Bergziegen auf Goldblech

Tübinger Forscher werten Funde aus dem Grab des Ägyptischen Pharao Tutanchamun aus

Tausende Besucher kommen täglich in das Ägyptische Museum am Tahir-Platz in Kairo. Viele von ihnen gehen zielstrebig zu den Ausstellungsräumen, in denen die Totenmaske und andere spektakuläre Grabbeigaben des ägyptischen Pharao Tutanchamun zu sehen sind.

15.11.2017

Von Angelika Bachmann

Vor hundert Jahren aus dem Pharaonengrab geborgen und dann erst mal wieder in Vergessenheit geraten: Goldbleche aus dem Grab von Tutanchamun. Ein deutsch-ägyptisches Team hat die Funde restauriert. Links ein Tierkampfmotiv, rechts eine Darstellung aus der klassischen ägyptischen Ikonographie: Der Pharao erschlägt einen Feind. Bild: Christian Eckmann/ RGZM, DAI Kairo und IANES Tübingen

Vor hundert Jahren aus dem Pharaonengrab geborgen und dann erst mal wieder in Vergessenheit geraten: Goldbleche aus dem Grab von Tutanchamun. Ein deutsch-ägyptisches Team hat die Funde restauriert. Links ein Tierkampfmotiv, rechts eine Darstellung aus der klassischen ägyptischen Ikonographie: Der Pharao erschlägt einen Feind. Bild: Christian Eckmann/ RGZM, DAI Kairo und IANES Tübingen

In genau jenen Räumen waren die Tübinger Archäologin Julia Bertsch und ihr Team noch am Mittwochnachmittag damit beschäftigt, Vitrinen zu füllen und Beschriftungen anzubringen. Am Mittwochabend wurde dort eine Sonderausstellung mit fast vergessenen Funden aus dem Pharaonengrab eröffnet.

Gezeigt werden etwa 60 Goldbleche, Verzierungen von Streitwagen, Pfeilköchern und Bogenkästen. Sie lagen fast hundert Jahre lang – seit der britische Archäologe Howard Carter sie 1922 aus dem Grab geborgen hatte – in Kartons verpackt im Magazin des Ägyptischen Museums. Sie waren zwar inventarisiert, das Team um Carter hatte sie auch fotografiert. Sie waren aber nie von einem Wissenschaftler ausgewertet worden und in Vergessenheit geraten.

Bis sich der Tübinger Altorientalist Peter Pfälzner an die alten Schwarz-Weiß-Aufnahmen der Grabbeigaben erinnerte. Er hatte bei den Grabungen im syrischen Qatna in den dortigen Königsgräbern ganz ähnliche Goldbleche gefunden, ebenfalls Verzierungen von Streitwagen. Vor allem meinte Pfälzner auf den ägyptischen Goldblechen Motive zu erkennen, die er eigentlich aus dem östlichen Mittelmeerraum, aus dem mesopotamischen Kulturkreis kennt. Pfälzner gewann Kollegen vom Deutschen Archäologischen Institut in Kairo, dem Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz und dem Ägyptischen Museum in Kairo für das Kooperationsprojekt. Mit diesem wurde nun, nach fast hundert Jahren, die Erstbearbeitung der Grabfunde abgeschlossen.

Nach mehr als 3000 Jahren im Pharaonengrab und 96 Jahren in Magazinkisten waren die dünnen Goldbleche in ziemlich fragilem Zustand. Die Funde drohten den Forschern unter den Händen zu zerbröseln. Das Auswärtige Amt finanzierte deshalb die Einrichtung einer Restauratorenwerkstatt im Ägyptischen Museum, berichtet Pfälzner, sodass sich das hochkarätige Restauratoren-Team aus Mainz vor Ort ans Werk machen konnte.

Seit drei Jahren ist auch die Tübinger Altorientalistin Julia Bertsch in Kairo, die über die Motivgestaltung der Goldbleche ihre Dissertation geschrieben hat.

In der Tat bestätigte sich die Vermutung: Die Goldverzierungen, die als Grabbeigaben für den jung gestorbenen Pharao angefertigt worden waren, zeigen zwar auch traditionell ägyptische Motive – etwa einen Herrscher mit der ägyptischen Königskrone, der im Kampf Feinde erschlägt. Aber etwa die Hälfte der Goldblenden zeigen Motive, die in Vorderasien entstanden und sich von dort aus verbreitet haben. Dazu gehören Darstellungen von Tierkämpfen: Ein Hund und ein Greif attackieren einen Ibex, eine Art Bergziege, die damals im iranischen Gebirge lebte.

Internationale Motive sind in der ägyptischen Kultur ungewöhnlich. Die pharaonische Ikonographie sei gemeinhin sehr traditionell, so Pfälzner. Die Funde zeigten, dass man offensichtlich in dieser Zeit (14. Jahrhundert vor Christus) kulturelle Anregungen aus dem vorderasiatischen Raum aufgenommen hat. Zwischen den Regionen und Reichen gab es ökonomische und diplomatische Kontakte. „Geschenke wurden ausgetauscht.“ Und über diese Geschenke seien wohl auch die Motive in andere Regionen gewandert.

Die Funde sind bis Ende des Jahres im Museum in Kairo zu sehen. Danach werden sie möglicherweise im neuen Grand Egyptian Museum bei den Pyramiden in Gizeh gezeigt. Da die Goldbleche jetzt restauriert und auch von einer Mitarbeiterin der Kunstakademie Stuttgart gezeichnet worden sind, sind sie auf jeden Fall für weitere Forschungsarbeiten zugänglich. (Archiv-)Bilder: Metz / privat

Peter Pfälzner. Archivbild: Metz

Peter Pfälzner. Archivbild: Metz

So lagerten die Goldbleche im Museumsmagazin. Bild: Christian Eckmann/ RGZM, DAI Kairo und IANES Tübingen

So lagerten die Goldbleche im Museumsmagazin. Bild: Christian Eckmann/ RGZM, DAI Kairo und IANES Tübingen

Privatbild

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Kostbare Grabbeigaben

Das Grab des altägyptischen Königs Tutanchamun wurde 1922 von dem britschen Archäologen Howard Carter im Tal der Könige entdeckt. Das Grab war weitgehend unversehrt und enthielt kostbare Beigaben, etwa die goldene Totenmaske, aber auch Möbel, Schmuck, Streitwagen und Jagd-Utensilien.

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Erstellt:
15.11.2017, 19:09 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 41sec
zuletzt aktualisiert: 15.11.2017, 19:09 Uhr

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