Miteinander, statt übereinander

Rameza Bhatti aus Horb erklärt, wie sie als gläubige Muslima die Islamdebatte erlebt

Eine Burka zu tragen sei eine Unterdrückung von Frauenrechten, ist eines der Argumente in der Debatte um ein mögliches Verbot in Deutschland. Die gläubige Muslima Rameza Bhatti aus Horb hält nichts von der Bevormundung von islamischen Frauen und der Reduzierung einer Religion auf ein Kleidungsstück. In Horb selbst gebe es sowieso weder die Burka, noch die Vollverschleierung Niqab.

01.10.2016

Von Bianca Bernhard

Rameza Bhatti ist gläubige Muslima und möchte das nach außen hin vermitteln: durch ihre Lebensweise und durch das Tragen eines Kopftuchs. Bild: bib

Rameza Bhatti ist gläubige Muslima und möchte das nach außen hin vermitteln: durch ihre Lebensweise und durch das Tragen eines Kopftuchs. Bild: bib

Horb. Die 21-jährige Rameza Bhatti ist von Kopf bis Fuß durchgestylt: Gekonnt trägt sie schwarze Schnürschuhe mit einem kleinen Absatz, eine hellblaue Röhrenjeans, einen schneeweißen Mantel. An den Fingern trägt sie dunklen Nagellack. Die Wimperntusche betont ihre großen Rehaugen. Ihre Körperhaltung vermittelt Selbstbewusstsein und stolz. Das cremefarbene Kopftuch, das die dunklen Haare der Studentin bedeckt, rundet ihr Auftreten ab.

Seit eineinhalb Jahren trägt die Politikstudentin aus Horb ein Kopftuch, einen sogenannten Hidschab. Anfangs nur ab und an, inzwischen jeden Tag. „Erst hatte ich Angst, dass ich wegen des Kopftuchs ausgegrenzt werde“, erzählt Bhatti. „Aber ich habe gemerkt, dass sich in meinem Umfeld nichts verändert hat.“ Das Kopftuch trage sie aus Liebe zu Gott und weil sie sich nach außen hin als gläubige Muslima zeigen möchte. „Wenn man sich für eine Religion entscheidet, dann sollte man sich komplett dafür entscheiden, nicht nur für die Aspekte, die einem gut gefallen“, erklärt Bhatti ihre Gründe.

Die Eltern der Horberin sind kurz vor der Geburt ihrer Tochter Rameza von Pakistan nach Deutschland gekommen. Ihre Mutter trägt ebenfalls ein Kopftuch, habe ihre Tochter aber nie dazu gedrängt. Die Schwester von Rameza Bhatti bedeckt ihre Haare nicht mit einem Hidschab. „Natürlich gibt es auch negative Beispiele, die gibt es ja immer“, sagt Bhatti auf die Frage, ob sie glaubt, dass jede Muslima diese Entscheidung selbst treffe. Von der Debatte um ein mögliches Burka-Gesetz hält die Politikstudentin nichts. „Das ist keine Debatte um den Islam“, sagt Bhatti. „Da geht es um die Selbstbestimmung der Frauen.“

Das Argument, dass Verschleierung diese Selbstbestimmung einschränkt, findet sie unsachlich: „Eine Frau zu zwingen, ihre Burka auszuziehen ist genauso freiheitsraubend, wie sie zu zwingen, eine Burka anzuziehen.“ Außerdem würden viele Menschen in Deutschland zwei wichtige Dinge verwechseln: Zum einen, dass die Burka nicht durch den Koran vorgeschrieben ist, sondern aus der Kultur der Pakistani übernommen wurde. Zum anderen, dass die Burka nicht nur eine Verschleierung bedeute, sondern die vollständige Verschleierung, inklusive Sehgitter vor den Augen. „Im allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnen viele den Niqab als Burka“, erklärt Bhatti. „Eine richtige Burka tragen in den westlichen Ländern meist nur Touristinnen oder extreme Konvertitinnen, die sich nach außen besonders stark mit dem Islam identifizieren möchten.“ Wie bei der Hidschab weiß Bhatti auch hier, dass man nicht pauschal sagen kann, dass jede Frau aus freien Stücken eine Burka trägt – „aber andersrum auch nicht“. Die Muslima kennt keine einzige Frau, die eine Burka trägt und ist auch noch keiner begegnet, schon gar nicht in Horb. Sie glaubt, dass mit diesem Thema Scheinpolitik betrieben wird.

Die Stadt Horb hält Rameza Bhatti für ein Vorzeigebeispiel für gelungene Integration mit einer Vielfalt an Nationalitäten, von der alle nur profitieren könnten. Sie selbst engagiert sich ehrenamtlich und schreibt für die „Huffington Post“ einen Internet-Blog, in dem sie Themen rund um den Islam und die aktuelle Politik diskutiert.

In ihrer Heimatstadt Horb hat sie selbst noch keinen Fremdenhass erlebt, aber mitunter komme es vor, dass Menschen ihre Motive, den Hidschab zu tragen, nicht ernstnehmen: „Wenn ich gefragt wurde, warum ich ein Kopftuch trage und ich erklärt habe, warum ich das selbst will, dann kamen schon Antworten, wie ‚Du hast halt eine Gehirnwäsche bekommen‘. Als wüsste ich überhaupt nicht, was ich möchte.“

In einem Land wie Frankreich, in dem das Burka-Verbot schon Gesetz ist, würde Bhatti nicht leben wollen. Auch für einen Job würde sie ihr Kopftuch nicht ablegen. „Wer bin ich denn, wenn ich meine religiösen Werte zurückstecken muss?“, fragt sie. „Und welche Werte werden denn verletzt, wenn jemand ein Kopftuch oder sogar eine Burka trägt?“

Einem partiellen Verbot der Burka, beispielsweise vor Gericht, stimmt Bhatti zu. Doch ein komplettes Verbot bedeute für sie die schrittweise Annäherung an die Ausgrenzung von muslimischen Frauen, obwohl die Burka mit dem Islam überhaupt nichts zu tun hat.

Bhatti erinnert sich während des Interviews an einen Mann, der ihr bei einem Einkauf in Horb auffiel. Der habe sie beobachtet und auch Bhatti sei neugierig gewesen, was dem Mann auf den Lippen lag. Die beiden kamen ins Gespräch und der fremde Mann fragte Rameza Bhatti ganz direkt, warum sie den Hidschab trage. Die Muslima hat dem Mann nicht nur ihre Motive erklärt, sondern ihn gelobt und sich dafür bedankt, dass er so offen auf sie zukam. Am wichtigsten sei nämlich das Miteinander und nicht das Übereinander.

Hidschab, Niqab, Burka

• Der Hidschab: Ein Kopftuch, das normalerweise Haare und Nacken einer Muslima bedeckt. Das Gesicht bleibt beim Tragen frei.

• Der Niqab: Ein Tuch, das den Kopf und das Gesicht einer Muslima verdeckt, nicht aber die Augen.

• Der Tschador: Ein dunkles Tuch, das um den Kopf und Körper gewickelt wird, nicht aber um das Gesicht. Wird meist von Frauen im Iran getragen.

• Die Burka: Ein Tuch, das den Körper und das Gesicht einer Frau vollständig verhüllt. Im Sehbereich ist ein Augengitter angebracht. Die Burka stammt aus Afghanistan und findet im Koran keine Erwähnung.

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Erstellt:
01.10.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 38sec
zuletzt aktualisiert: 01.10.2016, 01:00 Uhr

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