Beton, so wertvoll wie Gold

Wohnraumbündnis spürte bei einer Fahrradtour den Ursachen für hohe Mieten nach

Der Neckarbogen, die Gartenstraße, der Au-Brunnen – Orte in Tübingen, wo die Mietspirale ihren Anfang nimmt. Das zumindest behauptet das Wohnraumbündnis Tübingen. Die Ursachen für steigende Mieten und verdrängte Anwohner versuchten die Mitglieder des Bündnisses bei ihrer Radtour „Tour de Profite“ durch die Südstadt aufzuzeigen.

31.05.2016

Von Vera Leuner

Auch beim Areal hinter dem Stauwehr entlang der Gartenstraße führte die „Tour de Profite“ vorbei: Es soll bebaut werden.Bild: Faden

Auch beim Areal hinter dem Stauwehr entlang der Gartenstraße führte die „Tour de Profite“ vorbei: Es soll bebaut werden.Bild: Faden

„Keine Profite mit der Miete“ ist auf den Schildern, festgemacht an den Fahrrädern, zu lesen. Die Räder gehörten den rund 20 Teilnehmern der Tour de Profite am Sonntag – einer Fahrradtour des Wohnraumbündnisses Tübingen. Gedacht war sie als Protest gegen die hohen Mieten in Tübingen – einem Kernanliegen des Bündnisses, das es seit Herbst vergangenen Jahres gibt. „Wir kritisieren, dass der Markt das Grundbedürfnis an Wohnraum nicht befriedigt“, sagte Marc Amann, einer der Verantwortlichen. Amann befürchtet, dass der Wohnraum in Tübingen in Zukunft für normale Menschen kaum noch bezahlbar sein wird. Wo dafür die Ursachen liegen wollte er mit weiteren Bündnismitgliedern bei der Tour aufzeigen.

Erste Station war eine Ferienwohnung in der Burgsteige, die über die Plattform Airbnb vermittelt wird – für 64 Euro die Nacht. Solche Angebote lassen auch die Mieten in der Gegend steigen, erklärte Paul Rodermund den Teilnehmern. Gibt es mal keine Nachfrager für die Unterkünfte, dann stehen diese leer: „In besonders beliebten Vierteln verdrängen Touris Anwohner, weil sich mit den Ferienwohnungen in der Regel mehr Geld machen lässt.“ Die verdrängten Anwohner waren auch Thema in der Altstadt. In der Langen Gasse lasse sich mit Wohnraum viel Geld verdienen: „Aus diesem Grund entschließen sich viele Eigentümer, die Wohnung zu sanieren, um sie entweder zu extrem viel teureren Preisen weiterzuvermieten oder als Luxuseigentumswohnungen zu verkaufen“, sagte Roxana Hashemi.

An die zwölf Stationen hatte die Tour insgesamt: In der Gartenstraße wurde auf ein seit Jahren leerstehendes Haus hingewiesen. Dann wurde Halt gemacht am Neckarbogen. In dem Neubaugebiet sei nur hochpreisiger Wohnraum entstanden: „Trotz 58 neuer Wohnungen innenstadtnah ist keine mit Sozialbindung darunter“, sagte Amann. Beim Au-Brunnen, dem nächsten Stopp, kritisierte Martin Fleischer die vieldiskutierten Pläne für ein Gewerbegebiet. Das Projekt sei ein weiterer Puzzlestein einer neoliberalen Stadtentwicklung. „Bewusst oder unbewusst befördert man damit das schnelle Wachsen der Stadt durch Zuzug – unbekümmert davon, ein wirklich soziales und bezahlbares Leben in Tübingen zu ermöglichen“, sagte er. Der Stadt machte er auch beim nächsten Halt am Güterbahnhof einen Vorwurf. Als das Areal der Bahn zum Verkauf stand, habe die Stadtverwaltung nicht von ihrem Vorverkaufsrecht Gebrauch gemacht. „Insofern entsteht dort nun nur 20 Prozent sozialer Wohnraum und ein hoher Anteil von hochpreisigen Eigentumswohnungen“, sagte Fleischer.

Gegen Ende der Tour holte Marc Amann einen Tiefkühl-Karton eines bundesweiten Pizza-Herstellers hervor und fragte, was das mit Tübingen zu tun habe? Die Firma habe mit ihrer Immobiliensparte in der Weststadt gebaut: „Um Gewinne und Kapital zu verwerten und Rendite zu erwirtschaften legt ein Nahrungsmittelunternehmen sein Geld in Immobilien an – Betongold“. Wieder gehe es beim Wohnraum nicht darum, ein Grundbedürfnis der Allgemeinheit zu sichern.

Die letzte Station der Tour war der Sitz eines großen Immobilienfonds. Für Amann ist das der Ort, wo in Tübingen am offensichtlichsten aus Wohnraum Profit geschlagen werde. Billig Immobilien kaufen und sie teuer verkaufen, das sei das alleinige Prinzip: „Da ist Wohnraum reine Ware.“

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Erstellt:
31.05.2016, 01:30 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 33sec
zuletzt aktualisiert: 31.05.2016, 01:30 Uhr

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