Motorrad-Leidenschaft

Vom Kreidler-Mopedle über die Harley zum Klassiker

Der Altheimer Edgar Scherrmann besitzt, hegt und pflegt seine diversen Motorräder – und ausfahren tut er sie zudem.

29.06.2017

Von Gerd Braun

Viertakt-Power aus den 1970er-Jahren: Der Altheimer Edgar Scherrmann mit seinen Schätzchen (von links) Yamaha XT750, der Kawasaki 750 mit Dreizylinder-Motor – seinerzeit mitunter auch „Witwenmacher“ genannt – und der 750er-Honda mit vier Zylindern. Wenn er einmal nicht mehr fahren kann oder nicht mehr ist, würde Scherrmann seine Maschinen gerne für eine noch ins Leben zu rufende „kulturhistorische Sammlung“, wie er es nennt, zur Verfügung stellen. Bilder: Kuball

Viertakt-Power aus den 1970er-Jahren: Der Altheimer Edgar Scherrmann mit seinen Schätzchen (von links) Yamaha XT 750, der Kawasaki 750 mit Dreizylinder-Motor – seinerzeit mitunter auch „Witwenmacher“ genannt – und der 750er-Honda mit vier Zylindern. Wenn er einmal nicht mehr fahren kann oder nicht mehr ist, würde Scherrmann seine Maschinen gerne für eine noch ins Leben zu rufende „kulturhistorische Sammlung“, wie er es nennt, zur Verfügung stellen. Bilder: Kuball

Um die Haltung zu erahnen, die Edgar Scherrmann gegenüber seinen blitzblank herausgeputzten Motorrädern hat, braucht man den Blick nur in die beiden Kartons zu werfen, die mit der Aufschrift 2T, beziehungsweise 4T versehen sind. Darin befinden sich die Schlüssel für die Zweitakter und Viertakter – an Herzchen-Schlüsselanhängern, auf denen akkurat die Endung des jeweiligen Kennzeichens notiert ist.

Wie viele er davon in seinen Garagen stehen hat? „I woiß et, i han‘s net zählt“, scherzt Scherrmann, der vermutlich sehr wohl weiß, wie viele motorisierte Zweiräder er besitzt. Unter den Schätzchen, die inzwischen allesamt aufbereitet und aktuell auch zugelassen sind, befinden sich echte Raritäten. Will man in deren Geschichte eintauchen, so muss man gut 40 Jahre zurückschauen. Oder Edgar Scherrmann dazu befragen, denn er hat zu allen seinen Maschinen seine Geschichten und Anekdoten zu erzählen – und weiß ohnehin viel über Motorräder, seine Leidenschaft. Sowieso: „Jede Maschine hat ihre Geschichte“, sagt Scherrmann.

„Mutter aller Viertakter“

Da wäre beispielsweise die „Mutter aller Viertakter“, wie der Altheimer die Honda CB 750 nennt. Sie sei, 1968 vorgestellt, die erste Maschine gewesen, die man sich rein zum Freizeitvergnügen gekauft habe. Scherrmann erinnert sich noch gut daran, wie damals das Altheimer Festzelt bei einem Vereinsfest komplett leer war und die Besucher staunend versammelt vor vier solchen Maschinen mit wuchtigen Vierzylinder-Reihenmotoren, gesteuert von „Freudenstädter Arztsöhnen“, standen.

Die für jene Zeit hochmotorisierten Freizeitgeräte hatten allerdings auch ihre finalen Tücken: „Fast jeden Monat war einer hee“, erinnert sich Edgar Scherrmann an tragische Motorradunfälle seinerzeit. Ein Klassiker dabei sei gewesen: Vergessen, den Seitenständer hochzuklappen und dann in der ersten Linkskurve von der Straße katapultiert.

Edgar Scherrmann hatte bereits damals das Motoren-Gen in sich. Schon als junger Kerl fuhr er, wie viele andere, mit einem „Kreidler-Mopedle“ durch die Gegend, mit seiner 175er sei er im Sommer wie im Winter ins Geschäft gefahren.

Als es mit dem Motorradfahren ernster wurde, entdeckte der heute 65-Jährige auch sein großes Vorbild: Jarno Saarinen, „der fliegende Finne“. Noch gut in Erinnerung ist Edgar Scherrmann die rot-weiße Lederkombi, die er sich eigens bei Harro in Rohrdorf nach Saarinens Vorbild hatte schneidern lassen. Und dazu war natürlich der Helm in der selben Farbe Pflicht.

Immer wieder zog es den Altheimer auch zu den Rennsport-Veranstaltungen, vor allem zu den Motorradrennen auf dem Nürburg-, dem Hockenheimring oder auf dem Österreich-Ring in Zeltweg. Allerdings entwickelte sich auch hier, so Scherrmann, nicht alles im Sinne des Fans. Früher habe ein Rennen das andere abgelöst, wurden Wettbewerbe diverser Leistungsklassen direkt hintereinander ausgetragen. Dagegen sei das Rennprogramm heute erheblich ausgedünnt. Im Sinne der Piloten hat sich dagegen vor allem eines zum Guten entwickelt: „Heute fliegen sie ja durchs Kiesbett, da passiert wenig; wenn‘s Dich damals geschmissen hat, dann war‘sch halt hee.“ Er selbst sei renntechnisch „a bissle“ Slalom gefahren, habe zwei, drei Pokale dafür bekommen.

Auch von diversen Autorennen kann Edgar Scherrmann Geschichten erzählen, und bei so viel Begeisterung für motorisierte Fortbewegung überrascht es fast nicht, dass es ihn auch beruflich auf die Straße gezogen hat. Bei Brüninghaus in Horb noch an der Drehbank ausgebildet, wechselte er später auf den Lastwagen – in den Werksverkehr des Unternehmens. Es folgte eine Tätigkeit im Lager, und gegen Ende seiner 46-jährigen beruflichen Laufbahn war Edgar Scherrmann Chef-Fahrer, also Chauffeur der oberen Bosse.

Auch wenn die Leidenschaft fürs Motorrad immer da war, so richtig zugenommen hat diese noch einmal mit dem Wechsel in den Vorruhestand. Da erfuhr seine Sammel-Leidenschaft für die Maschinen seiner jungen Jahre einen echten Schub.

Bereits in der Garage standen zu dieser Zeit unter anderem zwei Zweitakter, eine orangefarbene Yamaha 350 Torque und eine rote Yamaha 400, die er beide in den 70er-Jahren neu gekauft hatte.

Eine Besonderheit, die später dazu kam, ist die blaue Kawasaki 750, eine Zweitakt-Maschine mit drei Zylindern – und folglich auch mit drei Auspuffrohren, zwei rechts und einer links. Spaß machen dem 65-Jährigen aber auch die diversen Viertakter, die er sehr
gerne und regelmäßig ausführt. „Ich denk‘ am Tag davor schon
darüber nach: Welche hol‘ ich morgen raus?“

Gerne wählt Edgar Scherrmann die Straßen von Altheim aus auf die Höhe Richtung Oberiflingen/Dürrenmettstetten. Dort hat er seine Lieblingsstrecken, aber auch Richtung Nagold fährt er gerne. Nach zwei Stunden reiche es ihm dann aber in der Regel – zumal man mit einer Tankfüllung ohnehin kaum mehr als 100 Kilometer schaffe.

Alle Maschinen des Scherrmannschen Fuhrparks sind erstklassig aufgearbeitet: „Das sind lauter Einser“, freut sich der passionierte Motorradfreund, hergerichtet hat sie sein Kumpel Gerhard Höss. Von ihm hat Scherrmann auch die orangefarbene Yamaha XT 750, ein Viertakter aus den frühen 1970ern und damals mit 63 PS nicht nur das Stärkste, sondern auch so teuer wie ein VW Käfer, erworben. Diese Maschine wurde auch schon in einem Motorradmagazin gewürdigt.

Genervt nach Harley-Treffen

Das Faible für die Youngtimer unter den Motorrädern hatte zwischenzeitliche Unterbrechungen. Während die 400er-Yamaha ihr Dasein unter einer Plane in der Garage fristete, sattelte Edgar Scherrmann kurzfristig um auf Harley Davidson. So richtig innig wurde diese Beziehung aber nie, und spätestens nachdem er, wie so viele andere im Rahmen eines Harley-Treffens im Allgäu rausgewunken und die Maschine technisch gefilzt wurde, beherzigte der Altheimer folgenden Tipp: „Kauf‘sch Dir eine BMW, dann hasch Dei‘ Ruh‘“, wurde ihm da geraten – „und so hab ich‘s dann au g‘macht“.

Längst ist der Altheimer zum Genussmensch in Sachen Motorrad geworden. Und auch wenn er das Fahren drauf hat, die Kurven sauber anzusteuern vermag – eines tut er nicht: Zwei Motorräder an einem Tag fahren. „Das lass‘ ich“, sagt er, dazu sei die Umstellung von einer Maschine zu anderen dann doch zu groß.

In den 70ern war noch nichts digital. Die Armaturen verfügten zudem über keinen Schnickschnack, wie er heutzutage durchaus üblich ist.

In den 70ern war noch nichts digital. Die Armaturen verfügten zudem über keinen Schnickschnack, wie er heutzutage durchaus üblich ist.

Vier Zylinder, vier Auspuffrohre: Die rote Honda 750 im Besitz von Edgar Scherrmann deutet auch von hinten sichtbar ihre Kraft an.

Vier Zylinder, vier Auspuffrohre: Die rote Honda 750 im Besitz von Edgar Scherrmann deutet auch von hinten sichtbar ihre Kraft an.

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Erstellt:
29.06.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 59sec
zuletzt aktualisiert: 29.06.2017, 01:00 Uhr

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