa, dass sich der meist mit rotem Shirt und Arbeitshose gekleidete Herr den Gästen in den Weg stellen würde. Nein, Gabriel ist so etwas wie omnipräsent, und an jeder Ecke kann man ihm begegnen.

Vor zehn Jahren ist der Horber Campingplatz für den Rumänen mit deutschen Wurzeln die zweite Heimat geworden, aber nicht alle kennen die Geschichte des drahtigen 45-Jährigen. Die ist so gewöhnlich wie bewegend – je nach Sicht des Betrachters.

Zum elften Mal in seinem Leben hat Gabriel Vegsö in diesem April sein Haus im 1300 Kilometer entfernten Detta verlassen, sich von seiner Frau, seiner Tochter und seinem Sohn verabschiedet, um aufzubrechen an den Rand des Nördlichen Schwarzwaldes. Hier wird er auch in diesem Jahr wieder bleiben, bis Mitte September, um auf dem Schüttehof alle Art von Arbeiten zu verrichten, die man sich nur vorstellen kann. Aufgaben, die er weniger gern mag – da fällt ihm nichts ein. „Ich mag meine Arbeit, und ich mache sie gerne“, sagt der gelernte Schreiner, der sich in den vergangenen Jahren unglaublich viel angelernt hat. Nahezu alle handwerklichen Arbeiten – Dachdecken, Fließenlegen, Sanitärarbeiten und sogar Landwirtschaft – beherrscht er, dazu hat auch die Verwaltungstätigkeiten an der Rezeption drauf.

Das einzige, was Vegsö fehlt, ist seine Familie

Für Reinhold Kuch, den Betreiber des Horber Campingplatzes, ist Gabriel ein echter Glücksfall: „Er hat sämtliche Qualifikationen, ist immer freundlich und er kann mit Menschen umgehen.“ Fast schon überqualifiziert also ist Gabriel Vegsö, und doch ist er aus tiefstem Herzen dankbar, auf dem Horber Hausberg arbeiten zu dürfen.

„Für ein besseres Leben“ nehme er die Trennung von der Familie gerne auf sich, denn „das einzige, was fehlt, ist die Familie“. Aber in Rumänien müsse man eben zusehen, wie man zurecht kommt. Und so war der Tipp eines Bekannten damals im Jahr 2006, sich doch mal beim Campingplatz auf der Schütte vorzustellen, für ihn ein goldener.

Im ersten Jahr, als Gabriel Vegsö gewissermaßen auf Probe in Horb gearbeitet hat, übernachtete er noch in einem Wohnwagen, den Kuch ihm als Bleibe anbot. Inzwischen bewohnt der Sohn einer deutschen Mutter die Wohnung oben im Verwaltungshaus des Campingplatzes – von wo aus er auch nach „Feierabend“ stets alles im Blick hat. So könne er sich schnell ein Bild machen, wenn es irgendwo klemmt. Und wenn sich nachts mal angetrunkene Teenager zum Baden in den Pool schummeln, dann bekommt dies der 45-Jährige auch sofort mit. Dann heißt es für ihn: Anziehen und die Spaßvögel mit seiner freundlichen, aber bestimmten Art des Pools verweisen.

Da die Sommerferien in Rumänien mehrere Monate dauern, verkürzt sich ein wenig die Zeit der Trennung von seiner Familie. Die kommt nämlich im Sommer immer zu Besuch nach Horb, und das hat auch schon kleine Wunder gewirkt. Sein inzwischen 15-jähriger Sohn hatte vor ein paar Jahren noch mit einer Atemwegserkrankung gekämpft. Und da wirkte die Luft auf der Horber Schütte wie eine heilsame Kur. „Der Arzt sagte danach, das war das Beste, was wir machen konnten“, sagt Gabriel Vegsö, der zudem anmerkt, dass sein Sohn hier auch schwimmen und beide Kinder, also auch die 19-jährige Tochter, die deutsche Sprache gelernt hätten.

Apropos Sprache: „Ich sehe gar nicht ein, dass man in einem Land, in dem man arbeiten möchte, die Sprache nicht beherrscht“, sagt der Allrounder in Reinhold Kuchs Team, der damals mit Deutsch-Grundkenntnissen aus seiner Schulzeit angetreten war, inzwischen aber erstklassig deutsch spricht – und auch den schwäbischen Dialekt weitestgehend versteht.

Mit der deutschen Kultur hat Gabriel Vegsö ebenfalls keinerlei Probleme – ganz im Gegenteil. In Rumänien schätze man die deutschen Werte sehr. Sowieso: „Ich fühle mich als Deutscher, das kann ich klar und deutlich sagen“, antwortet er, wenn man ihn fragt, ob er sich mehr als Rumäne, mehr als Deutscher oder mehr als Europäer fühle. Mit der deutschen Staatsbürgerschaft angesichts seines Hintergrundes – denn neben seiner Mutter ist auch der Vater halber Deutscher – habe es anfangs der 90er-Jahre dennoch nicht geklappt.

Vegsö sieht den „Brexit“ mit Besorgnis

Seit Rumänien EU-Mitgliedsstaat ist, hat sich für Kuch und seinen Mitarbeiter einiges erleichtert. Anfangs musste Vegsö noch ärztliche Atteste für den Deutschland-Aufenthalt vorlegen, und es war in Rumänien und Deutschland ein größerer behördlicher Aufwand erforderlich, der auch Geld gekostet hat. Dies sei durch den EU-Beitritt deutlich einfacher geworden. Vor diesem Hintergrund hat der eingedeutschte Rumäne den Brexit mit Sorge wahrgenommen: „Das war nicht gut – nicht für mein Empfinden und für Europa sowieso nicht“, sagt Gabriel Vegsö, der nicht allzu lange verharrt, solange noch irgendwo Arbeit zu verrichten ist.

Ihm mache jegliche Arbeit, die er grundsätzlich mit Freude verrichte, einfach Spaß. Dass er jetzt viel an der frischen Luft und mit Menschen zusammenarbeiten kann, mache ihm zudem viel Freude. Als Schreiner habe er früher in einer großen Fabrikhalle arbeiten müssen. Und außerdem, merkt er an: „Ich habe einen super Chef. Ohne ihn weiß ich auch nicht...“, sagt der gelernte Schreiner.

Er ist dankbar, dass sich Reinhold Kuch immer so gut um seine Leute kümmere. Einmal, erklärt er, habe er etwas falsches gegessen und es sei ihm richtig schlecht gegangen. Dass ihn der Chef dann wieder ab ins Bett geschickt hat, war für ihn keineswegs selbstverständlich. Er war dankbar dafür, und vielmehr scheint es ihm bis heute eher peinlich zu sein, dass es ihm passieren konnte, überhaupt diesen einen Tag krank zu sein.

Solange nicht alles 100 Prozent in Ordnung ist, kann der bescheidene Gabriel nicht ruhig sitzen. Gewissenhaftigkeit und Zuverlässigkeit zählen für ihn – egal, ob nachts um zwei oder morgens früh um acht Uhr. Und nach längerem Überlegen fällt ihm am Ende des Gesprächs dann doch noch etwas ein, was ihn ärgert: „Wenn man sich so viel Mühe gibt und den Platz so toll herrichtet – und es kommt dann niemand.“

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Erstellt:
02.07.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 10sec
zuletzt aktualisiert: 02.07.2016, 01:00 Uhr

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