Die Bugwelle kam aus dem Nichts

Nach dem Hochwasser arbeiteten die Betzinger mit Hochdruck an den Schäden

Bereits in der Nacht zum Samstag begannen die Betroffenen des zuvor niedergegangenen heftigen Unwetters mit den Aufräumarbeiten, die das gesamte Wochenende über andauerten. Insbesondere in Betzingen und Pfullingen, stellenweise aber auch in der Reutlinger Innenstadt hat Hochwasser gewaltige Schäden verursacht.

26.06.2016

Von Hans-Joachim Lang

Betzingen/Reutlingen. „Eine Katastrophe wäre es gewesen, wenn Personen zu Schaden gekommen wären“, beschwichtigte Dagmar Krause, Mitinhaberin des Schuhhauses Nestel. Entlang der Steinachstraße standen am Samstagmorgen bereits mehrere Container, die von Anwohnern mit unbrauchbar gewordenem Hausrat befüllt wurden. In der Nacht war die Straße kniehoch von der Echaz überflutet worden, überall hatten die Wassermassen in Keller und Schuppen gedrückt, teilweise auch in die Läden.

In der Metzgerei Seitz kehrte Juniorchefin Christine Seitz noch Wasserreste aus dem Verkaufsraum, als wir bei einem Rundgang durch den Ort mit Betroffenen sprachen. Noch in der Nacht waren vier Familienangehörige, nachdem sie daheim alarmiert worden waren, herbeigefahren, um den Betrieb zu sichern. Eine Rundum- Grundreinigung stand ihnen bevor. Das Ausmaß eines elektrischen Defektes, den das Wasser unter der Theke angerichtet hatte, stand noch nicht fest.

Auf der Straßenseite gegenüber ließ sich David Bender in einen Sessel sinken und streckte erschöpft alle Viere von sich. Der Sessel stand neben einem Container, gleich würde das nicht mehr wohnraumtaugliche Möbelstück dorthin verschwinden. Mit Freunden und anderen Wohngemeinschaftsmitgliedern beseitigte er Wasserschäden. Zur Unwetterzeit war niemand daheim gewesen. „Gegen die Natur kann man nichts machen“, sagte Bender schulterzuckend. „Gegen den Klimawandel aber sehr wohl“, ergänzte eine WG-Helferin. „Und gegen die Lanschaftsversiegelung auch.“

Auf der überdachten Holzbrücke, die über die Echaz hinüber zur Wernerschen Mühle führt, schrubbte ein bereits schweißnasses Team um Meinolf Scheibner. Er ist Wirt des in der Mühle untergebrachten Vereinsheims der „Krautskräga“. Mit Helfern hatte er gleich kurz vor Mitternacht bis zum Morgengrauen im überschwemmten Keller, der als Lager genutzt wird, Schäden beseitigt. Da am Kanal der Mühle der Schieber geschlossen war, drückte das Wasser sofort in Keller und Nebengebäude. Viel Narren-Equipment wurde aufgeweicht und muss entsorgt werden. Am frühen Morgen war das Team wieder zur Stelle, um auf dem Gelände weiter aufzuräumen. Weitere Unterstützer kamen hinzu. „Wir schaffen das“, hieß die Parole, wie Scheibner schmunzelnd berichtete. Im schaffenskräftigen Überschwang wurde die Brücke gleich mitgesäubert, obwohl sie gar nicht zum Hoheitsgebiet der „Krautskräge“ gehört.

Schaulustige „Hochwassertouristen“ waren in der Nacht zwar auch zur Stelle, sagte Dagmar Krause. Fast so schnell wie die Echaz über ihr Bett geschwappt war. Doch die Geschäftsfrau wollte die Gaffer gar nicht so sehr in den Vordergrund stellen. Wie alle, die im Ort anzutreffen waren, wirkte sie übermüdet von allen nächtlichen Anstrengungen. „So schnell wie diesmal hatte das Hochwasser noch nie alles überflutet. Es kam wie eine Bugwelle aus dem Nichts hereingeschossen.“ Sie verursachte trotz Schutzvorkehrungen hohe Lagerschäden. „Wenigstens der Laden ist dank einer Schwelle trocken geblieben.“ Begeistert war sie von der vielfältigen Hilfe: „Der Zusammenhalt ist einfach toll!“ Noch in der Nacht seien Nachbarn mit Schneeschippen angerückt, um die Schlamm-Massen vom Hof zu fegen. Sogar Personal sei gekommen, das am Samstag eigentlich frei hatte.

Die Ladeninhaberin berichtete, dass auch mehrere Politiker zur Stelle waren. Landrat Thomas Reumann noch in der Nacht, am frühen Morgen auch Oberbürgermeisterin Barbara Bosch. Dagmar Krause sah es mit Wohlwollen, sie ist aber auch Ortschaftsrätin. Darum fügte sie mahnend hinzu: „Ich setzte auf Wirkung. Effektiver Hochwasserschutz ist zwar teuer, aber kein Luxus. Darum hat er für uns eine hohe Priorität.“

Am Freitag kurz vor Mitternacht in der Steinachstraße im Betzinger Zentrum. Bild: Feuerwehr

Am Freitag kurz vor Mitternacht in der Steinachstraße im Betzinger Zentrum. Bild: Feuerwehr