Hohe Hürden vor der Leinwand

Kein Kino in Tübingen ist barrierefrei - muss das so bleiben?

Filme mit Familie oder Freunden zusammen angucken ist für Besucher mit Handicap derzeit in Tübinger Kinos nur mit vielerlei Hürden möglich.

06.05.2017

Von Lara Peters

Kein Kino in Tübingen ist barrierefrei - muss das so bleiben?

Kein Kino in Tübingen ist barrierefrei und für Menschen mit Handicap ohne Hilfe erreichbar. Am Donnerstag gab’s um 18 Uhr im Tübinger Rathaus eine Veranstaltung, die auf dieses Problem aufmerksam machte. Der Verband Forum und Fachstelle Inklusion hatte in Kooperation mit der Stadt Tübingen pünktlich zum europaweiten Protesttag zur Gleichstellung behinderter Menschen am 5. Mai eine Statement-Runde mit anschließender Filmveranstaltung organisiert – mit Unterstützung von der „Aktion Mensch“ und dem Arsenal Filmverleih.

Zu Gast war Brigitte Duffner vom Sozialforum Tübingen. Sie sitzt im Rollstuhl und macht gleich zu Beginn deutlich: „Ich kann nicht so einfach einen Film schauen, weil ein oder mehrere Stufen dort sind, ich muss mich immer bemerkbar machen. Ich werde so als Außenseiter behandelt.“ Einfach eine DVD zuhause zu schauen ist für Duffner keine Alternative: „ich möchte unter Leuten sein und mit Freunden ins Kino gehen.“

Diesen Aspekt findet auch Sabine Hanser von der Selbsthilfe für Hörgeschädigte sehr wichtig: „Wir Hörgeschädigten ziehen uns immer mehr aus dem sozialen Umfeld zurück.“ Wer ein barrierefreies, inklusives Kino möchte, müsse auch Rücksicht auf hör- und sehbehinderte Menschen nehmen. Hanser erklärt das Problem hörgeschädigter Menschen: Die Fähigkeit, trotz störender Umgebungsgeräusche die wichtigen Signale gut zu verstehen, geht bei hörgeschädigten Menschen verloren, ein einfaches Hörgerät kann diesen Effekt nicht beheben. Eine Möglichkeit für die Betroffenen sind induktive Hörgeräte in den Kinos: Sie leiten die wichtigen Signale wie Stimmen direkt an das Hörgerät im Ohr, somit werden die Konzentrationsprobleme wegen der Nebengeräusche beseitigt.

Simone Degler vom Blinden- und Sehbehindertenverband Württemberg erklärt, wie die Hörfilmfassung auch im Kino funktioniert: Mit Hilfe einer App können Filme vor dem Kinobesuch als Hörfilmfassung für sehbehinderte Menschen auf das Smartphone geladen werden, im Kino kann diese mit dem Film synchronisiert und per Kopfhörer angehört werden. Auch dies ist eine Möglichkeit, die Teilhabe von Menschen mit Handicap zu unterstützen. Damit Veranstaltungen auch für Menschen mit Behinderung leicht zugänglich sind, sei es außerdem wichtig, dass auf den Flyern viele Informationen stehen, erklärt Agnes Braun-Conzelmann von der Lebenshilfe Tübingen.

Es müsse klar sein, wann eine Veranstaltung beginnt und endet und welche Bushaltestelle in der Nähe ist. Auch in den Kinos sei es wichtig, dass Pfeile zu den einzelnen Kinosälen zeigen, dass das Personal gut informiert ist und im Zweifel auch assistieren kann.

Dagmar Waizenegger, Leiterin des Tübinger Fachbereiches Kunst und Kultur, gab Hoffnung für die Zukunft: „Unsere Aufgabe ist es, mit den Kinobesitzern ins Gespräch zu kommen, wir wünschen uns als Kulturverwaltung, dass in Zukunft Veranstaltungen für alle zugänglich sind.“

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Erstellt:
06.05.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 20sec
zuletzt aktualisiert: 06.05.2017, 01:00 Uhr

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