Kunstaktion

Neues Leben für alten Friedhof

Mitten im Herzen von Horb entsteht ein Art-Park, ein Ort für Skulpturen, Installationen und für Überraschungen.

14.11.2017

Von Dagmar Stepper

Schuhe und Bäume als Sinnbild des Lebens – geschaffen von einem Künstler, der aus Nigeria geflohen ist. Bilder: Kuball

Schuhe und Bäume als Sinnbild des Lebens – geschaffen von einem Künstler, der aus Nigeria geflohen ist. Bilder: Kuball

Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit. Karl Valentin hat das gesagt, es steht auf der Internet-Seite von Art-Park. Kurator Michael Widmann spürt das gerade am eigenen Leib. Er steht auf dem Gelände des alten Friedhofs hinter der Gutermann-Grundschule. Es regnet leicht. Widmann versucht, einen an einer Schnur hängenden Tennisball über einen in fünf Meter Höhe hängenden Baumast zu werfen. Vergeblich. Er probiert es erneut. Doch wieder geht der Ball daneben. Widmann grinst trotzdem. Kunst macht eben auch Arbeit.

Warum Widmann einen Tennisball in die Höhe wirft, klärt sich. Es dient einer Installation von Joseph Horejs, mit dem klingenden Namen „Swinging“. Der Amerikaner will in schwindelerregender Höhe eine Kinderschaukel baumeln lassen. Doch die muss ja irgendwie nach oben kommen. Daher der Ball und die Schnur. Aber warum hängt die Schaukel so weit oben? „Sie ist unerreichbar. Die Schüler der Gutermanngrundschule sehen wahrscheinlich sehnsüchtig hinüber“, interpretiert Widmann. Eine swingende Schaukel als Hingucker und Symbol für Sehnsucht.

Widmann machte einfach

Der Tennisweitwurf ist nicht die einzige skurrile Szene an diesem ungemütlichen Montagmorgen. Zwischen zwei Bäumen nestelt Margarita Rosenberg aus Israel bunte Bänder. „Door“, eine Tür wird das Werk, wenn es fertig ist. Die Grundschüler haben gerade Pause und schauen interessiert herüber. Normalerweise schlummert das Gelände zwischen Schule und dem evangelischen Gemeindehaus in der Weingasse im Dornröschenschlaf. Vereinzelt stehen Bäume hier, Wege führen den Hang hinauf. Hin und wieder verirrt sich einer beim Gassigehen her. Von 1400 bis 1903 war hier der alte Friedhof von Horb. Bis er platt gemacht wurde und die Grabsteine zu Bauschutt wurden. Widmann mag das Gelände. Es ist im Herzen der Stadt, doch nur wenige kennen es. So entstand in ihm die Idee des Art-Parks auf dem alten Friedhof. Ein Park mit Skulpturen und Installationen, geschaffen von internationalen Künstlern und Geflohenen. „Als ich im März von der Idee erzählt habe, sagten alle: ‚Mach, mach, mach‘“, erzählt Widmann. Also machte er.

Widmann wohnt in Horb, ist selbst Künstler, er arbeitet mit Stoffen. Und er ist bei der Diakonie in Sulz beschäftigt, wo er auch in der Flüchtlingsarbeit tätig ist. So fügt sich das Ganze zusammen. Er hat die entsprechenden Kontakte, kann auf ein Netzwerk bauen. Trotzdem war es keine leichte Geburt. Die erste Resonanz der Kunstschaffenden war überschaubar. Daher ist es für Widmann jetzt um so schöner, wenn ein Kunstwerk nach dem nächsten aus dem Boden wächst. Sieben werden es insgesamt bis zur Eröffnung am Donnerstag sein. Dass es Herbst wurde, findet Widmann nicht schlimm. „Der Herbst ist bunt, so soll auch die Kunst hier sein.“

In einem Baum wiegen Schuhe im Wind. Jamiu Olokodana aus Nigeria drückt damit seine Erfahrungen auf der Flucht aus. Drei Jahre brauchte er, um von Afrika nach Europa zu gelangen. Viele Sohlen hat er verschlissen. Gutes Schuhwerk wurde zum Synonym fürs Überleben. Genauso wie ein schattiger Baum in der Wüste. „Jamiu hat während seiner Flucht von den Wäldern in Europa geträumt. Der Baum wurde zum Sinnbild des Lebens. Daher hat er sein Werk ‚Wegbegleiter‘ genannt“, erläutert Widmann.

Frieden ist zerbrechlich

Er führt durch den Park. In einer Ecke steht eine Kiste aus Holz, drei Steine befinden sich darin. In deutsch, arabisch und hebräisch steht das Wort Friede darauf. Ein Riss geht durch die Steine. Frieden ist eben zerbrechlich. Syrische Flüchtlinge haben es in der Bildhauerwerkstatt Jo Nagel in Althütte geschaffen. Mit dem Werkstoff Holz setzen sich zwei syrische Künstler auseinander. Akhil Amer schafft Holzskulpturen, Rasha Deeb wird vor Ort Holz bearbeiten, eine Liveinstallation, bei der die Besucher ihm zuschauen können. Der letzte im Bunde ist Frank Fierke, kein Unbekannter in der Region. Er wirkt in Starzach-Börstingen im Kunstort Eleven Artspace, steht für Licht- und Luftobjekte. Seine Arbeit hier nennt er „Gold“.

Der Horber Art-Park wird ein sich wandelnder Ort sein. Zu den Skulpturen und Installationen gesellt sich ein Kultur- und Kunstprogramm. Jeden letzten Donnerstag im Monat spannt sich der Bogen von Musik über Tanz, Lesung, Film bis zu Entspannungsübungen. Widmann ist überzeugt, dass der Park eine Bereicherung für Horb ist: „Der Park wird wiederbelebt und rückt wieder ins Zentrum von Horb.“ Und genauso wie die Gartenschau die Neckarauen verändert hat, haucht der Art-Park dem alten Friedhof neues Leben ein.

Joseph Horejs (links), Kurator Michael Widmann und Margarita Rosenberg befestigen eine Installation zwischen zwei Bäumen.

Joseph Horejs (links), Kurator Michael Widmann und Margarita Rosenberg befestigen eine Installation zwischen zwei Bäumen.

Das Areal

Von 1400 bis 1903 war das Gelände zwischen Gutermann-Grundschule und Weingasse der Friedhof von Horb. Nach der Schließung wurde der Bereich zu einem Park, der allerdings wenig in den Köpfen der Horber verankert ist. Das könnte sich mit der Eröffnung des Art-Parks am Donnerstag, 16. November, um 19 Uhr, ändern. Denn nicht nur Skulpturen und Installationen sind geplant, sondern jeden letzten Donnerstag im Monat auch ein abwechslungsreiches Kultur- und Kunstprogramm. Mehr unter www.artpark-horb.de

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Erstellt:
14.11.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 30sec
zuletzt aktualisiert: 14.11.2017, 01:00 Uhr

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