Bürgermeisterwahl

Und noch eine Kandidatin

Der Stimmzettel wird länger: Gestern hat auch Eugenia Jung ihre Bewerbung als Schindler-Nachfolgerin eingereicht. Sie ist Empfingerin, Quereinsteigerin – und Zahlen-Expertin.

19.08.2017

Von Kathrin Löffler

Will von der Stuttgartert Krankenversicherung ins Empfinger Rathaus: Eugenia Jung. Privatbild

Will von der Stuttgartert Krankenversicherung ins Empfinger Rathaus: Eugenia Jung. Privatbild

Als Eugenia Jung das erste Mal einen Fuß nach Empfingen setzte, bekam sie Kleidung und Schuhe geschenkt. Sie waren gebraucht. Aber für die damals 16-Jährige fühlten sich die Sachen an wie neu. 1994 war das, in der Alten Kaserne. Jung wurde in Alma-Ata in Kasachstan geboren. Mit ihren Eltern und Großeltern kam sie als Spätaussiedlerin nach Deutschland. Die Zentrale Aufnahmestelle in Empfingen war ihre erste Station. Jung sagt, sie sei damals „positiv überrascht“ gewesen von der Willkommenskultur der Empfinger. Die hätten vorher nicht gewusst, was mit der Aufnahmestelle und ihren Bewohnern auf sie zukomme – aber Bürgermeister Albert Schindler habe sie aufgeklärt. Jetzt, 23 Jahre später, will Eugenia Jung in ebendiesem Empfingen Bürgermeisterin werden und ebendiesen Albert Schindler beerben. Gestern hat die 38-Jährige ihre Unterlagen eingereicht.

Jung hat keine Verwaltungserfahrung, aber Rechnen, Statistiken, Finanzen: Das ist ihr Metier. Sie hat einen Realschulabschluss, ließ sich bei der Deutschen Rentenversicherung als Sozialversicherungsfachangestellte ausbilden, holte ihr Abi nach und studierte Mathematik. Schwerpunkte: Finanz- und Versicherungsmathematik, mathematische Statistik, Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre. Als Werksstudentin arbeitete sie bei der Landeskreditbank. Seit zehn Jahren ist sie bei der Halleschen Krankenversicherung in Stuttgart im Bilanz-Bereich tätig. Warum soll es nun einen Wechsel von der Wirtschaft ins Rathaus eines 4000-Einwohner-Orts geben. Jung sagt: „Ich möchte eine neue Herausforderung“. Sie wolle Verantwortung übernehmen – nicht nur für ihre Familie, sondern auch für die Emnpfinger Bürger.

Die Frage nach ihren Zielen bei einem möglichen Wahlsieg beatwortet Jung bislang noch mit Allgemeinplätzen. Es gehe ihr darum, dass die Gemeinde lebens- und liebenswert bleibe, sie wolle den Empfingern als moderne und verlässliche Bürgermeisterin aus der Mitte heraus dienen und die Gemeinde mit einem erfahrenen und kompetenten Team in eine gute Zukunft führen.

Und konkret? Über das geplante Interkommunale Gewerbegebiet habe Jung schon viel gelesen, gehört und sich mit Albert Schindler unterhalten. Äußern will sie sich dazu aber noch nicht – wie auch zu anderen Themen nicht. Ein konkretes Programm möchte sie erst später vorstellen – und „erst einmal mit allen Bürgern in Kontakt treten“. Vermutlich würden die Empfinger mit Jung im Rathaus aber nicht allzu viele alte Zöpfe fliegen sehen. Denn Jung sagt: „Was Schindler gemacht hat, finde ich super. Ich bewundere seine Arbeit. Ich möchte alles so bewahren und behalten.“ Und weiter: „Ich bin offen für Neues. Aber das Alte muss auch bewahrt werden.“ Bei der Erklärung dieses „Alten“ bleibt Jung noch unspezifisch, sie meine damit aber auch Werte.

Ihr Mitbewerber Ferdinand Truffner hat Verwaltungserfahrung, Jung wäre als Bürgermeisterin Seiteneinsteigerin, das betont sie selbst. Aber Terminmanagement: Das ist sie gewohnt. Morgens um 5 Uhr klingelt der Wecker, Sohn und Tochter, 9 und 3, wollen geweckt und schul- und kindergartenfertig gemacht werden, dann fährt Jung mit dem Auto bis nach Nufringen und mit der S-Bahn bis zur Arbeitsstelle in die Landeshauptstadt. Ihre Schwiegereltern und ihr Mann unterstützen sie, sagt Jung.

2014 haben sie geheiratet. Es ist Jungs zweite Ehe, für ihren Mann zog sie zurück nach Empfingen, zwischendurch hatte sie in Münsingen gelebt. Ihr erster Mann verunglückte 2010. Für ihren Sohn und sie sei das eine schwere Zeit gewesen. „Aber wir haben sie gemeistert“, sagt Jung. Sie selbst begreift sich als „Familienmensch“. Wenn sie nicht nach Stuttgart pendelt, geht sie mit ihren Kindern zum Schwimmen oder Radfahren – oder sie werkelt im Garten: „Beim Unkrautjäten kann ich gut abschalten.“

Eugenia Jung ist evangelisch, parteilos, kein Vereinsmitglied und nach eigener Aussage hauptsächlich mit anderen Spätaussiedlern vernetzt. Das soll sich ändern: „Ich möchte meine Kontakte erweitern“, sagt sie.

Dass sie eine Frau sei, spiele im Wahlkampf schon eine Rolle, glaubt sie. Benachteiligungen wegen ihres Geschlechts habe sie im eigenen Berufsleben aber nie erfahren. Es gebe viele Frauen in Führungspositionen, sie habe eine als Chefin gehabt, bei ihrem aktuellen Arbeitgeber sei eine im Vorstand – Jung sagt das mehr selbstverständlich denn streitbar.

Und was für eine Rathauschefin bekämen dann die Empfinger mit Eugenia Jung? Die sagt: „‘Ne strenge.“ Und lacht.

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Erstellt:
19.08.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 07sec
zuletzt aktualisiert: 19.08.2017, 01:00 Uhr

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