Horber Hawaii-Feeling

Michael Russ surft und vertreibt Wellenbretter aus Holz

dring 29 – das mag durchaus nach Südsee und Hula-Hoop klingen, sieht aber in Wirklichkeit kaum danach aus. Trotzdem gibt es eine ganz direkte Verbindung zwischen dieser Adresse auf dem Hohenberg und Hawaii. Denn hier entwirft und vertreibt der Grafik-Designer Michael Russ unter dem Label „TikiApe“ klassische Surfboards aus Holz. Die sind selbst in Kona auf Big Island gefragt und das ist für den Horber wie der Ritt auf der einen Welle, die so richtig Gänsehaut erzeugt: Mit Inspirationen aus Horb die hawaiianische Surf-Hochburg erobern.

27.08.2016

Von Anette Rieger

Federleicht übers Wasser reiten auf Brettern aus Holz – diesen Traum hat sich Michael Russ mit seinem eigenen Surfbrett-Label „TikiApe“ erfüllt. Inzwischen designt und vertreibt er dazu auch passende Klamotten – und lässt dabei immer mal wieder Horber Geschichten einfließen. Bild: Kuball

Federleicht übers Wasser reiten auf Brettern aus Holz – diesen Traum hat sich Michael Russ mit seinem eigenen Surfbrett-Label „TikiApe“ erfüllt. Inzwischen designt und vertreibt er dazu auch passende Klamotten – und lässt dabei immer mal wieder Horber Geschichten einfließen. Bild: Kuball

Horb. Horb anno 1977. Das war der Sommer, in dem Vater Russ seinem zehnjährigen Michael aus alten Rollschuhen ein erstes Skateboard gebaut hat. Das war Michaels Ding: Auf dem Brett die Straße lang flitzen. Und auch heute noch, mit 49 Jahren, erinnert sich der Horber genau an den Tag, an dem er sein erstes echtes Skateboard sah. Das war im Mühlgässle bei Sport-Stopper. Ferrari-rot stand es im Schaufenster, als warte es nur auf ihn: ein Original Sunski Bullet, Modell California. Für stolze 99 Mark war es tatsächlich bald darauf seines.

Von da an war Michael Russ ein großer Fan von Brettern unter den Füßen. Bis weit über 30, als Grafik-Designer in München, rollte er mit dem Skateboard zu Terminen. Dabei ging es ihm nie um die ganz kühnen Sprünge. Rollen, gleiten, surfen – das ist das, was ihm gefällt. Und mittlerweile noch viel lieber auf dem Wasser als an Land.

Hohlbausweise sorgt

für die nötige

Leichtigkeit der Bretter

Ende der 80er Jahre hatte Russ in Portugal die Begeisterung für das Wellenreiten erwischt. Fortan war er mindestens einen Monat im Jahr zum Surfen unterwegs. Michael Russ ist in Brasilien, Sri Lanka, Venezuela, immer wieder in Portugal und ganz besonders gerne in Indonesien gesurft. Dabei hat er etliche Surfbretter verschlissen und irgendwann dann mal recherchiert, dass die Hawaiianer ja lange vor der Kunststoff-Ära schon auf Holzbrettern durch die Augen der Wellen jagten. Russ hat dann selbst mit heimischen Hölzern experimentiert und dabei aber festgestellt: Selbst Schongauer Fichte, aus der Gitarren gebaut werden, ist zu schwer für ein Surfbrett. Balsa-Holz, wie es die Amis verwenden, war teuer und in Deutschland kaum in der gewünschten Länge zu bekommen. Schließlich fand er über eine Internet-Börse in Indonesien einen Holzhändler. Der vermittelte ihm den Kontakt zu einem Australier, der in einer kleiner Manufaktur Surfbretter baut – aus Holz. Von dem ließ er sich vor Ort zwei Bretter in Hohlbauweise anfertigen – und zierte diese mit seinem Logo und Brand „TikiApe“.

Für „TikiApe“ stand sein guter alter Jocko Pate, der erste Plüschaffe aus dem Hause Steiff. Den hat der Urgroßvater Wilhelm Russ um 1918 seinem Sohn Walter geschenkt, der hat ihn an Michaels Vater Wolfgang weitervererbt und auch Michael selbst hatte mit Jocko einen ganz besonderen Freund in seiner Kindheit. Mittlerweile ist das Äffle ziemlich „abgespielt“ um nicht zu sagen ramponiert und eigentlich sind nur noch der Kopf und die Arme original. Doch Charakter und ein heißes Herz, das hat er bis heute. Aufgepeppt mit Flammen hat Michael Russ ihm jetzt schon auf zig Surfbrettern aus Holz ein Denkmal gesetzt – denn das prangt jetzt auf all seinen Boards, die er seit vier Jahren in Indonesien herstellen lässt und dann via Internet-Shop und hauptsächlich aber über die angesagten Surfläden vertreibt.

Eine Accessoires-Linie ergänzt den Surfbrett-Vertrieb. Und auch in der lebt eine Horber Anekdote fort. Längst gibt es den Sport-Stopper nicht mehr. Und auch der „Heizöl-Ammon“ wird nur noch denjenigen ein Begriff sein, die das Horb des 20. Jahrhunderts kannten.

„Heizöl-Ammon“ jedenfalls hatte irgendwann vor etwa 20 Jahren einen Wasserschaden in seinem alten Türmchen neben dem heutigen Wein-und Teehaus und stellte deshalb im Mühlgässle eine ganze Kiste Bücher zum Sperrmüll raus.

Unter den Schmökern waren die melancholischen Gedichte von Nikolaus Lenau. Michael Russ nahm weder Titel, Autor noch Inhalt wahr, als er die Bücherkiste durchstöberte und dabei auf dieses Buch stieß. Ihm gefiel einfach nur die florale Ornamentik auf dem alten Umschlag, mit der ein Buchdrucker um 1900 das leinengebundene Werk verziert hat. Dabei ist Lenau eine durchaus spannende Figur gewesen, das sei hier angemerkt, ein Dichter der Spätromantik und Freund von Justinus Kerner, der zwischen Wien und Schwaben pendelte und der dem Wahnsinn verfallen 1850 mit gerade mal 48 Jahren gestorben ist.

Die Produktion der Shorts und Shirts ist in Rio de Janeiro

Michael Russ jedenfalls hat das Buch jahrzehntelang aufbewahrt. Als Grafik-Designer durchforstet er immer wieder alte Bücher und stößt dabei auf Motive, die nicht so „mainstreamig“, sondern selten und wertig sind. Als es ans Design seiner 2016er-Kollektion ging, da hat er den über 100 Jahre alten Gedichtband von Lenau wieder ausgegraben – und die Schnörkel vom Umschlag auf seine „TikiApe“-Shorts gedruckt. Den Horber Hintergrund sieht man dem Höschen nicht an. Es mutet eher retro-karibisch an und auf jeden Fall sehr stilvoll.

Als nächstes will Michael Russ das Buch „Palmblätter“ von dem Kirchlieddichter und Pietisten Gerok „verwerten“. In dem findet sich ein Missionsschiff mit weißen Segeln unter Palmen – wie es kaum passender für ein Hawaiihemd sein könnten.

Bislang kommt TikiApe mit dem Horber Design vor allem bei den etwas gediegeneren Surfern gut an. Für die jungen Wilden in der Surferszene ist das Äffchen von Russ fast zu schmusig. Russ will ihm deshalb demnächst einen etwas brachialeren Ausdruck verpassen, damit die nachhaltig hergestellten Surfboards weiterhin so gut Kurs halten von Indonesien bis nach Hawaii. Nebenbei kümmert er sich um die Textil-Produktion seiner Shorts und Shirts in Rio de Janeiro – und kann sich wie ein kleiner Junge darüber freuen, dass sich das alles ganz prima vom Horber Südring aus managen lässt.

Siehe auch die Bilderseite „SÜDWEST PRESSE EXTRA“

Michael Russ surft und vertreibt Wellenbretter aus Holz

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Erstellt:
27.08.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 45sec
zuletzt aktualisiert: 27.08.2016, 01:00 Uhr

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