Botanische Kostbarkeiten

Seit 40 Jahren ist der Kuglerhang eine Oase für seltene Orchideenarten

Mitten in der Stadt und von der Zivilisation eingekesselt, verbirgt sich auf dem Kuglerhang ein Biotop für geschützte Pflanzen und Tiere. Der ganze Stolz sind die seltenen 16 Orchideenarten. Fast wäre der Hang aber zu einem gewöhnlichen Wald- und Wiesengebiet geworden, wenn nicht vor genau 40 Jahren engagierte Helfer die botanischen Schätze freigelegt hätten. Volkmar Rieber gehörte dazu und erinnert sich an die Anfänge der Kuglerhang-Pflege.

19.05.2016

Von Dagmar Stepper

Im Mai blüht der Kuglerhang auf: Das Helm-Knabenkraut – eine der 16 seltenen Orchideenarten – erstrahlt gerade in satten rosafarbenen Tönen. Bilder:bbm

Im Mai blüht der Kuglerhang auf: Das Helm-Knabenkraut – eine der 16 seltenen Orchideenarten – erstrahlt gerade in satten rosafarbenen Tönen. Bilder: bbm

Horb. Man kann Volkmar Rieber (78) getrost den „Vater des Kuglerhangs“ nennen. Als Biologielehrer kam er Mitte der 1960er-Jahre nach Horb, und da er nicht nur ein Mann der Theorie, sondern auch der Praxis ist, entdeckte er 1975 Orchideen auf dem völlig zugewachsenen Kuglerhang. Dass die Schätze öffentlich wurden, hing mit einem Feuer zusammen, das Kinder beim Spielen gelegt hatten. Der Hang brannte dabei teilweise ab, denn die Feuerwehr konnte nicht rechtzeitig löschen. „Zum Glück“, merkt Rieber an. Denn dadurch konnten die seltenen Orchideen sich wieder ans Tageslicht durchkämpfen.

Rieber bat daraufhin den Naturschutzbeauftragten im Kreis um Unterstützung, damit aus dem Kuglerhang wieder ein Wacholderhang wird. 1976 rückten dann Kulturfrauen, die sonst die Aufforstungen pflegten, an der Bildechinger Steige an. Mit langen Haumessern hieben sie mehrere Tage lang Unmengen an Gebüsch heraus, unter dem der Wacholder fast verschwunden war. Volkmar Rieber und Oberförster Erich Keppler nahmen sich mit Handsägen den kräftigeren Hölzern an.

Es war also im wahrsten Sinne des Wortes Knochenarbeit. Rieber kann sich noch gut an diese Anfänge erinnern. Als Lehrer verpflichtete er auch eine 11. Schulklasse. Die zog mit Seilen und Kälberstricken das Schnittgut aus den hintersten Winkeln des Kuglerhangs zum Abfuhrplatz an der Bildechinger Steige. „Doch die haben das mit unvorstellbarem Eifer gemacht“, sagt Rieber, „nicht so wie heute, wo alle nur noch an ihrem Handy rumspielen.“

Dass der Kuglerhang auch heute noch ein wertvolles Biotop ist, ist noch immer der Handarbeit und dem Engagement vieler ehrenamtlichen Helfern geschuldet. Bis 1966 wurden die steilen Hänge des Kuglerhangs mit Schafen beweidet, dadurch entstand eine Wacholderheide. Denn die Schafe fraßen das Gras, den Wacholder ließen sie stehen. Als mit der Beweidung Schluss war, wuchs das Gestrüpp in die Höhe. Als es 1976 dann ausgemerzt wurde, mussten Menschen in den folgenden Jahren das Nachwachsen verhindern. Rieber kann sich noch gut daran erinnern. „Wir arbeiteten mit Steinsensen, Heckenscheren und Rechnen“, erzählt er. Dadurch wuchs die Artenvielfalt, aus der besonders die Orchideen herausragten. Der Kuglerhang wurde so 1982 zum ersten Horber Biotop mit seltenen Pflanzen- und Tierarten. Die Pflege teilten sich Naturschutzbund (Nabu), Albverein und Schwarzwaldverein, die in der „Offenen Horber Landschaftspflege“ zusammenarbeiteten.

Doch als die Helfer weniger wurden, spielte das Regierungspräsidium Karlsruhe kurz mit dem Gedanken, Ziegen die Arbeit zu überlassen. Rieber schüttelt darüber heute noch den Kopf. „Wenn man Pech hat, ist nach den Ziegen nichts mehr da“, sagt Rieber, „denn Ziegen fressen alles.“

Danach übernahm wieder der Nabu die Pflege. Im Sommer versucht er und seine Mitstreiter, Pflanzen, die im Naturschutzgebiet unerwünscht sind, zu bekämpfen. Ein Beispiel ist die Goldrute, die sich „wahnsinnig“ ausbreitet. Ein anderes die Robinie, die viel Nitrat produziert, das den Boden versauert und nicht gut für die Orchideen ist. Unterstützung bekommt der Nabu auch von Forst-Azubis, die im Herbst den Hang pflegen.

Jetzt, zum 40. Geburtstag, hat der Kuglerhang wieder zu seiner alten Blütenpracht zurückgefunden. Knapp 250 Pflanzen wurden kartografiert. Doch der besondere Stolz gilt den seltenen 16 verschiedenen Orchideen. Gerade ist eine gute Zeit, die Orchideenpracht am Kuglerhang zu genießen. Denn Ende Mai, Anfang Juni ist die Hauptblüte. Das rosafarbene Helm-Knabenkraut mit dem bezeichnenden botanischen Namen „Orchis militaris“, das mit rund 8000 Exemplaren die häufigste Orchideenart ist, steht gerade in voller Blüte. Andere sind eher unscheinbar, wie die Fliegen-Ragwurz, deren Schönheit sich erst beim genaueren Hinsehen entfaltet. Erst jetzt an Pfingsten wurde die 16. Orchidee entdeckt: Es ist der Ohnsporn, eine sehr frühe Orchidee. Eine andere seltene Art ist die Spinnen-Ragwurz, die in braunen Farben leuchtet.

„Hier am Kuglerhang herrschen optimale Bedingungen“, sagt Rieber. Die Sonneneinstrahlung stimmt, die Bodenbeschaffenheit, das Pilzfadengeflecht und die Wasserführung ebenfalls. Rieber schätzt, dass auch die Klimaerwärmung ihren Beitrag geleistet hat, denn in Horb finden sich inzwischen Orchideenarten, die eigentlich im Mittelmeerraum beheimatet sind.

Doch es sind nicht nur die Orchideen, die den Kuglerhang so besonders machen. Rieber weist auf die letzten Blütenstände der Küchenschelle oder die unscheinbare wilde Möhre. Doch letztere lockt den Schwalbenschwanz herbei, ein prächtiger Schmetterling. „Je höher die Pflanzenvielfalt, desto größer die Tiervielfalt“, lautet die schlichte Wahrheit von Rieber.

Ganz wichtig ist ihm allerdings, dass die Besucher des Kuglerhangs sich nur auf den Wegen aufhalten. Denn gerade weil viele Pflanzen so unscheinbar sind, ist ruckzuck eine seltene Orchidee zertreten. Und nur wenn sich der Mensch zurückhält, kann das biologische Kleinod weiter bestehen und die Besucher in den Bann ziehen. „Sogar Leute aus dem Ruhrgebiet sind deshalb schon nach Horb gekommen“, erzählt Rieber und man hört den Stolz in seiner Stimme.

Info Der Tag des Kuglerhangs ist am Sonntag, 22. Mai. Vom Horber Naturschutzhaus in der Weingasse aus lädt die Nabu-Gruppe Horb um 11, 14 und 16 Uhr zu Führungen, zum Gespräch, zu Kaffee und Kuchen sowie einem einfachem Vesper im Haus ein.

Der Kuglerhang ist seit 1982 ein geschütztes Biotop.

Der Kuglerhang ist seit 1982 ein geschütztes Biotop.

Seit 40 Jahren ist der Kuglerhang eine Oase für seltene Orchideenarten
Seit 40 Jahren ist der Kuglerhang eine Oase für seltene Orchideenarten
Seit 40 Jahren ist der Kuglerhang eine Oase für seltene Orchideenarten

Geschichte des Kuglerhangs

Die Landschaftsgeschichte des Kuglerhangs lässt sich bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen. Früher wurde hier Wein angebaut. Das erkennt man immer noch an einem Steinriegel, der fast senkrecht von der Hangoberkante bis zum Fußpfad reicht. Später diente der Hang als Schafweide. Als diese 1966 aufgegeben wurde, überwucherten Gebüsche und Bäumen die vom Verbiss der Schafe entstandenen Wacholderheide und Halbtrockenrasen. Vor 40 Jahren wurde der Kuglerhang aus seinem Dornröschenschlaf befreit und 1982 wurde er zum Naturschutzgebiet. Heute finden sich hier auf 4,5 Hektar knapp 250 Blütenpflanzen und 110 Tierarten, von denen viele selten und gefährdet sind. Darunter auch 16 Orchideenarten, mit denen der Kuglerhang zu einem bedeutenden Orchideenstandort in Deutschland wird.

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19.05.2016, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 19.05.2016, 01:00 Uhr

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