Crowdfunding

„Integration über den Bauch“

Zwei Syrer und eine Horberin wollen die Wirtschaft „Buß“ wiederbeleben. Über Gutscheine und „Startnext“ soll das Grundkapital zusammen kommen.

28.11.2017

Von Dunja Bernhard

Alaa Edin Al Jababa (links) und Abdul Rahim Khalaf bereiten in der Küche von Eva Michielin das Essen für eine Feier vor. Bilder: Bernhard

Alaa Edin Al Jababa (links) und Abdul Rahim Khalaf bereiten in der Küche von Eva Michielin das Essen für eine Feier vor. Bilder: Bernhard

Als Kind sei sie täglich auf dem Weg zur Schule an der „Buß“ vorbeigegangen, erzählt Eva Michielin. Für sie ist die seit einigen Jahren geschlossene Wirtschaft ein „Urgestein“ von Horb. In Horb machten immer mehr Gaststätten zu, sagt sie. Da wäre es doch schön, wenn die „Buß“ wiederbelebt werden könnte und zu einem Treffpunkt für die Horber würde.

Für die beiden Syrer Alaa Edin Al Jababa und Abdul Rahim Khalaf wäre die Gaststätte mit Catering-Service eine Möglichkeit, finanziell für sich und ihrer Familien zu sorgen. „Sie wünschen sich nichts sehnlicher als zu arbeiten, Geld zu verdienen und unabhängig vom Jobcenter zu werden“, sagt die Horberin. Gemeinsam wollen sie das Projekt unternehmerisch angehen.

Michielin ist Diplom-Ökonomin und arbeitete 25 Jahre bei IBM, bevor sie sich als Coach selbständig machte. „Ich bin ein Organisations-Freak und bringe gern Menschen zusammen“, sagt die 48-Jährige über sich. Al Jababa erzählt, dass er in Damaskus ein Restaurant führte und Kochen sein Hobby sei. Khalaf hatte in der syrischen Stadt Homs einen großen Elektronikmarkt. Kochen lernte er von seinem Vater. Nachdem der Teil von Homs zerstört war, in dem Khalaf lebte, und er so alles verloren hatte, kochte er im Flüchtlingslager. 2015 kamen die beiden Syrer nach Deutschland. Michielin, Al Jababa und Khalaf kennen sich aus der Flüchtlingshelfergruppe Mühringen. Michielin lud die beiden Syrer Silvester 2015 zu sich nach Hause ein. Sie könnten doch nicht kommen und nichts mitbringen, sagten die Männer damals. So entstand der Gedanke, syrisches Essen zu servieren. Über die orientalischen Gerichte kamen die Gäste miteinander ins Gespräch. So entstand der Gedanke, der das Projekt ins Rollen brachte: Integration über das Essen. Ähnlich erfolgreich ginge es noch über den Sport, sagt Michielin.

Die Ökonomin empfindet die syrische Küche als „eine Bereicherung für unser Land und besonders für Horb“, wo das Gaststätten-Angebot nicht so vielfältig sei.

Al Jababa erzählt, dass es mittlerweile einfacher sei, die typischen Zutaten für syrische Gerichte in Horb zu bekomme, als noch vor zwei Jahren. Gewürze werden aus dem Libanon oder aus der Türkei importiert. Manchmal seien sie in Syrien hergestellt. „Die Nachfrage hat es geregelt“, konstatiert die Ökonomin.

In der „Buß“ hinter dem Horber Kloster soll das schwäbisch-syrische Projekt „Morgenland“ entstehen. Küche und Gastraum müssten instand gesetzt werden. Michielin möchte den typischen Kneipencharakter „upfreshen“, wie sie sagt. Der bisherige Charme der alten Beiz soll erhalten bleiben. Die Speisen sollen ausschließlich orientalisch sein.

Al Jababa und Khalaf kochten bisher schon für einige Großveranstaltungen wie Familienfeste mit bis zu 250 Personen. Dafür nutzten sie Vereinsküchen. „Auf die Dauer ist das keine Lösung“, sagt Michielin.

Der Wirtschaftskontrolldienst hat sich die „Buß“ schon angeguckt. „Das war ein total netter Beamter.“ Einige Kleinigkeiten müssten repariert und renoviert werden. Dafür und für ein Startkapital, bis die Wirtschaft läuft, suchen die drei finanzielle Unterstützung. Michielin geht von 20 000 Euro aus, die sie brauchen. „Damit lassen sich keine großen Sprünge machen, aber es ist ein Anfang.“

Deshalb hofft sie auf die Horber Bevölkerung. Bei den Horber Geschäften Wohnideen Raible und Schmuck am Aischbach können Verzehr-Gutscheine erworben werden. Sie kosten 35 Euro, oder mit zusätzlicher Spende 50 Euro, und können später gegen ein Essen eingetauscht werden. „Vorgezogener Umsatz“, nennt das die Fachfrau.

Außerdem geht diese Woche auf der Crowdfunding-Website „Startnext“ das Projekt online. Dort können Unterstützer sich finanzielle an dem Projekt beteiligen. Für den Internetauftritt, auch über Facebook, ist Michielins Schwägerin Stefanie Michielin verantwortlich. Sie ist zudem gelernte Hotelfachfrau.

Das syrisch-schwäbische Projekt funktioniere nur, wenn die Horber mitmachen, sagt Michielin. Wenn kein Geld zusammen kommt, sei das für sie ein Zeichen, dass das Projekt in Horb nicht gewollt ist.

Mit dem Namen „Morgenland“ für das syrische Restaurant mit Catering-Service verbindet Michielin gleich mehrere Aspekte: „Die Syrer kommen aus dem Morgenland.“ Deutschland wird ihr Land für morgen, denn sie möchten hier bleiben. Al Jababa ist mit der Großfamilie hier. Khalaf würde gern seine sechs- und neunjährigen Kinder nachholen. Aber auch Deutschland werde durch die Zuwanderer ein anderes Land – morgen.

„Nicht nur wir geben den Flüchtlingen etwas, auch sie bringen ganz viel mit“, sagt die Flüchtlingshelferin. Als sie zum ersten Abend der Flüchtlingsgruppe in Mühringen kam, hatten die Geflüchteten den Helfern Rosen mitgebracht. Deshalb steckt sie sich noch heute für Bilder mit den Syrern Blumen ins Haar, um an diese nette Geste zu erinnern.

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Erstellt:
28.11.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 18sec
zuletzt aktualisiert: 28.11.2017, 01:00 Uhr

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