Monsieur Pierre geht online

Monsieur Pierre geht online

Der französische Altstar Pierre Richard spielt einen Witwer, der auf seine alten Tage die Freuden des Internets entdeckt.

21.04.2017

Von Klaus-Peter Eichele

Monsieur Pierre geht online

Wenn ihn sein Computerlehrer bittet, ein Fenster zu öffnen, reißt Monsieur Pierre die Balkontür auf. Gemeint war natürlich das Fenster eines Internet-Bowsers. So ist das eben, wenn ältere Herrschaften die Geheimnisse der digitalen Welt ergründen wollen? Abgesehen von dieser Klamauk-Einlage entspricht Pierre jedoch überhaupt nicht dem Klischee des in Computerdingen begriffsstutzigen Seniors. Unter den Fittichen seines jungen Mentors Alex bewegt er sich vielmehr schon nach kurzer Lehrzeit auf Flirt- und Dating-Portalen wie ein Fisch im Wasser – wobei er sein Alter von 80 Jahren und sein zerknittertes Aussehen tunlichst verheimlicht.

Durch die neuen Möglichkeiten der Kommunikation blüht der Witwer regelrecht auf. Zuvor hatte er den ganzen Tag griesgrämig in seiner abgedunkelten Wohnung zugebracht – jetzt geht er wieder einkaufen und putzt sein Domizil auf Hochglanz. Vor der analogen Begegnung mit einer weiblichen Online-Bekanntschaft, die sich von der traurigen Geschichte des Tods seiner Ehefrau rühren ließ, schreckt Pierre jedoch zurück. Stattdessen schickt er seinen 50 Jahre jüngeren Lehrer ins Rendezvous mit der hochsensiblen und ebenfalls vom Leben gebeutelten Flora (Fanny Valette). Was er mit diesem grotesk unglaubhaften und menschlich fiesen Täuschungsmanöver bezweckt, bleibt freilich rätselhaft.

Als Zuschauer hat man angesichts dieser hanebüchenen, sehr entfernt an Cyrano von Bergerac erinnernden Ausgangslage des Films von Stéphane Robelin („Und wenn wir alle zusammenziehen?“) jedenfalls kaum noch Lust, den folgenden Verwicklungen mit einer gewissen Anteilnahme zu folgen.

Aber auch die Schauspieler wissen mit der Konstellation wenig anzufangen. Pierre Richard, Frankreichs Starkomiker der 1970-er Jahre („Der große Blonde“), ist ständig im Zwiespalt, ob er den liebenswerten Charmeur oder den Dirty Old Man mimen soll. Nachwuchskraft Yaniss Lespert als sein widerwilliger Komplize im Liebeskomplott erstarrt von vornherein im Phlegma.

Unter solchen Umständen kommt auch die Komödie, die „Monsieur Pierre“ in erster Linie sein will, nicht in Schwung. Familiäres Hickhack, das mit der Haupthandlung nur lose verbunden ist, macht die Sache zusätzlich zäh.

Wenn derlei menschlicher Unfug Schule macht, sollte das Internet für Senioren gesperrt werden.

Der große Blonde kehrt zurück

Tollpatschig, liebenswert und mit dem nötigen Charme ausgestattet, um die ein oder andere Frau herumzukriegen – mit diesem Image wurde der französische Schauspieler Pierre Richard in den 1970er Jahren berühmt. Vor allem in Deutschland war er als „der große Blonde“ populär: Die Agentenfilm-Parodie „Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh“ bescherte ihm den Durchbruch, deutsche Filmtitel wurden fortan, ungeachtet des französischen Originaltitels, nach dem bewähren Muster gewählt, etwa in „Der lange Blonde mit den roten Haaren“.

Während viele Komödien-Darsteller im „echten Leben“ völlig anders sind als ihre lustigen Filmfiguren, sieht Richard durchaus Parallelen:„Ich war schüchtern, zerstreut, ungeschickt, und ich nutzte meine Macken, um den „großen Blonden“ zu erfinden“, sagte er der Süddeutschen Zeitung.

Ernste Rollen zünden nicht

Dennoch versuchte er später, vom Image des Trottels wegzukommen und spielte tragische Rollen. An den Erfolg seiner Komödien konnte er damit aber nicht anknüpfen. „Die Leute wollen über mich lachen“, räumt Richard ein, der auch auf sich selbst mit Humor blicken kann. So erzählt er der „Welt“ die Geschichte, als er in einem Hotel einen Mann mit Badehose sieht und ihm, annehmend dieser begebe sich zum Pool, ebenfalls in Badehose folgt. Wie sich herausstellte war der andere ein Exhibitionist.

Die Schauspiellegende ist mittlerweile 82 Jahre alt – und spielt wieder erfolgreich in Komödien. Zuletzt in Stéphane Robelins „Und wenn wir alle zusammenziehen?“, ein Film über eine eigenwillige Rentner-WG, in dem auch Geraldine Chaplin, Guy Bedos, Jane Fonda, Claude Rich und Daniel Brühl mitspielen. Richards Figur ist zunehmend dement, was auch tragische Züge annimmt, etwa wenn er am Ende vergisst, dass seine Frau gestorben ist.

Auch für „Monsieur Pierre geht online“ arbeiten Robelin und Richard wieder zusammen, für den Schauspieler eine Paraderolle: In voller Naivität verursacht er maximales Chaos – richtig übel nehmen kann man es ihm aber nicht. yel

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Erstellt:
21.04.2017, 10:11 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 00sec
zuletzt aktualisiert: 21.04.2017, 10:11 Uhr

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