Waldner-Areal

Wurden Fledermäuse getötet?

Gegen Eigentümer Kurt Waldner und den Abbruchunternehmer wurden Ende Februar Strafbefehle wegen Verstößen gegen das Bundesnaturschutzgesetz erlassen. Der Fall landet wahrscheinlich vor Gericht.

23.03.2017

Von Benjamin Breitmaier

Es war im Spätsommer, als die Bagger anrückten. „Das ehemalige Kino ist seit gestern nun Geschichte“, schrieb die SÜDWEST PRESSE am 18. August. Das Abbruchunternehmen Walter zerlegte es an diesem Mittwochmorgen als erstes. Ob es zu dem Zeitpunkt unbewohnt war, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit in den kommenden Monaten vor Gericht geklärt. Das Amtsgericht Horb hat gegen den Eigentümer des Areals, Kurt Waldner, und den Geschäftsführer des Abbruchunternehmens Walter, Jürgen Katz, Strafbefehle erlassen. Das Landratsamt Freudenstadt hatte die beiden angezeigt. Der Grund: Bis zu 140 Fledermäuse bezogen in dem Gebäude ihr Sommerquartier. Der Vorwurf: Vergehen gegen das Bundesnaturschutzgesetz. Beide, Waldner und Katz, legten Einspruch zu den Strafbefehlen ein. Im Gespräch mit der SÜDWEST PRESSE behauptet Waldner: „Ich habe noch nie eine Fledermaus auf dem Gelände gesehen.“ Sagt, er habe von nichts gewusst.

Es war das Jahr 2012, als sich eine junge Fledermaus auf Jutta Glauners Balkon verirrte. Für die Anwohnerin der Mühlener Straße warf der Besuch des Flugsäugers Fragen auf. Fragen, die in der Region nur ein Mann beantworten kann: Christian Dietz, Experte und Gutachter in Fledermaus-Angelegenheiten. Laut Dietz hat eine Fledermausmutter wahrscheinlich ihr Junges auf den Balkon fallen lassen.

Es dauerte nicht lange, bis der Fachmann den Fledermauskot entdeckte, dort, an den Notausgängen des alten Kinogebäudes. Hier siedelten die Zwergfledermäuse während der Sommermonate. Sie hingen unter der Blechverwahrung. „Immer in der Dämmerung kamen sie heraus, es war ein gigantisches Bild“ – die Erinnerung an die beflügelten Nachbarn schmerzt Jutta Glauner heute.

Nach Aussage von Dietz ging der Fachmann auf den Eigentümer des Areals, Kurt Waldner, zu und berichtete von seinem Fund. „Er erklärte, dass man an dem Gebäude nur etwas in Absprache mit dem Naturschutzbund machen darf“, erinnert sich Glauner. Der Fachmann fertigte ein zwölfseitiges Gutachten über die Kolonie an. Jedes Jahr kontrollierte er den Bestand. Jutta Glauner ist sich sicher, dass beim Abbruch noch Fledermäuse im Gebäude waren: „Die müssen sie erwischt haben.“

An den 17. August, dem Tag des Abbruchs, kann sie sich genau erinnern. Es war um sieben Uhr morgens, als die Bauarbeiter am Gelände eintrafen. „Ich fragte mich, warum kommen die schon?“ Dietz habe gesagt, es sei mit Waldner abgesprochen, dass er noch mit dem Nabu redet, bevor die Abbrucharbeiten beginnen. Und: Noch am Abend davor hat Dietz nach eigener Aussage mit dem Unternehmen Walter telefoniert und auf die Fledermäuse hingewiesen. Glauner musste zur Arbeit. Zuvor machte sie zwei Telefonanrufe.

Den ersten nahm Hubert Eberhardt von der Stadtverwaltung Horb entgegen. Es war laut Aussage der Pressestelle das erste Mal, dass die Stadt Horb von der Fledermaus-Kolonie erfuhr. „Die Baurechtsbehörde hat unmittelbar nach Bekanntwerden dieser Problematik durch diesen Hinweis eine Baukontrolle vor Ort veranlasst“, erklärt Sprecher Rolf Kotz gegenüber der SÜDWEST PRESSE. Eberhardt traf sich mittags an der Baustelle ein. Das Gebäude lag zu dem Zeitpunkt jedoch bereits in Trümmern. Es „konnten allerdings keine Fledermäuse mehr festgestellt werden, da die Abbrucharbeiten bereits entsprechend fortgeschritten waren“, heißt es in der städtischen Stellungnahme weiter.

Aussage gegen Aussage

Christian Dietz war schockiert. Die Fledermäuse wären nur wenige Wochen später weg gewesen, auf dem Weg ins Winterquartier. Er selbst will sich aufgrund des immer noch laufenden Verfahrens nicht weiter zu der Sache selbst äußern.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft dauerte es weniger als eine Woche, bis sich das Landratsamt Freudenstadt einschaltete. Die Behörde erstattete Anzeige, die am 23. August bei der Staatsanwaltschaft in Rottweil einging. Glauner und Dietz wurden von der Horber Polizei als Zeugen befragt. Ende Februar wurde die Angelegenheit an das Horber Amtsgericht übergeben. Mittlerweile wurden beide Strafanträge erlassen. Diese sind jedoch noch nicht rechtskräftig, da bei de Beklagten Einspruch eingelegt haben. Heißt: Mit hoher Wahrscheinlichkeit landet der Fall vor Gericht. Zum Strafmaß in den Strafbefehlen wollte Albrecht Trick, Direktor am Horber Amtsgericht, noch nichts preisgeben. Er verweist auf das noch nicht abgeschlossene Verfahren. Im Strafbefehlsverfahren kann eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr verhängt werden.

Eigentümer Kurt Waldner erklärt im Gespräch mit der SÜDWEST PRESSE, dass er bis zum Tag des Abbruchs nichts von einer Fledermauskolonie auf dem Areal gewusst habe. Er unterstellt Jutta Glauner Bösartigkeit. Hubert Eberhardt von der Stadtverwaltung Horb hätte ihn erst am 17. August über die Tiere informiert. So steht Aussage gegen Aussage.

Zum Artikel

Erstellt:
23.03.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 16sec
zuletzt aktualisiert: 23.03.2017, 01:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Newsletter Wirtschaft: Macher, Moneten, Mittelstand
Branchen, Business und Personen: Sie interessieren sich für Themen aus der regionalen Wirtschaft? Dann bestellen Sie unseren Newsletter Macher, Moneten, Mittelstand!