25-Jährige in Trance missbraucht?

Hypnotiseur steht wegen Vergewaltigung einer Tübingerin vor Gericht

Weil er eine 25-Jährige während der Behandlung vergewaltigt haben soll, muss sich ein 40-jähriger Hypnotiseur derzeit vor dem Ludwigsburger Schöffengericht verantworten.

11.02.2016

Von Heike Rommel

Tübingen/Ludwigsburg. Der Mann betreibt eine Praxis in Ludwigsburg, wo er bei der Behandlung einer 25-jährigen Sängerin aus Tübingen sexuell übergriffig geworden sein soll. Der Fall hängt an rechtlichen Gesichtspunkten, weshalb das Gericht ein Sachverständigengutachten darüber einholt, ob die Wahrnehmung des Opfers durch Hypnose beeinträchtigt war.

Der 40-jährige Angeklagte war der 25-Jährigen aus Tübingen über eine Kollegin ihrer Mutter empfohlen worden. Die 25-Jährige wollte ihre Bauchschmerzen und auch schon aufgetretenes Drüsenfieber behandeln lassen, welche sie auf Lampenfieber vor Auftritten als Sängerin zurückführte.

In der ersten Sitzung am 17. März vergangenen Jahres, so die Anklage, habe der vom Beruf des Frisörs zum Hypnotiseur fortgebildete Angeklagte nach sexuellen Vorlieben seiner Patientin gefragt. Bei der zweiten Sitzung am 16. April habe er die Frau in einen kleinen, abgedunkelten Raum vor ein Bild gestellt, und diese unter Fragen zum Thema Sexualität über der Kleidung im Intimbereich angefasst. Er habe auch ihre Hand auf seinen Schritt gelegt und dabei stets betont, das sei Bestandteil der Therapie. Trotz zusammengepresster Beine der Frau sei es dem Angeklagten gelungen, ihr während der Therapiesitzung unter Schlägen ins Gesicht und auf den Po die Hose und die Unterhose herunter zu ziehen, ihr einen Finger in die Scheide und danach in ihren Mund einzuführen.

Damit wäre der Tatbestand der Vergewaltigung durch Eindringen in den menschlichen Körper eigentlich erfüllt gewesen. Doch die Verteidigung nahm den Umstand, dass nicht klar war, ob das Opfer bei der zweiten Sitzung unter Hypnose stand oder nicht, zum Anlass anzuführen, die Frau könnte sich die sexuellen Übergriffe während der Hypnose ja auch eingebildet haben.

Das Opfer, welchem der Angeklagte erzählt hatte, er hätte vor ihr eine Opernsängerin erfolgreich behandelt und diese würde jetzt in Berlin auf großer Bühne stehen, war im Vorfeld des Prozesses bereits mit einer Strafanzeige gegen den Hypnotiseur gescheitert.

Die Sache war nicht zur Anklage gekommen, weil wegen der Hypnose die Objektivität in Frage stand – wie im Prozess jetzt auch. Die Verteidigung wies außerdem darauf hin, dass der Angeklagte gar nicht in einem Behandlungsverhältnis zu der jungen Frau gestanden haben könne, weil er kein anerkannter Therapeut ist. Also könne der Angeklagte auch kein Behandlungsverhältnis ausgenutzt haben. „Hypnotiseur“, so der Anwalt, „kann sich jeder schimpfen“.

Als Zeugen haben bislang die betroffene Sängerin, ihr Freund und Polizeibeamte ausgesagt. Die 25-Jährige kam in Begleitung des Außenstellenleiters der Opferschutzorganisation „Weisser Ring“, Karl-Heinz Hahn aus Tübingen. Sie berichtete, bei der zweiten Sitzung sei der Ludwigsburger Hypnotiseur viel freundlicher zu ihr gewesen als bei der ersten. Zu Berührungen, die ihr unangenehm gewesen wären, hätte er gemeint, es sei ja nichts dabei und es täte ja auch nicht weh. Die Körperkontakte seien rein geschäftlich und dienten der Entspannung.

Nach den härteren sexuellen Übergriffen bis zum Eindringen in den Körper, so die Zeugin weiter, habe sie ihre 150 Euro bezahlt und das Angebot bekommen, die nächste Sitzung, bei welcher der Therapeut zu ihrem G-Punkt kommen würde, sei dann umsonst. Sie solle aber bis dahin keine sexuellen Handlungen durchführen. Normalerweise, habe der Hypnotiseur ihr erklärt, hätte er es nicht nötig, Stunden zu verschenken. Sein Angebot zum Nulltarif mache er nur für sie.

Der Freund der Sängerin bestätigte als Zeuge im Wesentlichen deren Angaben. Die Polizeibeamten konnten nur von der Anzeigenaufnahme und den Ermittlungen berichten. Als der Verteidiger am ersten Verhandlungstag versuchte, mit einer Einstellung des Strafverfahrens gegen Geldzahlungen durchzukommen oder im Falle, das Gericht würde der 25-Jährigen Glauben schenken, einen Beweisantrag auf ein Sachverständigengutachten ankündigte, entschieden sich Richterin Andrea Henrich und die beiden Schöffinnen für das Gutachten.

Sachverständiger soll Gutachten abgeben

Bei der Fortsetzung des Prozesses am Mittwoch, 23. März, um 10.30 Uhr soll ein medizinisch-psychiatrischer Experte Aufschluss darüber geben, ob das vermeintliche Opfer zum Tatzeitpunkt hypnotisiert war und ob die eventuelle Hypnose zu Wahrnehmungsverzerrungen geführt hat. Oder ob die ganze Sache tatsächlich so passiert ist, wie sie die 25-Jährige schildert.