Kandidatenporträts

Wechselstimmung noch immer spürbar

Vor vier Jahren konnte sich Saskia Esken einen Platz im Bundestag sichern. Damit es nicht bei dieser einen Periode bleibt, braucht die SPD aber mindestens 22 Prozent. Für die 56-Jährige ist dies jedoch nur das Minimalziel für ihre Partei.

30.08.2017

Von Maik Wilke

Die Bundestagsabgeordnete Saskia Esken tritt bei der Bundestagswahl am 24. September wieder für den Wahlkreis Calw (280) an. Das Fachgebiet der 56-jährigen Sozialdemokratin ist die Digitalisierung. Bild: Kuball

Die Bundestagsabgeordnete Saskia Esken tritt bei der Bundestagswahl am 24. September wieder für den Wahlkreis Calw (280) an. Das Fachgebiet der 56-jährigen Sozialdemokratin ist die Digitalisierung. Bild: Kuball

Die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten, der Ausstieg Großbritanniens aus der Europäischen Union, die Dispute mit der Türkei. All dies habe bei den Bürgern in Deutschland das Gefühl ausgelöst, man muss aktiv werden, sich wieder mehr engagieren – und dann kam Martin Schulz. Für die Bundestagsabgeordnete Saskia Esken und die Sozialdemokratische Partei Deutschland (SPD) ein kleiner Segen. „Unsere Partei hat sich
vorübergehend zu einer Bewegung entwickelt, bei der es sich gelohnt hat, dazu zu gehören“, sagt die 56-Jährige, die seit 2013 für den Wahlkreis 280 ihre Stimme in Berlin erhebt.

Doch der Hype um den neuen Spitzenkandidaten der SPD konnte nicht gehalten werden, die Partei rangiert derzeit bei Umfragen deutlich hinter der CDU. Und das könnte auch Folgen für Esken haben. Im Gespräch mit der SÜDWEST PRESSE im Café Ziegler in Horb ist die erfahrene Politikerin, die 1990 in die SPD eingetreten ist, entspannt und locker. Doch als Nummer 15 auf der Landesliste für Baden-Württemberg müssen die Sozialdemokraten bei der Bundestagswahl am 24. September mindestens 22 Prozent erreichen – sonst verpasst die Informatikerin einen Sitz im höchsten deutschen Parlament. Die Dominanz von Hans-Joachim Fuchtel (CDU) zu brechen und das Direktmandat zu holen, ist eher unwahrscheinlich. Sorgen macht sich Esken jedoch noch keine, sie rechnet fest mit einem guten Ergebnis für die SPD – sogar mit einem neuen Kanzler Martin Schulz: „Ich bin weiterhin davon überzeugt, dass es eine Wechselstimmung gibt. Dass die Bürger eine andere Politik wollen.“

Damit es mit dem Wechsel an der Spitze der deutschen Politik klappt, muss bereits an der Basis gute Arbeit geleistet werden. Denn, so Esken: Stand jetzt wird diese Bundestagswahl wie keine andere zuvor von den Senioren bestimmt. „Doch von den eingefleischten SPDlern oder CDUlern wird keiner auf einmal sein Häkchen woanders setzen“, betont die 56-Jährige. „Es geht für die Parteien also darum, die jungen Wählerinnen und Wähler zu mobilisieren.“ Gerade die letzten drei, vier Wochen vor der Wahl sind entscheidend, sagt Esken, „weil sich die unentschlossenen Bürger immer kurzfristiger entscheiden“.

Doch bevor es wirklich in die heiße Wahlkampf-Phase geht – als Startschuss sieht Esken das TV-Duell zwischen Schulz und Kanzlerin Angela Merkel am 3. September – geht es für die in Bad Liebenzell wohnende Politikerin noch an die Ostsee. „Diese eine Woche Urlaub brauche ich, um dann bestens für die anstrengenden Wochen gerüstet zu sein“, sagt Esken. Da könne sie sich ebenso entspannen, wie beim Spazieren gehen mit ihrem französischen Vorstehhund.

In Berlin setzt sich Esken für ein Thema ein, das schon bei der Landtagswahl vor einem Jahr ein bestimmendes gewesen ist: Bildung. Genauer gesagt, die Digitalisierung der Bildung. „Im Bereich E-Learning hat sich in den vergangenen drei Jahren zwar viel getan, aber Deutschland hinkt im europäischen Vergleich immer noch anderen Ländern hinterher“, sagt die Sozialdemokratin, die stellvertretende digitalpolitische Sprecherin ihrer Fraktion im Bundestag ist.

Das betreffe nicht nur generell den Einsatz von Tablets oder Smartphones im Schulunterricht, sondern vor allem den geübten Umgang mit den Geräten. „In einer Informationsgesellschaft ist es unabdingbar, dass junge Frauen und Männer lernen, Quellen im Internet und damit auch in sozialen Medien richtig einzustufen“, betont Esken. Dabei müssten sie nicht erklärt bekommen, welche Quellen vertrauenswürdig sind, sondern vielmehr, wie sie dies selbst herausfinden und überprüfen können. Dafür setzt sich Esken auch im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgeabschätzung ein.

Doch nicht nur bei Schülern ist der Umgang mit der Digitalisierung ausbaufähig, auch in der Wirtschaft gibt es Potenzial nach oben. Zwar sind die deutschen mittelständischen Unternehmen laut Esken gut aufgestellt und haben die Digitalisierung „auf dem Schirm“. Dennoch gebe es gerade im Bereich Industrie 4.0 noch etliche Sicherheitslücken. „Viele Unternehmen unterschätzen die Gefahr durch Cyber-Angriffe“, sagt Esken. Wenn alle Komponenten eines Produkts elektrisch miteinander kommunizieren, sei die Gefahr groß, dass sich Fremde einen Zugang verschaffen.

Die Unternehmen sollen, um Sicherheitslücken zu schließen, nicht auf sich allein gestellt sein. Es brauche Vorgaben und Richtlinien vom Staat, erklärt die Abgeordnete: „Wir wollen nicht alle Softwareentwickler strafen, sondern dass sie sich an Standards halten, um die höchstmögliche Sicherheit zu liefern.“

SPD-Sprecherin für digitale Bildung

Saskia Esken wurde 1961 in Stuttgart geboren, wohnt jedoch seit vielen Jahren in Bad Liebenzell . Die 56-Jährige ist verheiratet und hat drei Kinder. Als Ausgleich zu ihrer Beschäftigung mit der Digitalisierung in diversen Bereichen versucht die Informatikerin, bei Waldspaziergängen, gerne mit ihrem französischen Jagdhund, abzuschalten und zu entspannen. Esken wurde an der Akademie für Datenverarbeitung Böblingen zur staatlich geprüften Informatikerin ausgebildet. Sie trat bei der Bundestagswahl 2013 für den Wahlkreis Calw-Freudenstadt an und schaffte über die Landesliste den Sprung in den Bundestag in Berlin. Dort ist sie Mitglied der Ausschüsse für „Bildung, Forschung und Technikfolgeabschätzungen“ sowie für „Digitale Agenda“. Für die Fraktion der Sozialdemokraten ist Esken zudem Berichterstatterin für digitale Bildung.