Zelle-Vorwurf wird geprüft

Staatsanwaltschaft Tübingen will Vorfall bei Techno-Party lückenlos aufklären

Die Staatsanwaltschaft Tübingen prüft den Vorwurf des Reutlinger autonomen Jugendzentrums „Zelle“ gegen die Polizei nach einem nächtlichen Rettungseinsatz am Samstag.

03.05.2016

Von Thomas de Marco

Reutlingen. Die „Zelle“ hatte in einer Mitteilung scharf kritisiert, dass die Rettungskräfte bei der Wiederbelebung eines kollabierten 40-jährigen Mannes angeblich massiv von Polizisten behindert worden seien (wir berichteten). Den Beamten sei es nicht vorrangig um die Gesundheit des Mannes, sondern vielmehr um Indizien für eine Mitschuld der „Zelle“ am Zusammenbruch der Person gegangen. Damit habe sich die Polizei endgültig zum politischen Spielball in der Auseinandersetzung des Jugendhauses mit der Stadt gemacht.

Wilfried Müller, Rettungsdienstleiter des Deutschen Roten Kreuzes, erklärt dazu, er habe keinerlei Anzeichen für ein Fehlverhalten der Polizei: „Unsere Mitarbeiter konnten ihre Rettungstätigkeit unbehelligt machen und sind definitiv nicht gestört worden.“ Er lobt allerdings auch die „regelgerechte Wiederbelebung“ durch Anwesende, wohl aus der „Zelle“. Die hätten gute Vorarbeiten geleistet, „das ist nicht überall so“, erklärt Müller.

Mittlerweile ist der Vorgang bei der Staatsanwaltschaft Tübingen gelandet. „Wir prüfen in alle Richtungen, ob es einen Anfangsverdacht gibt und ein Verfahren eingeleitet werden muss“, erklärt Pressesprecherin Tatjana Grgic. So werde geklärt, ob gegen die Polizeibeamten oder aber wegen falscher Verdächtigung gegen die „Zelle“ ermittelt werden müsse. „Das sind so gewichtige Vorwürfe gegen die Polizei, da hat niemand ein Interesse daran, dass etwas unter den Teppich gekehrt wird“, betont die Staatsanwältin.

Eine wichtige Bedeutung hätten in diesem Fall die beteiligten Sanitäter als unabhängige Zeugen. „Wir wollen eine objektive und lückenlose Aufklärung des Sachverhalts.“ Nach TAGBLATT-Informationen sind damit Polizeibeamte außerhalb des Reutlinger Präsidiumsbezirks beauftragt worden.

Der städtische Ordnungsamtsleiter Albert Keppler ist am Samstag gegen 23.45 Uhr von seinem Kommunalen Ordnungsdienst (KOD) zur „Zelle“ gerufen worden. Er habe die Verantwortlichen vergeblich gebeten, die Veranstaltung zu beenden. Diese sei nicht genehmigt gewesen, da der Außenbereich mit Sitzgelegenheiten ausgestattet gewesen und damit bewirtschaftet worden sei. Laut des vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen geschlossenen Vergleichs müssten Veranstaltungen, bei denen entweder mehr als 5 Euro Eintritt kassiert werde oder der Außenbereich bewirtschaftet sei, von der Stadt mit einer so genannten Gestattung (Konzession für einen Tag) genehmigt werden.

Keppler betont, dies sei bereits der zweite Verstoß durch die „Zelle“ seit Jahresbeginn. Zuvor seien für eine Veranstaltung 5 Euro Eintritt angemeldet, tatsächlich aber 7 Euro kassiert worden. „Wir wollen den Vergleich weiterführen – aber wir fragen uns, ob das auf der Gegenseite auch so ist“, sagt der Ordnungsamtsleiter.

Nach seinen Angaben befürchtete die Polizei wohl angesichts der großen „Auffindungsdichte von Drogen“, dass noch mehr Leute gefährdet gewesen seien. Im Polizeibericht war von 15 Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz die Rede. Weil der 40-Jährige schon um 22.30 Uhr kollabierte, habe die Polizei zudem befürchtet, dass hoch dosierte Drogen im Umlauf seien. Von der „Zelle“ war gestern niemand zu dem Vorfall zu sprechen.

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Erstellt:
03.05.2016, 00:30 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 24sec
zuletzt aktualisiert: 03.05.2016, 00:30 Uhr

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