Neues Klangkleid für die Zukunftsstadt

Sommernachtskino: Antonio Bras macht „Metropolis“ mit Elektronik fit für die Nachwachsenden

Auf den Spuren von Giorgio Moroder hat der Sindelfinger Musiker und DJ Antonio Bras den Stummfilm-Klassiker „Metropolis“ neu vertont. Am Sonntagabend spielt er den Elektro-Soundtrack live zum Film beim Tübinger Sommernachtskino.

29.07.2016

Von Klaus-Peter Eichele

Vom Gothic-Rock über Electronic Body Musik zum Stummfilm-Sound: Antonio Bras. Bild: Wörner

Vom Gothic-Rock über Electronic Body Musik zum Stummfilm-Sound: Antonio Bras. Bild: Wörner

Tübingen. Der seit seiner Kindheit in Deutschland lebende Portugiese hat den wohl berühmtesten Stummfilm aller Zeiten in den 1990-er Jahren kennengelernt – allerdings nicht im Kino oder Fernsehen, sondern in Technoclubs, wo einzelne Sequenzen damals gern als dekorativer Hintergrund auf Videoleinwänden gezeigt wurden. „Das war damals ein regelrechter Hype um ‚Metropolis‘“, erinnert sich Antonio Bras – obwohl ihn kaum einer aus der dieser Clubgänger-Szene vollständig gesehen hat.

Daraus erwuchs bei dem Sindelfinger im Lauf der Jahre die Idee, dem Altklassiker ein modernes Klangkleid zu verpassen, um ihn dadurch auch in voller Länge jungen Leuten schmackhaft zu machen. Als Rüstzeug brachte Bras die frühere Mitgliedschaft in einer Gothic-Rock-Band und Erfahrung als DJ im Bereich der Electronic Body Music mit.

Der neue Soundtrack besteht aus einem auskomponierten Teil elektronisch erzeugter Klänge, die der 50-Jährige bei seinen Auftritten überwiegend live an mehreren Synthesizern spielt. Dazu kommen Samples von existierenden Musikstücken oder Geräuschen, die Bras variabel einsetzen kann. „Der improvisatorische Anteil liegt bei etwa 20 Prozent“, sagt er.

Mit einer ersten Fassung seines „Live-Sound-DJings“ ging Bras im Jahr 2000 an die Öffentlichkeit. Seitdem hat er den Soundtrack immer wieder überarbeitet und verlängert. Denn auch „Metropolis“ nahm im Lauf der Jahre aufgrund von Archivfunden und Restaurierungsarbeiten an Umfang zu. Die neueste Version, die auch am Sonntag beim Sommernachtskino gezeigt wird, misst 151 Minuten.

Nach 20 Jahren mit „Metropolis“ denkt Bras inzwischen über ein neues Projekt im Bereich der Stummfilmmusik nach. Dabei kommt ihm Naheliegendes wie F.W. Murnaus Klassiker „Nosferatu“, aber auch Exotisches wie der erste abendfüllende ägyptische Spielfilm aus dem Jahr 1927 in den Sinn. Vielleicht geht es aber auch in eine ganz andere Richtung. Eine Agentur hat Bras gebeten, die meistens mit beliebigem Geklimper verunstalteten Stummfilme mit Stan Laurel und Oliver Hardy zeitgemäß zu vertonen.

22 Minuten: Die Urfassung ist nahezu komplett

Das Science-fiction-Epos „Metropolis“ erzählt mit opulenten Bildern von einer Zukunftsstadt, deren Bevölkerung in abgestumpfte Proletariermassen und eine sorglos lebende Oberschicht geschieden ist. Ein dämonischer Wissenschaftler entfesselt aus eigennützigen Motiven eine Revolte, wofür er einen weiblichen Maschinenmenschen als Agitator benutzt. 2008 wurden in einem Filmarchiv in Buenos Aires 22 verloren geglaubte Minuten des Stummfilm-Klassikers entdeckt. Dadurch konnte die Urfassung, die Regisseur Fritz Lang nach dem Flop bei den ersten Kinoeinsätzen 1926 drastisch kürzen musste, fast komplett rekonstruiert werden.

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Erstellt:
29.07.2016, 11:35 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 12sec
zuletzt aktualisiert: 29.07.2016, 11:35 Uhr

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