Der Blitz war wohl nicht die Brandursache

Keine Verletzten, aber hoher Schaden durch Feuer in Tübinger Schlosserei

Einen Brand in der Tübinger Weststadt bekämpfte die Feuerwehr in der Nacht zum Dienstag. Die Polizei vermutet Blitzeinschlag. Doch das scheint fraglich.

27.06.2017

Von Hans-Jörg Schweizer

Gerade noch rechtzeitig hat die Tübinger Feuerwehr in der Nacht zum Dienstag den Brand in einer Schlosserei gelöscht, ehe die Flammen über das Dach auf benachbarte Firmen in der ehemaligen Zanker-Halle übergreifen konnten. Bild: Hald

Gerade noch rechtzeitig hat die Tübinger Feuerwehr in der Nacht zum Dienstag den Brand in einer Schlosserei gelöscht, ehe die Flammen über das Dach auf benachbarte Firmen in der ehemaligen Zanker-Halle übergreifen konnten. Bild: Hald

Schaden in Höhe von 500000 Euro sind laut Polizei beim Brand der Schlosserei Theurer in der Sindelfinger Straße entstanden. Das Feuer in der ehemaligen Zanker-Halle hätte aber leicht noch schlimmere Folgen haben können. Nebenan, nur eine Wand entfernt, lagert reichlich Brennstoff in Form der Bücher der Grabert- und Hohenrain-Verlage. Laut Feuerwehr-Einsatzleiter Thomas Löhr fehlte nicht viel, und die Flammen hätten übers Hallendach übergegriffen. Auch eine Schreinerei ist ganz in der Nähe.

Nur weil die Feuerwehr in der Nacht zum Dienstag gerade noch rechtzeitig den Schlossereibrand eindämmen konnte, blieb es in den meisten benachbarten Firmen in dem Gebäudekomplex bei geringfügigen Schäden durch Rauch. Eine Halle der Schlosserei samt der drei darin abgestellten Fahrzeuge brannte allerdings fast komplett aus. Auch die Einrichtung einer nur durch eine hölzerne Wand abgetrennten Oldtimer-Autowerkstatt wurde vom Feuer stark in Mitleidenschaft gezogen, berichtete Löhr am Dienstagmorgen. Autos wurden dort aber laut Polizeisprecher Christian Wörner nicht beschädigt.

Die Tübinger Feuerwehr war zunächst von der automatischen Brandmeldeanlage des ebenfalls direkt angrenzenden Rökona-Textilwerks alarmiert worden. Die Arbeiter der Nachtschicht hatten laut Polizei Rauchgeruch wahrgenommen und gegen 0.15 Uhr ebenfalls die Feuerwehr alarmiert. Die rückte mit einem Großaufgebot von 59 Leuten und sieben Fahrzeugen an.

Noch als die Einsatzkräfte bei der Anfahrt waren, meldeten auch mehrere Anrufer Feuerschein vom ehemaligen Zanker-Areal an der Ammer. Von der Straße aus war das Feuer laut Thomas Löhr aber zunächst gar nicht erkennbar. Vor Ort dirigierte die Brandmeldeanlage die Feuerwehrleute erst fälschlicherweise in den Heizungsraum der Firma Rökona. Dorthin hatte sich – vermutlich durch alte Rohrleitungen – der Rauch aus der brennenden Schlosserei einen Weg gebahnt und schließlich den Alarm ausgelöst. Nach kurzer Suche fanden die Einsatzkräfte dann auch den wahren Brandherd im Metallbaubetrieb nebenan. Sie brachten das Feuer rasch unter Kontrolle, ehe weitere Teile des Gebäudekomplexes ein Raub der Flammen werden konnten. Gegen 1.45 Uhr war der Brand gelöscht. Auch der Rettungsdienst war vorsorglich mit mehreren Fahrzeugen in der Sindelfinger Straße. Die Rökona-Nachtschicht hatte aber schon beim Bandalarm das Gebäude verlassen. Feuerwehr und Polizei durchsuchten den Firmenkomplex und brachten aus einem Atelier in einem Nebengebäude eine Frau in Sicherheit.

Kein naher Blitz gemessen

In der Nacht zum Dienstag war ein Gewitter über Teile des Landkreises Tübingen gezogen, sodass die Polizei zunächst von einem Blitzeinschlag als Brandursache ausging. Glaubt man den Berichten mehrerer Tübinger, gab es um Mitternacht aber keine heftigen Blitze über dem Gewerbegebiet beim Kupferhammer. „Da mögen die Leute wohl recht haben“, sagt Stephan Thern vom Blitz-Informationsdienst (Blids) der Firma Siemens. In den Stunden um Mitternacht zuckte der nächstgelegene Blitz laut seinen Messungen um 23.12 Uhr und 12 Sekunden in 3,6 Kilometer Entfernung vom Brandort durch die Wolken. Den nächstgelegenen Einschlag in die Erde gab es laut Blids um 0.10 Uhr und 43 Sekunden in mehr als 10 Kilometern Entfernung.

Die Brandermittler der Polizei wollen auch am Mittwoch mit der Spurensuche fortfahren. Sie haben beim Deutschen Wetterdienst Auskunft über die Blitzeinschläge zur fraglichen Zeit angefordert. Mit ersten Ergebnissen rechnet Polizeisprecher Wörner frühestens am Mittwochnachmittag.

Auf dieser Karte sind sämtliche vom Siemens-Dienst „Blids“ registrierten Blitze am gesamten Montag und am Dienstag bis 6 Uhr morgens um die Sindelfinger Straße 5 (Anfrageort) in Tübingen verzeichnet. Nur fünf der 14 Blitze erreichten überhaupt die Erde. Bild: Blids

Auf dieser Karte sind sämtliche vom Siemens-Dienst „Blids“ registrierten Blitze am gesamten Montag und am Dienstag bis 6 Uhr morgens um die Sindelfinger Straße 5 (Anfrageort) in Tübingen verzeichnet. Nur fünf der 14 Blitze erreichten überhaupt die Erde. Bild: Blids

Zunächst war die Polizei von 200000 Euro Schaden ausgegangen. Weil aber besonders in dem Buchlager viel Schaden durch Ruß entstanden ist, dürfte die Summe deutlich höher liegen. Christian Wörner rechnet mit einer halben Million Euro. Der Metallbaubetrieb, in dem etwa zehn Mitarbeiter beschäftigt sind, wurde so stark beschädigt, dass dort zunächst nur bedingt gearbeitet werden kann, sagte Chef Frank Theurer am Dienstagvormittag .

Auch Wohnhaus bei Mössingen ausgebrannt

Blitzeinschlag als Ursache vermutet die Polizei auch bei einem fast zeitgleichen Feuer in Bad Sebastiansweiler: Ebenfalls kurz nach Mitternacht war dort ein Wohnhaus in Brand geraten.

27.06.2017 Wohnhausbrand nach Blitzeinschlag
© Video: Franke/Schweizer 01:00 min
Wohnhausbrand nach Blitzeinschlag in Bad Sebastiansweiler

Indizien für Blitzeinschlag

Wie Kommandant Michael Oser von der Tübinger Feuerwehr erklärt, gibt der Zustand elektrischer Geräte Hinweise auf einen Blitzeinschlag. Verkohlte Sicherungen oder herausgeflogene Steckdosen sind Indizien für elektrische Überspannung. Ob es solche Hinweise in dem Tübinger Firmengebäude gibt, müssen die Ermittlungen der Polizei zeigen. Bei den Löscharbeiten war angesichts der Intensität des Feuers nichts zu erkennen, wie Einsatzleiter Thomas Löhr berichtet.

Der Blitz-Informationsdienst nutzt hunderte Messstationen, um die Ausbreitung elektromagnetischer Felder zu messen. Gewitterblitze können so über die Differenz der aufgezeichneten Zeitpunkte auf 100 Meter genau geortet werden.

Zum Artikel

Erstellt:
27.06.2017, 06:09 Uhr
Aktualisiert:
27.06.2017, 18:27 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 12sec
zuletzt aktualisiert: 27.06.2017, 18:27 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Newsletter Prost Mahlzeit
Sie interessieren sich für gutes und gesundes Essen und Trinken in den Regionen Neckar-Alb und Nordschwarzwald? Sie wollen immer über regionale Gastronomie und lokale Produzenten informiert sein? Dann bestellen Sie unseren Newsletter Prost Mahlzeit!