Right Now, Wrong Then

Right Now, Wrong Then

Der preisgekrönte Film aus Südkorea zeigt zweimal die gleiche Romanze unter leicht veränderten Bedingungen.

01.10.2016

Von Klaus-Peter Eichele

Right Now, Wrong Then

Hong Sang-soo gehört zu jener Sorte Regisseur, deren Filme auf Festivals gefeiert werden, die es aber nur selten ins reguläre Kino schaffen – in Deutschland jetzt zum ersten Mal. Das mag daran liegen, dass sie auf den ersten Blick der Inbegriff des Unspektakulären sind. Eigentlich erzählt der Koreaner immer die gleiche Geschichte: Einander unbekannte Menschen treffen sich, verbringen einige Zeit miteinander, ehe sich ihre Wege wieder trennen. Drama gibt es dabei, wenn überhaupt, nur auf kleiner Flamme.

Sein neues Werk handelt von dem Filmregisseur Chun-su aus Seoul, der aus Versehen einen Tag zu früh zu einem Filmfestival in die Provinz gereist ist. Beim Streifzug durch die Kleinstadt weckt die hübsche Einheimische Hee-jung, die sich als angehende Malerin entpuppt, sein Interesse. Nach holpriger Kontaktaufnahme gehen die beiden zum Plaudern in ein Café, werfen einen Blick auf Hee-jungs Bilder, essen am Abend zusammen Sushi und besuchen anschließend noch Freundinnen der jungen Frau. Zu einer Romanze reicht es allerdings nicht – auch weil dem „Herrn Regisseur“, wie er von den anderen respektvoll genannt wird, in den entscheidenden Momenten die nötige Sensibilität fehlt. Zudem ist er am Ende des Abends sturzbetrunken, weshalb tags darauf auch das Publikumsgespräch in die Binsen geht. Frustriert tritt Chun-su die Heimreise an.

Aber hätte es nicht auch anders kommen können? Im Kino schon. Nach einer Stunde geht der Film zurück auf Anfang und erzählt die Geschichte noch einmal von vorn. Und obwohl die beiden Versionen nur in Kleinigkeiten voneinander abweichen, ist die Stimmung und auch das Ergebnis doch ganz anders. Da schwingt im Hintergrund das alte philosophische Problem der Freiheit des Willens mit. Ist das Handeln des Menschen determiniert oder kann er sein Leben nach eigenem Gusto gestalten? Die Wahrheit liegt, so die Essenz des Films, irgendwo in der Mitte.

Durch die Doppelung gewinnt Hong Sang-soos paradoxe Kunst, Alltagsverhalten rigoros zu durchleuchten und ihm zugleich den Zauber des Unerklärlichen, Zufälligen zu belassen, noch einiges an Reiz. Speziell seine Inszenierung von Gesprächen und ihren Begleiterscheinungen – das verlegene Abtasten, die kleinen Lügen, um Eindruck zu schinden, überhaupt der Subtext des Gesprochenen – ist meisterhaft. Wem seit dem Tod von Eric Rohmer im Kino etwas fehlt, dem sei dieser Film warm ans Herz gelegt.

Erste hiesige Kostprobe vom Meister der Zufallsbegegnung. Nicht verpassen, es könnte die letzte sein.

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Erstellt:
01.10.2016, 15:34 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 14sec
zuletzt aktualisiert: 01.10.2016, 15:34 Uhr

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