Hin wie her 100 Millionen

Kreistag arbeitet seit gestern an der weitreichendsten Investition: dem Klinikneubau

Zeitdruck, aber auch die gewaltigen Investitionslasten sowie Baurisiken sind die entscheidenden Faktoren bei der zu treffenden Zukunftsentscheidung Neubau Krankenhaus am Standort Freudenstadt. Gestern hat der Kreistag das 100-Millionen Euro-Investitionspaket vorberaten. In zweieinhalb Monaten soll die definitive Weichenstellung beschlossen werden.

03.05.2016

Von Siegfried Schmidt

Das Freudenstädter Krankenhaus ist in die Jahre gekommen. Wie es künftig weitergeht, darüber hat der Kreistag gestern die ersten Weichen gestellt. Bild: gen

Das Freudenstädter Krankenhaus ist in die Jahre gekommen. Wie es künftig weitergeht, darüber hat der Kreistag gestern die ersten Weichen gestellt. Bild: gen

Kreis Freudenstadt. Über den erforderlichen Neubau des Klinikums wird ja schon länger debattiert. Alldieweil grundlegende Erneuerungen in dem Gebäudekomplex aus dem Jahr 1976 anstehen. Sowohl die Haustechnik, die Installationen wie auch die Gebäudestruktur des Freudenstädter Krankenhauses genügen laut Träger (Kreis Freudenstadt) und KLF-Betriebsleitung nicht mehr heutigen organisatorischen und medizinischen Erfordernissen.

Es werde mithin immer schwieriger, so eine Studie, einen zeitgemäßen und effizienten Krankenhausbetrieb zu gewährleisten. Für die moderne medizinische Versorgung bedürfe es neben einer hohen therapeutischen Qualität auch eines ansprechenden Arbeitsumfelds und wirtschaftlicher Betriebsabläufe mit hoher Nutzungs-Flexibilität. All dies sei in der veralteten Gebäudeinfrastruktur nur noch eingeschränkt und mit hohen Kosten verbunden möglich.

Gestern nun hat die Kreisverwaltung ihre Absichten untermauert, am angestammten Klinikstandort Freudenstadt einen „Teilneubau“ zu errichten. Der dazu gehörige Beschlussvorschlag lag den Kreisräten bereits vorformuliert als Akte auf.

Zum Zielbeschluss gehören auch diverse Durchführungsschritte. Dergestalt, dass die betriebsführende KLF gGmbH beauftragt wird, alle erforderlichen Planunterlagen erstellen zu lassen und sie gleich nach den Sommerferien bei der Genehmigungsbehörde einzureichen.

Ferner wird der KLF auferlegt, von Beginn an „alle Maßnahmen zu ergreifen“, damit der prognostizierte Kostenrahmen von rund 100 Mio. Euro eingehalten bleibt. Zumindest hinter diesem letzten Passus steht augenscheinlich die Sorge, dass das Gesamtprojekt Klinikneubau finanziell nicht aus dem Ruder läuft und dem Einrichtungs-Träger gar entgleitet. Mit drei Alternativen durfte sich der Kreistag gestern in öffentlichem Dialog im Kienbergsaal des Kongresszentrums auseinandersetzen:

Generalsanierung im Bestandsgebäude: Dies würde laut Untersuchungen eine Bauzeit von 13 Jahren(!) bei laufendem Betrieb nach sich ziehen. Und Kosten von erklecklichen 100,45 Millionen Euro aufwerfen. In der Vorlage steht denn auch die klare Marschroute: „Insbesondere wegen der sehr langen, Patienten und Mitarbeiter stark beeinträchtigenden Bauzeit, muss diese Variante ausscheiden.“

Teilneubau: Wesentliche Teile des Krankenhauses sollen auf dem KLF-eigenen Grundstück südöstlich des vorhandenen Krankenhauses neu entstehen. Dabei soll aber das erst 2008 fertiggestellte Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) mit dem Heli-Landeplatz dabei weiter genutzt werden. Diese 2. Variante käme bei einer Bauzeit von 6,5 Jahren voraussichtlich auf 98 Millionen Euro Baukosten, wovon der Landkreis 49 Millionen als Eigenanteil zu tragen hätte. Vorteil: Das Ganze wäre auch zügig umsetzbar.

Denkbar wäre auch, einen Komplettneubau des KKH an einem beliebigen Standort in verkehrsgünstiger Mittellage im Kreis zu erstellen. Bauzeit: 6,5 Jahre, wobei weiterer Zeitaufwand in die Auswahl des Grundstücks und in die „Baureifmachung“ zu investieren wäre. Die Kosten für die Quasi-Klinikumneugründung lägen bei knapp 107 Millionen Euro. Problem: Was wird aus dem neuwertigen MVZ mit Hubschrauberlandeplatz, das nicht mehr in alter Funktion weiter genutzt werden kann?

Eigenanteil des Kreises liegt bei knapp

50 Millionen Euro

Zur Finanzierung: Stand gestern geht der Landkreis davon aus, dass ein Krankenhaus-Neubau am Standort durch das Sozialministerium als sinnvoll und auch dringend erforderlich angesehen wird. Eine verbindliche Zusage für eine Landesbeteiligung fehlt jedoch. Verhandlungen mit dem Land stellen immerhin einen Förderzuschuss in Höhe von 50 bis 60 Prozent der Kosten in Aussicht. Bei zurückhaltender Betrachtung und prognostizierten Baukosten von 98 Millionen Euro bliebe beim Kreis ein Eigenanteil von 49 Millionen hängen.

Vorschlag der Kreisverwaltung ist nun, dass der Landkreis einen jährlichen Investitionszuschuss an die KLF in Höhe der jährlichen Investitionssumme (abzüglich der Landesförderung) leistet – und das über einen Zeitraum von 30 Jahren bis zum Jahr 2050. Im Mittel angenommen wären das rund 2,5 Millionen Euro Finanzierungsbeitrag pro Jahr, mit fallender Tendenz, wobei die Anfangs-Maximalbelastung in dem Finanzierungsmodell im Jahr der Neubau-Inbetriebnahme 2021 bei knapp 3,5 Millionen läge. Das Finanzierungsmodell unterstellt aufgrund eines Gutachtens Verbesserungen im operativen Betrieb und eine wirtschaftlichere Betriebsführung. Die angenommenen Wirtschaftlichkeitsreserven verhelfen dem Kreis dazu, dass die künftigen Überweisungen an die Klinikbetrieb günstiger ausfallen als die Defizitbereinigungen der vergangenen Jahre.

Auf Seiten aller Beteiligten, ausgenommen zunächst mal politische Entscheidungsträger, stehen die Zeichen auf Klinik-Neubau. Der Aufsichtsrat der KLF hat sich in 17 Sitzungen mit den Baunotwendigkeiten am Standort Freudenstadt befasst und vor sechs Wochen eine klare Empfehlung ausgesprochen: Pro Realisierung des Neubaus. Das Gutachten der Firma Teamplan (Tübingen) zur Materie präferiert ebenfalls die Variante 2, also den Teilneubau am bisherigen Standort. Die Vorteile überwiegen augenscheinlich: Das neue MVZ-Gebäude könne weiter genutzt, der Neubau ohne wesentliche Beeinträchtigung des laufenden Klinikbetriebs hochgezogen werden. Zudem gilt der gegebene Standort als „bewährt und eingeführt“.

Weil die Verkehrsanbindung in der Nordstadt von Freudenstadt Mängel aufweist, hat die Stadt zwischenzeitlich sich sogar bereit erklärt, eine direkte Straßenanbindung vom Krankenhausstandort zur B 294 auf eigene Kosten herzustellen. Damit soll die Erreichbarkeit des Klinikzentrums deutlich verbessert werden.

Landrat Rückert:

„Es herrscht akuter

Handlungsbedarf“

Ein eigens für eine Zweitmeinung herangezogenes weiteres Gutachterbüro (Fa. Drees & Sommer) spricht sich ebenfalls für den Neubau aus. Und auch die private KLF-Geschäftsführung votiert uneingeschränkt dafür. Krankenhaus-Leiter Ralf Heimbach führte gestern dafür eine ganze Reihe von Vorteilen ins Feld: Den enormen Sanierungsstau nach 40 Betriebsjahren in einem in den 60er-Jahren geplanten Haus, die Reorganisation aller Strukturen und Abläufe, eine höhere Förderquote als bei einer Sanierung, die gewahrte Erlössituation während der Bauzeit, das vorhandene eigene Grundstück und die kurze Realisierungszeit. Aber vor allem auch der Auf- und Ausbau bedarfsgerechter, moderner Krankenhaus-Abteilungen.

Landrat Klaus Michael Rückert bezeichnete das Vorhaben als eminent wichtige Entscheidung für die Menschen und den Standort Landkreis Freudenstadt. Diese müsse gut bedacht und klug getroffen werden. Die 50 Millionen Euro stellten eine große Herausforderung dar. Es herrsche freilich akuter Handlungsbedarf, denn mit den veralteten Strukturen werde es „nicht nochmal 20 Jahre gut gehen“. Die Variante Neubau sei die einzig richtige für den Kreis, hierfür lägen schließlich auch gut validierte Zahlen vor.

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Bürger-Info am 30. Mai / Entscheidung am 18. Juli

Die Kreisverwaltung drängt in Sachen KKH-Neubau auf Eile. Der Beschluss im Gremium soll vor den Sommerferien am 18. Juli fallen. Laut Verwaltung hat das Sozialministerium bereits signalisiert, dass bei Einreichung der Unterlagen (hier Raum- und Funktionsbeschreibung) gleich nach den Ferien die Baumaßnahme ins Landesprogramm geschoben und eine Planungsrate bereits 2017 dafür gewährt werden kann.

Für den Landrat war deshalb gestern die öffentlich geführte Diskussion des Kreistags im eigens dafür anberaumten Kongresssaal auch der Beginn der Bürgerbeteiligung in dieser Kardinalthematik. Für den 30. Mai ist eine Sonder-Infoveranstaltung für die Bürger des Kreises dazu geplant, ebenfalls in Freudenstadt, dann im Großen Kursaal.

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Erstellt:
03.05.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 14sec
zuletzt aktualisiert: 03.05.2016, 01:00 Uhr

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