Ausbildung als Chance

Yasir Saeed aus Pakistan hat sich in der Firma Schnitzer gut eingelebt und will nun Anlagenmechanike

Seit mehr als anderthalb Jahren arbeitet Yasir Saeed aus Pakistan bei der Belsener Firma Schnitzer. Im September wird er dort eine Ausbildung zum Anlagenmechaniker beginnen. Wolfgang Schnitzer hat noch keine Minute bereut, dass er dem 34-Jährigen eine Chance gegeben hat – auch wenn er zunächst skeptisch war.

02.07.2016

Von Gabi Schweizer

Aus diesem Blech werden Rinnen für Wasserverteiler gebaut: Arbeiten wie diese hat Yasir Saeed in den ersten Monaten bei Schnitzer (rechts Firmenchef Wolfgang Schnitzer) verrichtet. Nun ist er meist auswärts auf Baustellen unterwegs und hilft, Heizung zu montieren.Bild: Franke

Aus diesem Blech werden Rinnen für Wasserverteiler gebaut: Arbeiten wie diese hat Yasir Saeed in den ersten Monaten bei Schnitzer (rechts Firmenchef Wolfgang Schnitzer) verrichtet. Nun ist er meist auswärts auf Baustellen unterwegs und hilft, Heizung zu montieren.Bild: Franke

Belsen. Im Sprachkurs seiner Frau gebe es einen Flüchtling aus Pakistan, der sich aufs Schweißen verstehe. Ob er nicht jemanden brauchen könne? Diese Frage hörte Wolfgang Schnitzer, Chef des gleichnamigen Unternehmens, von seinem Hausarzt. Erst einmal lehnte er ab. In der Firma, einem Betrieb für Blechbearbeitung, Sanitärtechnik, Bauflaschnerei, Heizung und Solar, werde gar nicht mehr so viel geschweißt. Aber der Hausarzt ließ nicht locker. Beim gemeinsamen Tennisspielen fragte er erneut. Und diesmal gab Schnitzer nach. Der Mann solle halt mal vorbeikommen. Zwei Tage später stand Yasir Saeed vor der Tür und hinterließ einen so guten Eindruck, dass Schnitzer ihn zur Probe einestellte. Dass er relativ gut Deutsch sprach, habe ihn überzeugt, sagt der Firmenchef heute. „Und seine sympathische, offene Art.“

Als Hilfsarbeiter ist Yasir Saeed seither beschäftigt. Zunächst stanzte er Blech aus und verichtete Handlangerdienste in der Werkstatt. Als nach einigen Monaten ein Mitarbeiter ausfiel, half Saeed zum ersten Mal, auf einer Auswärts-Baustelle Heizungen zu installieren. „Der Obermonteur lässt ihn nicht mehr gehen“, sagt Schnitzer heute. Und, zu Yasir Saeed gewandt: „Der Dieter und du, ihr seid das Traumteam.“ Der junge Mann lächelt dazu etwas schüchtern. Fachlich, das betont der Chef, sei er sehr zufrieden. Aber an das Hin und Her mit den Behörden und an die Berge von Formularen erinnert er sich nur ungern zurück. Ob er keinen Deutschen einstellen könne?, fragte die Arbeitsagentur damals. „Wenn sie mir einen geschickten bringen, stell’ ich den auch ein“, antwortete Schnitzer. Nach wie vor gilt: EU-Bürger haben bei gleicher Eignung auf dem Arbeitsmarkt Vorrang. Das macht es für Flüchtlinge schwierig, Arbeit zu finden – auch wenn die Gesetze im vergangenen Jahr gelockert wurden und Asylbewerber in der Regel schon nach drei Monaten auf Jobsuche gehen dürfen.

In seinem Herkunftsland Pakistan hat Saeed eine Ausbildung zum Elektroschweißer gemacht und sechs Jahre lang für eine Firma gearbeitet, die Überdachungen für Bushäuschen baute. Schnitzer bildet in drei Berufssparten aus – unter anderem zum Blechner. Dass Saeed diesen Zweig wählen würde, lag nahe. Doch dafür hätte er die Berufsschule in Ulm besuchen und dort auch übernachten müssen – schwierig zu bewerkstelligen mit zwei kleinen Kindern. Deswegen wird der 34-Jährige nun „Anlagennechaniker Sanitär, Heizung, Klima“. Das ist ein durchaus anspruchsvoller Beruf, der Kenntnis neuester Techniken erfordert, angefangen beim Pelletofen und anderen erneuerbaren Energien. „Früher gab es den Heizungsmonteuer und den Gas- und Wasserinstallateur“, erzählt Schnitzer. Heute sei beides zusammengefasst. „Der Beruf wird komplizierter. Das ist wie bei den Automechanikern. Früher konnte man sein Auto selbst reparieren. Wenn man heute die Motorhaube aufmacht, findet man nicht einmal mehr die Batterie.“ Dennoch: Fachlich habe er bei Yasir Saeed gar keine Bedenken. Nur die Sprache müsse sich noch verbessern. Sonst hätte die dreieinhalbjährige Ausbildung schon früher beginnen können. In der Berufsschule würden jedoch auch Fächer wie Deutsch und Wirtschaftskunde unterrichtet.

An zwei Abenden in der Woche besucht Saeed einen Deutschkurs bei der Volkshochschule, um bis Herbst auf B1-Niveau zu kommen. Das meiste lernt er allerdings nebenbei. Denn in der Werkstatt und auf der Baustelle spricht sonst niemand Urdu, seine Muttersprache.

Schnitzer wohnt in der Bahnhofstraße, ganz in der Nähe des neuen Flüchtlingswohnheims auf dem Jura-Gelände. Manchmal sieht er dort „junge Kerle im besten Mannesalter“ die Straße entlanglaufen und denkt sich, dass es eigentlich nicht angehen könne, dass sie nur so schwer eine Stelle finden. Zumal viele Handwerksbetriebe Probleme mit dem Nachwuchs haben. Auf den eigenen Betrieb treffe das zwar nicht zu, der habe einen guten Ruf und kümmere sich auch jenseits von Lohn und Brot um die 60 Angestellten: „Wir gehen auch mal zusammen Skifahren.“ Aber schon lange klagt das Handwerk über Fachkräftemangel.

Auch wenn die Schnitzer-Belegschaft die multikulturelle Gesellschaft widerspiegelt und es einige Mitarbeiter mit italienischem oder türkischem Migrationshintergrund gibt, ist Saeed bislang der einzige Asylbewerber im Unternehmen. Der Knackpunkt, das betont Schnitzer, sei die Sprache. Wenn diese Voraussetzung erfüllt sei, könnte er sich durchaus vorstellen, weitere Flüchtlinge einzustellen.

Yasir Saeed ist froh, dass er nach der Ausbildung seine junge Familie komplett selbst ernähren kann: Die Stelle ist ihm bereits sicher. Und er hofft, dass er in Deutschland bleiben darf. Noch muss er seinen Ausweis alle drei Monate verlängern lassen – er hat auch nach dreieinhalb Jahren in Deutschland nur eine Duldung. Doch die beiden Kinder sind hier geboren. „Er zahlt Arbeitslosenversicherung, Krankenversicherung, ist integriert in der Firma und sehr beliebt“, zählt sein Chef auf. „Es wäre eine Riesenschweinerei, wenn er abgeschoben würde.“

Nach drei Monaten dürfen Geflüchtete arbeiten, aber die Hürden sind hoch

Anerkannte Asylbewerber haben uneingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt.

Oftmals dauert es aber sehr lange, ehe ein Asylantrag positiv beschieden wird, oder Menschen leben jahrelang mit einer Duldung: Ihr Antrag wurde eigentlich abgelehnt, aus verschiedenen Gründen werden sie dennoch nicht abgeschoben. Für sie gelten folgende Regeln:

Im Normalfall dürfen Geflüchtete drei Monate nach ihrem Asylgesuch eine Stelle annehmen. Allerdings: Wer ohne Papiere über einen sicheren Drittstaat einreist, muss mehr Wartezeit einplanen. Denn dann gilt diese Drei-Monats-Frist erst ab dem förmlichen Asylantrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) – und Termine dafür sind momentan schwer zu bekommen.

Noch strengere Regeln gelten für Asylbewerber aus sogenannten „sicheren Herkunftsländern“, zu denen beispielsweise Albanien, Bosnien, Kosovo und Senegal zählen. Für Geflüchtete aus jenen Staaten ist es nach aktueller Rechtslage nicht möglich zu arbeiten, während das Asylverfahren läuft.

Ehe Flüchtlinge arbeiten dürfen, müssen sie bei der Ausländerbehörde eine Genehmigung einholen. Diese wiederum kontaktiert die Arbeitsagentur, die eine „Vorrangprüfung“ macht. EU-Bürger müssen bei gleicher Eignung bevorzugt werden, die Stellenbesetzung muss „arbeitsmarkt- und integrationspolitisch verantwortbar“ sein, und Geflüchtete dürfen nicht weniger verdienen oder sonstwie schlechter gestellt sein als Angestellte mit deutschem Pass. Nach 15 Monaten entfallen die ersten zwei Kriterien, nach vier Jahren braucht es auch keine Genehmigung der Arbeitsagentur mehr. Generell zustimmungsfrei sind Ausbildungen, Praktika und Freiwilligendienste.

Wer eine Duldung hat, kann seine Bleibeperspektive durch einen Job verbessern. Laut BAMF werden „Umstände und Integrationsleistungen“ berücksichtigt.

Zum Artikel

Erstellt:
02.07.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 07sec
zuletzt aktualisiert: 02.07.2016, 01:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Newsletter los geht's
Nachtleben, Studium und Ausbildung, Mental Health: Was für dich dabei? Willst du über News und Interessantes für junge Menschen aus der Region auf dem Laufenden bleiben? Dann bestelle unseren Newsletter los geht's!