Widerspruch abgelehnt

In den Sattelacker Hof in Lützenhardt ziehen Flüchtlinge aus Talheim ein

Nach monatelangen Querelen hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Ende Juni beschlossen, dass die Belegung des Sattelacker Hofs in Lützenhardt mit Flüchtlingen doch rechtmäßig ist. Das Landratsamt reagiert nun auf das Urteil: Ab dem 1. September ziehen als erste Bewohner 38 Flüchtlinge aus der Talheimer Notunterkunft ein, die dann endgültig geschlossen werden soll.

25.08.2016

Von Dagmar Stepper

Die Notunterkunft in der ehemaligen Grundschule im oberen Talheim ist bald Geschichte: Sie wird zum 1. September geschlossen. Archivbild:bbm

Die Notunterkunft in der ehemaligen Grundschule im oberen Talheim ist bald Geschichte: Sie wird zum 1. September geschlossen. Archivbild: bbm

Talheim/Lützenhardt. Kaum ein Thema hat Anfang des Jahres die Lützenhardter mehr bewegt als die Belegung des Sattelacker Hofs mit Asylbewerbern. Der Ort wehrte sich vehement dagegen. Anfang Februar standen sogar Busse mit Flüchtlingsfamilien vor dem ehemaligen Hotel. Doch sie wurden wieder weggeschickt, weil von der Inhaberin der Mutter-Kind-Klinik „Zauberwald“, Petra Schraml-Dussle, beim Verwaltungsgericht eine Privatklage vorlag. Die Klägerin wehrte sich gegen eine Nutzungsänderung des Bebauungsplans, der nötig war, um die das Gebäude als Flüchtlingsunterkunft zu nutzen. Laut ihrer Auffassung war die direkte Nähe zur Klinik problematisch.

Bei einem Bürgerinfoabend Anfang Februar spielten sich dramatische Szenen ab. Landrat Dr. Klaus Michael Rückert appellierte an die Bevölkerung, dass der Sattelacker Hof dringend als Flüchtlingsunterkunft gebraucht werden würde. Denn Anfang des Jahres musste der Landkreis Freudenstadt monatlich mehr als 180 Flüchtlinge aufnehmen. Das leerstehende Hotel in Lützenhardt drängte sich für die Unterbringung geradezu auf. Doch im Ort und auch in der Gemeinde sah man das anders: Sowohl der Lützenhardter Ortschaftsrat als auch der Gemeinderat von Waldachtal sprachen sich gegen die Baugenehmigung aus. Waldachtals Bürgermeisterin Annick Grassi stand mit ihrer Befürwortung im Gremium (fast) allein auf weiter Flur.

Privatklage wurde

jetzt abgewiesen

Mitte März wurde dann die nächste Runde im Drama eingeleitet. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe untersagte die Nutzung als Unterkunft für Asylbewerber. Der recht enge Bebauungsplan lasse nur besondere Nutzungen für den Fremdenverkehr zu, nicht aber für Wohnraum. Die Gegner der Flüchtlingsunterkunft bangten außerdem um den Ruf Lützenhardts als Tourismusstandort. Sie sahen sich durch das Urteil in ihrer Meinung bestätigt. Doch das sollte noch nicht das letzte Wort sein: Denn der Gemeindeverwaltungsverband, zu dem auch Waldachtal gehört und der für die Unterbringung plädierte, legte Widerspruch ein.

Nun ging es an die nächste höhere Instanz: an den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, der in Mannheim sitzt. Dieser entschied am 23. Juni, dass die Belegung des Sattelacker Hofs mit Flüchtlingen rechtmäßig ist. Damit war die Privatklage von Petra Schraml-Dussle vom Tisch. Doch erst jetzt gelangte das Urteil an die Öffentlichkeit: Denn das Landratsamt will ab dem 1. September in dem ehemaligen Hotel Flüchtlinge unterbringen.

Defekte Heizung in

Talheimer Unterkunft

Vielleicht hätte das Landratsamt mit der Belegung noch warten sollen, bis der Verwaltungsgerichtshof auch über den Widerspruch der Gemeinde Waldachtal entschieden hat. Der steht nämlich noch aus. Genau das kritisiert auch Waldachtals Bürgermeisterin Annick Grassi auf Anfrage der SÜDWEST PRESSE: „Dass nicht das weitere Verfahren abgewartet wurde, stößt bei der Bevölkerung und dem Gemeinderat auf großes Unverständnis. Denn theoretisch kann die Belegung nochmals gestoppt werden.“

Doch das Landratsamt weist auf ihre Notsituation hin: Am 26. Juli lief bei einem Unwetter in Talheim der Heizungskeller der Flüchtlingsnotunterkunft in der ehemaligen Grundschule voll. Seither ist die Heizung defekt. Zwar funktioniert das Warmwasser, doch laut Pressesprecherin Sabine Eisele sah man sich seither nach Ausweichmöglichkeiten für die 38 Flüchtlinge um. Denn spätestens im Herbst müsste eine Alternative her. Außerdem will das Landratsamt seit längerer Zeit die Notunterkunft im oberen Talheim schließen: Hier leben seit fast zwei Jahren über 40 Asylbewerber ohne Privatsphäre und mit Außentoilette auf sehr engem Raum beieinander.

Eisele gibt zu, dass auch wirtschaftliche Argumente eine Rolle spielen: Seit der Landkreis den richterlichen Segen für die Belegung hat, also seit Ende Juni, zahlt er für den Sattelacker Hof auch Miete: „Und diese ist nicht unerheblich“, betont die Pressesprecherin. Ein Investor aus Singen hat das ehemalige Hotel im Herbst 2015 gekauft und an das Landratsamt vermietet.

Die 38 Asylbewerber aus Talheim sind aber nur die ersten Bewohner des ehemaligen Hotels. Laut Landratsamt sollen die restlichen 80 Plätze peu a peu gefüllt werden. Geplant ist, die in Waldachtal angemieteten Unterkünfte sukzessive aufzugeben und sie der Gemeinde für die Anschlussunterbringung von anerkannten Flüchtlingen zur Verfügung zu stellen. Laut Pressesprecherin Sabine Eisele werden die in den Wohnungen bislang in der vorläufigen Unterbringung befindlichen Flüchtlinge nach und nach in den Sattelackerhof umziehen.

Für den Sattelacker Hof hat das Landratsamt einen Wachdienst engagiert, der rund um die Uhr im Einsatz sei. Auch Personal des Landkreises werde für die Verwaltung und soziale Betreuung zu den üblichen Bürozeiten vor Ort sein. Ein Wachdienst sei nichts Ungewöhnliches, sagt Eisele: „Das haben wir auch in anderen Unterkünften wie beispielsweise im Panoramahotel in Loßburg und im Posthotel Luz in Freudenstadt zu Beginn so gehandhabt.“ Damit schließt sie Spekulationen aus, dass dieser aufgrund der ablehnenden Haltung der Lützenhardter gegen die Flüchtlingsunterkunft engagiert wurde. Zu den neuen Entwicklungen plant das Landratsamt übrigens keinen Infoabend.

Der Sattelacker Hof in Lützenhardt wird nun dank richterlichem Segen zur Flüchtlingsunterkunft. Archivbild:gaw

Der Sattelacker Hof in Lützenhardt wird nun dank richterlichem Segen zur Flüchtlingsunterkunft. Archivbild: gaw

Talheimer Notunterkunft wird geschlossen

Im Oktober 2012 zogen die ersten Flüchtlinge in die Notunterkunft in der ehemaligen Schule in Talheim ein. Ursprünglich sollten sie nur wenige Wochen bleiben, inzwischen sind fast zwei Jahre vergangen. Die meisten Bewohner stammen vom Balkan, alle haben nun einen Asylantrag gestellt – die letzten Mitte Juli. Wie lange die Bearbeitung dauert, kann Pressesprecherin Sabine Eisele nicht sagen: „Das ist Sache des BAMF. Das Bundesamt hat aber eine zügige Bearbeitung zugesichert.“ Die Talheimer Flüchtlinge ziehen ab dem 1. September in den Sattelacker Hof. Ihre weitere Zukunft ist ungewiss. Nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz könnte das Landratsamt den Aufenthalt in der vorläufigen Unterbringung in begründeten Fällen verlängern. Doch Eisele will keine große Hoffnung verbreiten: „Ein großer Teil der Personen in Talheim kommt aus dem Westbalkan und hat sehr geringe Bleibeaussichten.“ Fakt ist aber, dass die Talheimer Unterkunft zum 1. September geschlossen wird. Das wird in Horb begrüßt. Bürgermeister Jan Zeitler: „Eine dauerhafte Unterbringung war nie vorgesehen, nachdem die räumliche Situation dort lediglich für eine vorübergehende Unterbringung geeignet war.“ Er sei dankbar, dass das Landratsamt für die Geflüchteten eine angemessene Ersatzunterkunft gefunden hat. Was die weitere Nutzung der ehemaligen Schule angeht, da sind – laut Zeitler – nun der er Talheimer Ortschaftsrat und der Fachbereich „Stadtentwicklung“ gefragt.

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25.08.2016, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 25.08.2016, 01:00 Uhr

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