In Zeiten des abnehmenden Lichts

In Zeiten des abnehmenden Lichts

Bruno Ganz spielt einen SED-Granden, an dessen 90. Geburtstag im Herbst 1989 unangenehme Wahrheiten ans Licht kommen.

02.04.2017

Von Klaus-Peter Eichele

In Zeiten des abnehmenden Lichts

Im Oktober 1989 steht die DDR kurz vor ihrem Zusammenbruch, doch im Haus von Wilhelm Powileit will man davon nichts wissen. Zum 90. Geburtstag des SED-Granden präsentiert sich der Arbeiter- und Bauernstaat vielmehr noch in seiner ganzen spießbürgerlichen Pracht. Pioniere bringen dem Jubilar ein Ständchen; Bereichsleiter und Abschnittsbevollmächtigte geben sich die Klinke in die Hand, um mit hölzernen Ansprachen die Verdienste des Jubilars im Klassenkampf zu würdigen. Als Höhepunkt wird dem schon leicht dementen Greis der Goldene Stern der Völkerfreundschaft verliehen. Über die bereits zur Massenbewegung angeschwollene Opposition gegen das Regime spricht man nur verklausuliert.

Der von Bruno Ganz gespielte Parteipatriarch repräsentiert den real existierenden Sozialismus kurz vor seinem Verlöschen – und liefert einige der Gründe dafür gleich mit. Politisch ist er ein selbstgerechter Betonkopf der Marke Honecker; privat ein pedantischer Spießer, der seine Ehefrau hasst und die Haushälterin betatscht. Damit es auf der Feier nicht zum Eklat kommt, soll dem Alten möglichst verheimlicht werden, dass sein geschätzter Stiefenkel tags zuvor in den Westen rübergemacht hat. Zwischen den Extremen des jungen Republikflüchtlings (der nur im Prolog auftaucht) und des verbohrten Altstalinisten steht Powileits Stiefsohn (Sylvester Groth), der einst von den Russen in den Gulag verschleppt worden ist, sich später aber doch mit dem Kommunismus arrangiert hat.

Die Geschichte dieser Familie, die Eugen Ruge in seiner Romanvorlage über einen Zeitraum von 60 Jahren verfolgt, komprimieren Fernsehkrimi-Routinier Matti Geschonneck und Drehbuch-Altmeister Wolfgang Kohlhaase („Sommer vorm Balkon“) auf einen Tag und einen Ort. Das hat den Vorteil, dass man einige der menschlichen Konflikte präziser herausarbeiten kann. Auch atmosphärisch kommt Geschonneck, schon dank der liebevollen Ausstattung, dem Muffigen in der Spätphase der DDR recht nahe.

Der Nachteil ist, dass in dieser entschlackten Form viele Feinheiten der politisch-historischen Analyse auf der Strecke bleiben. Im besseren Fall ersetzen sie die Autoren durch eine Sketchparade, deren tragikomische Pointen fast 30 Jahre nach dem Untergang des Zielobjekts aber nicht immer zünden. Im schlechteren weichen sie plakativen Klischees und einer mitunter arg groben Symbolik. Wenn gegen Ende ein von Powileit halblebig reparierter Tisch unter der Last des Büffets zusammenbricht, muss man nicht lang überlegen, wer gemeint ist.

Mit dem Greisengeburtstag legt der Film den Akzent zudem zu einseitig auf das ruhmlose Verlöschen der DDR, während die Vorgeschichte inklusive aller Hoffnungen und Utopien, die auch an ihre Existenz geknüpft waren, allenfalls kursorisch abgehandelt wird. An „Barbara“ oder auch „Good-bye Lenin“, die beide Seiten unter einen Hut brachten, reicht dieser Film daher nicht heran.

Die Parade der Gruselkommunisten unterhält ganz ordentlich – tiefere Einblicke ergeben sich kaum.

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Erstellt:
02.04.2017, 14:35 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 22sec
zuletzt aktualisiert: 02.04.2017, 14:35 Uhr

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