Lehrbeauftragte wollen Aufwertung

Petition übergeben: Aktivisten wollen die Situation des akademischen Prekariats verbessern

Sie bilden Lehrer aus, verdienen aber weniger als den gesetzlichen Mindestlohn: Lehrbeauftragte an den Universitäten. Eine Initiativgruppe möchte die Situation dieses akademischen Prekariats verbessern. Am Mittwoch übergab sie dem Kanzler der Uni Tübingen eine Petition.

26.11.2015

Von Philipp Koebnik

Vertreterinnen und Vertreter der Initiativgruppe, darunter die Ethnologie-Doktorandin Stefanie Kicherer (Mitte) und die Französisch-Lehrerin Catherine Brillot (links), übergeben dem Kanzler der Universität Andreas Rothfuß (zweiter von rechts) eine Petition zur Verbesserung der Situation von Lehrbeauftragten. Bild: Koebnik

Vertreterinnen und Vertreter der Initiativgruppe, darunter die Ethnologie-Doktorandin Stefanie Kicherer (Mitte) und die Französisch-Lehrerin Catherine Brillot (links), übergeben dem Kanzler der Universität Andreas Rothfuß (zweiter von rechts) eine Petition zur Verbesserung der Situation von Lehrbeauftragten. Bild: Koebnik

Tübingen. „Das war ein guter Trick, um auf Kosten der Lehrenden zu sparen“, bringt Stefanie Kicherer die Kritik auf den Punkt. Die Ethnologin engagiert sich in einer Gruppe, die sich Ende vergangenen Jahres gegründet hat (wir berichteten), um die Situation von Lehrbeauftragten an der Uni Tübingen zu verbessern.

Lehrbeauftragte (siehe Kasten) sollen das Lehrangebot der Uni durch ihre Berufspraxis bereichern. In den vergangenen Jahren hat sich ihre Zahl an den deutschen Hochschulen massiv erhöht. Inzwischen, so kritisieren ihre Vertreter, würden nur noch die wenigsten Lehraufträge an Leute außerhalb der Uni vergeben. In der Regel seien Lehrbeauftragte Doktoranden, Post-Docs, Habilitanden und Habilitierte – kurz: Akademiker, die bislang keine Festanstellung in der Wissenschaft finden konnten. Vielfach leisten sie die gleiche Arbeit wie Festangestellte, allerdings zu deutlich schlechteren Konditionen, beklagen auch Verdi und GEW. Lehrbeauftragte sind nicht angestellt, sondern arbeiten auf Honorarbasis. Da die Aufträge befristet sind, haben sie kaum Planungssicherheit.

„Die Bedingungen sind total prekär“, sagt Catherine Brillot, die ebenfalls zur Initiativgruppe gehört. Sie hat einen Master in Französisch als Fremdsprache und arbeitet unter anderem am Deutsch-Französischen Kulturinstitut. „Ich bekomme nur die Unterrichtszeit bezahlt, nicht die Zeit, die ich etwa zum Korrigieren von Arbeiten oder für Sprechstunden brauche.“ Außerdem ist Brillot, wie andere Lehrbeauftragte auch, nicht sozialversichert. Der tatsächliche Netto-Stundenlohn eines qualitativ hochwertigen Seminars – das entsprechend vor- und nachbereitet werden muss – liege bei drei bis fünf Euro. „Es ist absurd“, hebt Kicherer hervor, „dass jene, die zum Beispiel Sprachlehrer für Gymnasien ausbilden, weniger Geld verdienen als diejenigen, die sie ausbilden.“

Vier Aktivisten übergaben dem Uni-Kanzler Andreas Rothfuß am Mittwoch eine Petition, in der sie unter anderem eine höhere Vergütung und die Sicherstellung des „ergänzenden Charakters“ der Lehraufträge fordern sowie „Dauerstellen für Daueraufgaben“. Außerdem sollen auch Lehrbeauftragte durch den Personalrat vertreten werden. Knapp 1300 Unterschriften hat die Gruppe in den vergangenen Monaten gesammelt, um diesen Forderungen Nachdruck zu verleihen.

„Herr Rothfuß hat sich anderthalb Stunden Zeit für uns genommen“, freute sich Kicherer nach dem Gespräch mit dem Kanzler. „Er hat unser Anliegen wohlwollend zur Kenntnis genommen.“ Einige Forderungen fielen allerdings in den Zuständigkeitsbereich des Landes. Immerhin: Rothfuß habe zugesagt, sich für eine Erhöhung der Vergütungssätze stark zu machen. Denn bei deren Bemessung haben die Institute durchaus einen gewissen Spielraum nach oben.

Lehraufträge an den Unis – Anspruch und Wirklichkeit

Ursprünglich sollten Lehraufträge dazu dienen,

Expertise von außerhalb an die Universitäten zu holen: Qualifizierte Personen aus unterschiedlichen Berufsfeldern sollten das Lehrangebot der Unis mit praxisorientierten Seminaren ergänzen. Inzwischen machen Lehraufträge in manchen Fächern allerdings einen Großteil der Kernlehre aus. Dabei leisten Lehrbeauftragte die gleiche Arbeit wie Festangestellte – für weniger Geld.

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Erstellt:
26.11.2015, 07:20 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 22sec
zuletzt aktualisiert: 26.11.2015, 07:20 Uhr

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